EGV-SZ 1995

[Entscheide Nr. 25, 26, 27, 28, 29, 30, 31, 32, 33, 34, 35, 36, 37, 38, 39, 40, 41, 42, 43]

 

II. Zivil- und Strafgerichte

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Gerichtsordnung

– Vorsorgliche Massnahme nach Markenrecht.

Aus den Erwägungen:

Die Klägerinnen stützen ihr Massnahmebegehren auf Marken- und Wettbewerbsrecht. Nach Art. 59 Abs. 3 MSchG ist der nach Art. 58 zuständige Richter zum Erlass vorsorglicher Massnahmen zuständig, falls noch keine Klage hängig ist. Art. 58 Abs. 3 MSchG verpflichtet die Kantone, für zivilrechtliche Streitigkeiten aus Markenrecht für das ganze Kantonsgebiet eine einzige Instanz zu bezeichnen. Zivilrechtliche Streitigkeiten, für die das Bundesrecht eine einzige kantonale Instanz vorschreibt, beurteilt nach § 2 Abs. 1 der kantonalen Vollzugsverordnung zu den Bundesgesetzen über das Urheberrecht, den gewerblichen Rechtsschutz, den unlauteren Wettbewerb und die Kartelle vom 10. September 1970 (GS II/208) das Kantonsgericht. Zuständig zum Erlass vorsorglicher Massnahmen in solchen Fällen ist nach § 29 Abs. 2 GO der Kantonsgerichtspräsident als Einzelrichter (in diesem Sinne bereits Verfügung vom 10. Dezember 1993 i.S. H.).

(Verfügung vom 20. Januar 1995; KG 506/94 GP).

 

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Gerichtsordnung

– Die nach § 128 GO säumige Partei muss vor Zusprechung einer Entschädigung an die Gegenpartei nicht angehört werden.

Aus den Erwägungen:

Nach § 128 GO wird der erschienenen Partei sofort volle Entschädigung zugesprochen, wenn die Verhandlung wegen Säumnis der anderen Partei nicht stattfinden kann. Ferner kann der Säumige mit Ordnungsbusse bestraft werden, wenn er sich innert Frist nicht genügend zu entschuldigen vermag, sofern ihn nicht andere prozessuale Nachteile treffen (Abs. 2). Als säumig gilt, wer zu einer Verhandlung nicht innert einer halben Stunde nach dem in der Vorladung festgesetzten Zeitpunkt erscheint (§ 127 Abs. 1 GO).

Die Zürcher Praxis steht gestützt auf den analogen Wortlaut von § 198 GVG-ZH auf dem Standpunkt, dass diese Bestimmung eine Kausalhaftung der nichterschienenen Partei für die nutzlosen Kosten der Gegenpartei statuiert. Für die Auferlegung einer Entschädigung nach § 198 GVG genügt es folglich, dass die betreffende Partei das vergebliche Erscheinen der Gegenpartei verursacht hat, wobei es nicht darauf ankommt, ob dies verschuldet oder unverschuldet geschehen ist. Dieser Schluss ergebe sich klar aus dem Gesetzestext selbst, laut welchem Frist für eine allfällige Rechtfertigung nur mit Bezug auf die Frage der Ordnungsbusse angesetzt zu werden brauche. Daraus müsse geschlossen werden, dass die Entschädigung an die Gegenpartei gemäss § 198 GVG unabhängig vom Vorhandensein von Exkulpationsgründen zuzusprechen sei (ZR 80 1981, Nr. 59; Hauser/Hauser, GVG, N 5 in fine zu § 219 aGVG). Daraus ergibt sich auch, dass der entschädigungspflichtigen Partei im Rahmen des rechtlichen Gehörs keine Frist zur Stellungnahme anzusetzen ist. Die Entschädigungspflicht resultiert allein aus der Tatsache, dass die Partei zu einer Verhandlung nicht erschienen ist. Die Entschädigung ist vom Richter „sofort", d.h. ohne Anhörung der betroffenen Partei auszusprechen. Damit erweist sich auch die Rüge, die Vorinstanz habe der Beschwerdeführerin das rechtliche Gehör entzogen, als unbegründet.

(Beschluss vom 11. Januar 1995; KG 296/94 RK 1).

 

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Zivilrecht

– Es ist nicht Sache des Abänderungsrichters (Art. 286 Abs. 2 ZGB), die Unwirksamkeit eines von den Vormundschaftsbehörden genehmigten Abfindungsvertrages festzustellen.

Aus dem Sachverhalt:

B. anerkannte 1981 die 1980 geborene Klägerin als sein Kind und zahlte, gestützt auf einen von den Vormundschaftsbehörden genehmigten Vertrag, eine Abfindung im Sinne von Art. 288 ZGB von Fr. 60000.–. Die Behörden genehmigten den Abfindungsvertrag, nachdem der Beistand des Kindes erklärt hatte, der Vater gedenke, in absehbarer Zeit seinen Wohnsitz ins Ausland zu verlegen, und der Einzug der monatlichen Alimente sei dadurch erschwert. B. zog nie ins Ausland, und es ist fraglich, ob er dies je ernsthaft beabsichtigt hatte.

Die Klägerschaft holte ein Privatgutachten ein. Der Gutachter hielt dafür, dass der Wegzug des Vaters ins Ausland zur Zeit des Abschlusses des Abfindungsvertrages objektiv ein ungewisses Ereignis gewesen sei, und der Wegzug somit nicht Gegenstand eines Grundlagenirrtums im Sinne von Art. 24 Abs. 1 Ziff. 4 OR sein könne. Der Wegzug habe vielmehr die Bedeutung einer stillschweigenden Bedingung. Die Abfindung sei nur für den Fall vereinbart worden, dass B. in absehbarer Zeit seinen Wohnsitz verlege; dass die 1981 absehbare Zeit längst abgelaufen sei, liege auf der Hand. Die Bedingung sei weggefallen. Der Abfindungsvertrag sei infolgedessen unwirksam, ohne dass von Irrtum oder Anfechtung die Rede zu sein brauche. Damit sei auch die Genehmigung des Vertrages durch die Aufsichtsbehörde dahingefallen (Hinweis auf Metzler, Die Unterhaltsverträge nach dem neuen Kindesrecht, Diss. Freiburg 1980, S. 334, 342). Die Unterhaltspflicht bedürfe daher einer Neuregelung. Der Inhalt der Neuregelung sei zunächst die ausdrückliche Feststellung der Unwirksamkeit des Abfindungsvertrages von 1981.

Aus den Erwägungen:

Periodisch fällige Alimente sind grundsätzlich bei Veränderung der wesentlichen Verhältnisse abänderbar. Gemäss Art. 287 ZGB können vertraglich festgelegte periodische Unterhaltsbeiträge als nicht abänderlich vereinbart werden; dies allerdings nur mit Genehmigung der vormundschaftlichen Aufsichtsbehörde. Umgekehrt verhält es sich bei der einmaligen Abfindung. Diese ist prinzipiell unabänderlich, es sei denn, dass Vorbehalte angebracht worden sind. Die Abfindung tritt nämlich anstelle des Unterhaltsanspruches (Tuor/Schnyder/Schmid, ZGB, 11.A., S. 326). Auch wenn gegen die einmalige Abfindung dogmatische Bedenken erhoben werden könnten, hat der Gesetzgeber diese zugelassen. Im Entwurf zum neuen Art. 287 ZGB sah man sogar vor – was nicht Gesetz wurde –, dass in jedem Falle bei einer Abfindung die vormundschaftliche Aufsichtsbehörde die Genehmigung erteilen müsse (also auch bei richterlich genehmigten Abfindungsverträgen; vgl. Bot. Bbl. 1974 II 63). Die Genehmigung ist ein Akt der sogenannten freiwilligen oder nichtstreitigen Gerichtsbarkeit (BGE 111, II 8). Die Behörde muss nicht nur prüfen, ob die einmalige Abfindung am Platze sei, sondern vornehmlich auch, ob die Summe angemessen sei.

Der Privatgutachter und mit ihm die Klägerin gehen davon aus, dass der Abfindungsvertrag wegen Nichtinnehalten einer stillschweigenden Bedingung irgendwann mit den Jahren dahingefallen sei. Es ist nicht nachgewiesen und nicht einmal glaubhaft dargetan, dass die ausdrücklich bloss als Absichtserklärung bestandene Emigrationsmöglichkeit als stillschweigende Bedingung des Vertrages zu gelten hat. Gegenteils muss in casu mangels Vorbehalts gefolgert werden, dass der Abfindungsvertrag nach Auffassung aller Beteiligten auch für den Fall gelten sollte, dass B. nicht auswandern würde. Andernfalls hätte man ausdrücklich einen Vorbehalt anbringen müssen.

Der Gutachter bezeichnet im weitern nicht ausdrücklich, wer für die Feststellung der behaupteten Unwirksamkeit zuständig sei. Wenn tatsächlich jetzt schon Unwirksamkeit gegeben wäre, könnte man sich vorstellen, dass der Abänderungsrichter diese vorfrageweise feststellen könnte. Der hiesige Abänderungsrichter ist aber der Auffassung, dass weder eo ipso durch Zeitablauf bzw. Nichteintritt der angeblich stillschweigenden Bedingung, noch auf eine Erklärung einer Partei hin der Abfindungsvertrag von ihm als unwirksam erklärt werden kann. Es ist Sache jener Behörde, welche die Genehmigung erteilt hat, die Genehmigung zu widerrufen oder festzustellen, dass die Genehmigung unwirksam ist (Metzler, a.a.O., S. 347). Erst wenn ein solcher Entscheid vorliegt, kann der ordentliche Abänderungsrichter über den Unterhalt neu urteilen. Erst mit Widerruf der Genehmigung bzw. Feststellung der Unwirksamkeit der früheren Genehmigung durch die Behörde, welche die Genehmigung erteilte, lebt die Unterhaltsverpflichtung des Beklagten wieder auf.

Richtig ist, dass soweit ein von der Vormundschaftsbehörde genehmigter Unterhaltsvertrag auf periodische Leistung abänderbar ist, der Abänderungsrichter, in casu der Einzelrichter, eine allfällige Abänderungsklage beurteilen kann und muss, ohne dass vorher die Genehmigung der Vormundschaftsbehörde widerrufen werden muss. Die inhaltliche Begründung dieser unterschiedlichen Behandlung der Genehmigung von Unterhaltsverträgen liegt materiell darin, dass eine Abänderungsklage eine erhebliche Veränderung der Verhältnisse voraussetzt (Art. 286 Abs. 2 ZGB); mit andern Worten der Abänderungsrichter neue tatsächliche Verhältnisse zu beurteilen hat, während im Falle des Widerrufes einer Genehmigung eines Abfindungsvertrages durch die Aufsichtsbehörde die frühere Sach- und Rechtslage zur Diskussion steht.

(Urteil Einzelrichter Höfe vom 10. Oktober 1995; ER 51-8/93).

Anmerkung: Eine andere Auffassung hat Cyril Hegnauer in einer Abhandlung in der Zeitschrift für Vormundschaftswesen 51/1996, S. 6ff. vertreten.

 

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Zivilrecht

– Eine AG, welche lediglich Rechnungen des Mandatars aus dessen Mandatsvertrag mit den Aktionären bezahlt, hat keinen Anspruch auf Herausgabe von Akten aus dem Mandatsverhältnis.

Aus dem Sachverhalt:

Im Nachlass von E. befanden sich sämtliche Aktien der A. AG. Die Willensvollstrecker des Nachlasses von E. schlossen einen Mandatsvertrag mit Rechtsanwalt X. ab. X. wurde gemäss Generalvollmacht von den Vertretern der Inhaber sämtlicher Aktien bevollmächtigt, die Aktionäre an der Generalversammlung der A. AG zu vertreten, und X. übernahm auch gestützt auf den Mandatsvertrag die Aufgaben des Verwaltungsrates der A. AG. Nach Verkauf der Aktien und Ausscheiden des X. als Verwaltungsrat, verlangt die A. AG (Klägerin) von X. die Herausgabe der Unterlagen, die ihm im Rahmen seiner anwaltlichen Tätigkeit für die Klägerin zugekommen seien.

Aus den Erwägungen:

Voraussetzung der Pflicht zur Rechenschaftsablegung i.S. von Art. 400 OR ist das Vorliegen eines Auftragsverhältnisses unter den Parteien. Im Mandatsvertrag findet sich der Hinweis, dass bestimmte Tätigkeiten des Beklagten X. als Verwaltungsrat nach Anwaltstarif bzw. einstweilen zu einem bestimmten Stundenansatz zu entschädigen sind. Dies bedeutet jedoch noch nicht, dass der Beklagte mit einem Anwaltsmandat seitens der A. AG als Auftraggeberin betraut worden wäre. Die erwähnte Entschädigungsklausel bezieht sich auf die Tätigkeit des Beklagten als Verwaltungsrat, auf die übliche Tätigkeit und die darüber hinausgehende. Soweit der Beklagte als Beauftragter der Aktionäre tätig gewesen war, wären grundsätzlich diese Aktionäre als Mandanten zur Bezahlung der Mandatsentschädigung verpflichtet gewesen. Es kommt aber vor und dürfte zulässig sein, diese Entschädigung der Gesellschaft direkt zu belasten; dies jedenfalls dann, wenn sämtliche Aktionäre damit einverstanden sind (Forstmoser/Meier-Hayoz/Nobel, Schweizerisches Aktienrecht, § 28, Rz 178). Während seiner Tätigkeit als Verwaltungsrat der Klägerin und nach Niederlegung dieses Mandates hat der Beklagte seine Rechnungen, detailliert in verschiedenste Positionen, der A. AG zukommen lassen. Dabei wurde jeweilen nicht unterschieden zwischen Entschädigung als Verwaltungsrat und der Entschädigung des Beklagten als Beauftragter der Aktionäre. Die Klägerin hat die detaillierten Rechnungen bezahlt, und an der Generalversammlung wurde Decharge erteilt. Die Behauptung der Klägerin, die Decharge-Erteilung könne sich nur auf „bekanntgegebene Tatsachen" (unter Hinweis auf Art. 758 OR) beziehen, ist an sich richtig, stösst aber ins Leere, da bei der Decharge-Erteilung die detaillierten Rechnungen vorlagen.

Die Klägerin verlangt die Herausgabe von Akten, die der Beklagte im Auftrag der Klägerin als Anwalt erhalten oder produziert hat. Der Beklagte führt glaubhaft und unwidersprochen aus, dass er sämtliche Akten, die er als Verwaltungsrat produziert hat, ausgehändigt hat. Es wäre nun Sache der Klägerin darzulegen, mit welchen Anwaltsmandaten der Beklagte von der Klägerin beauftragt worden wäre (z. B. Interessenwahrung der Klägerin im Zusammenhang mit gerichtlichen oder aussergerichtlichen Erledigungen von Streitsachen, Eintreibung von Forderungen der Klägerin oder arbeitsrechtliche Streitigkeiten der Klägerin mit Arbeitnehmern der Klägerin). Die Klägerin hat keinen einzigen Auftrag, welchen sie dem Beklagten als Anwalt erteilt hätte, namhaft gemacht. Die Klägerin müsste aufgrund der geschäftlichen Unterlagen zumindest feststellen können, ob und welche einzelne Geschäfte der Beklagte als Anwalt für sie geführt hat. Akten aus solchen Geschäften müsste der Beklagte selbstverständlich herausgeben. Kein Herausgabeanspruch besteht mangels Einwilligung der Auftraggeber jedoch für Akten, die der Beklagte als Beauftragter der Willensvollstrecker bzw. der früheren Aktionäre der Klägerin allenfalls noch hat.

(Urteil Bezirksgericht Höfe vom 30. November 1995; BG 91/95).

 

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Zivilrecht

– Verbot an den Willensvollstrecker, mit dem Nachlassvermögen Börsengeschäfte zu tätigen.

Aus dem Sachverhalt:

Aus dem Zwischenbericht des Willensvollstreckers ergibt sich, dass dieser, anstatt bloss die Wertschriften zu versilbern, eine Abrechnung zu erstellen und den Erlös zu verteilen, mit einem Teil des Nachlassvermögens während Jahren einen umfangreichen Wertschriftenhandel, u.a. mit Optionen betrieben hatte. Dies bescherte dem Nachlassvermögen einen Verlust von über Fr. 150000.–.

Aus den Erwägungen:

Der Beklagte meinte, mit den Börsengeschäften im Interesse der Erben zu handeln und war sich offensichtlich über seine gesetzlichen Pflichten als Willensvollstrecker nicht im klaren. Nunmehr hat er unter dem Druck dieses Verfahrens die restlichen Wertpapiere und Derivate verkauft und mündelsicher angelegt. Er ist bereit, die Abrechnung zu erstellen und das Geld zu verteilen. Um der gesetzlichen Pflicht Nachachtung zu verschaffen, wird dem Willensvollstrecker unter Strafandrohung ausdrückIich verboten, mit dem Nachlassvermögen Börsengeschäfte zu tätigen. Im weitern wird dem Willensvollstrecker unter Androhung der Amtsentsetzung befohlen, innert 30 Tagen die Schlussabrechnung vorzulegen und die Erbteilung abzuschliessen.

(Verfügung Einzelrichter Höfe als Aufsichtsbehörde über Willensvollstrecker vom 6. September 1995; ER 23-4/95).

 

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Zivilrecht

– Aktienrechtliche Verantwortlichkeit. Frage der „Unterbrechung" des Kausalzusammenhangs durch Bürgschaft des Verwaltungsratspräsidenten.

Aus dem Sachverhalt:

Der Geschäftsführer der T. AG gewährte der ihm gehörenden F. AG zu Lasten der T. AG während Jahren Darlehen ohne Sicherheiten. Diese Darlehen erreichten im Jahr 1985 Fr. 1, 5 Mio. und per Ende 1986 Fr. 2,6 Mio. Im Jahr 1989 zeigte sich, dass die Darlehen im Betrag von Fr. 2,212 Mio. uneinbringlich waren. Am 2.11.1989 erklärte der Verwaltungsratspräsident, dass er die T. AG unter keinen Umständen fallenlassen wolle, und er bereit sei, für alle Konsequenzen, die sich aus einem Verlust des Darlehens an die F. AG ergeben können, persönlich einzustehen. Am 9.11.1989 verpflichtete er sich mittels öffentlich beurkundeter Solidarbürgschaft für die Erfüllung der Schuld der F. AG gegenüber der T. AG bis zum Betrag, von Fr. 2,212 Mio. einzustehen. An der Verwaltungsratssitzung vom 22.2.1990 ersuchte er jedoch den Verwaltungsrat, ihn aus der Bürgschaft wieder zu entlassen. Mit zwei gegen eine Stimme und bei Enthaltung des Verwaltungsratspräsidenten wurde dem Gesuch um Entlassung aus der Bürgschaft entsprochen. Auf Begehren des Verwaltungsrats wurde am 6.3.1990 über die T. AG der Konkurs eröffnet. Die Kläger als zu Verlust gekommene Gläubiger liessen sich von der Konkursverwaltung Verantwortlichkeitsansprüche gegen die Verwaltungsratsmitglieder i.S. von Art. 260 SchKG abtreten und klagten u.a. gegen die Verwaltungsratsmitglieder X. und Y. auf Bezahlung von Fr. 2,212 Mio.

Aus den Erwägungen:

Die Haftung der Verwaltungsräte aus aktienrechtlicher Verantwortlichkeit nach Art. 754 OR setzt voraus, dass ein Schaden eingetreten ist, dass die zur Verantwortung gezogenen Personen pflichtwidrig und schuldhaft gehandelt haben, und dass zwischen Schaden und pflichtwidrig schuldhaftem Verhalten ein adäquater Kausalzusammenhang besteht (Forstmoser, Die aktienrechtliche Verantwortlichkeit, 2. A., 1987, N 1). Die Kläger machen geltend, die Beklagten hätten es als Verwaltungsräte pflichtwidrig geduldet, dass der Geschäftsführer der T. AG jahrelang im grossen Stil Gelder der Gesellschaft zweckentfremdet habe, indem er der ihm persönlich gehörenden F. AG Darlehen ohne Sicherheiten gewährt habe. Die Beklagten berufen sich im Hauptstandpunkt darauf, dass ihr Verhalten für den entstandenen Schaden nicht kausal gewesen sei.

Entscheidend ist, ob die Kausalkette zwischen den Handlungen, welche zur Überschuldung der T. AG führten und dem eingetretenen Schaden „unterbrochen" wurde bzw. ob Inadäquanz vorliegt. Fehlt es an der Haftungsvoraussetzung des adäquaten Kausalzusammenhangs, so ist die Klage abzuweisen. Der Kausalzusammenhang kann „unterbrochen", inadäquat werden, wenn eine neue Ursache auftritt, welche die ursprünglich vorhandene, an sich adäquate Ursache in den Hintergrund drängt und aufgrund einer wertenden Betrachtung inadäquat erscheinen lässt (Oftinger, Schweiz. Haftpflichtrecht, 4 A, Bd I, S 108ff.; Oftinger/Stark, Schweiz. Haftpflichtrecht, 5. A. Bd I, § 3, N 133ff.; Forstmoser, a.a.O. N 279ff.).

Es ist erstellt, dass das Darlehen an die F. AG bei Konkurseröffnung Fr. 2,212 Mio. betrug und das Hauptaktivum der T. AG darstellte. Mit Stellung der Solidarbürgschaft des Verwaltungsratspräsidenten in dieser Höhe konnte die T. AG den Bürgen vor dem Hauptschuldner, der F. AG, für den Betrag von Fr. 2,212 Mio. belangen, sofern die F. AG mit ihrer Leistung im Rückstand und erfolglos gemahnt worden war, oder ihre Zahlungsunfähigkeit offenkundig war. Unzweifelhaft waren diese Voraussetzungen des Art. 496 Abs. 1 OR in bezug auf die F. AG gegeben. Unbestritten blieb, dass der Bürge zur Leistung der Bürgschaftssumme in der Lage war. Somit war die T. AG mit der Stellung der Solidarbürgschaft nicht mehr überschuldet. Mit der Entlassung des Bürgen aus dieser Solidarbürgschaft durch den Verwaltungsratsbeschluss entfiel diese Sicherheit hingegen wiederum vollständig. Es ist offensichtlich, dass die Entlassung aus der Solidarbürgschaft wiederum zur zwischenzeitlich, d.h. vom 9.11.1989 bis zum 22.2.1990 nicht mehr bestehenden Überschuldung und daher zum Konkurs der T. AG und schliesslich zum eingetretenen Schaden führte. Mit anderen Worten stand die T. AG dank der Solidarbürgschaft aufrecht, mit dem Wegfall der Bürgschaft war der Gesellschaft hingegen der Konkurs sicher.

Wenn nun eine Gesellschaft überschuldet ist, weil ein uneinbringliches Darlehen von über zwei Millionen Franken besteht, in der Folge ein Verwaltungsratsmitglied eine Solidarbürgschaft in ebendieser Höhe stellt, vom Verwaltungsrat aus dieser Solidarbürgschaft aber wieder entlassen wird, so ist der adäquate Kausalzusammenhang zwischen dem Verhalten der Verwaltungsratsmitglieder, welches ursprünglich zur Überschuldung führte und der bei Konkurseröffnung bestehenden Überschuldung nicht mehr gegeben. Vielmehr wurde dadurch, dass zwischenzeitlich das Darlehen vollständig durch eine Solidarbürgschaft gedeckt war, der Bürge allerdings wieder entlassen worden war, für die bei Konkurseröffnung bestehende Überschuldung eine völlig neue Ursache gesetzt. Es liegt damit Inadäquanz des Kausalzusammenhangs zwischen dem Verhalten der Verwaltungsratsmitglieder vor Stellung der Bürgschaft und dem eingetretenen Schaden vor (vgl. BGE 112, II 461). Da der Beklagte X. zum Zeitpunkt, als die Solidarbürgschaft gestellt wurde nicht mehr Verwaltungsratsmitglied war und somit auch nicht an der Entlassung des Bürgen beteiligt war, und der Beklagte Y. gegen die Entlassung des Bürgen stimmte, entfällt der adäquate Kausalzusammenhang zwischen allfälligem pflichtwidrig schuldhaftem Verhalten der Beklagten und dem eingetretenen Schaden.

(Urteil Bezirksgericht Höfe vom 25. September 1995; BG 91/92).

 

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Zivilrecht

– Kein Rechtssatz des Zivilrechtes untersagt dem Eigentümer, an die Grenze zu bauen.

Aus den Erwägungen:

a) Mit der privatrechtlichen Baueinsprache kann nur geltend gemacht werden, das Bauvorhaben verletze ein subjektives privates Recht des Einsprechers. Nachdem die Klägerin selbst nicht behauptet, dass ein beschränktes dringliches oder zumindest ein vertragliches Recht zu Lasten des Baugrundstücks bestehe, das dem Bestand der Schiffshütte entgegenstehen würde, hätte sie somit eine gesetzliche Norm darzutun, die den Bau und/oder die Nutzung dieser Baute verbieten würde. Ein solcher Rechtssatz wird von der Klägerin indessen nicht dargetan, und ein entsprechendes Verbot ergibt sich weder aus dem Bundes- noch dem kantonalen Privatrecht.

b) Auszugehen ist vom Grundsatz der Freiheit des Eigentums. Gemäss Art. 667 Abs. 1 ZGB erstreckt sich das Eigentum nach oben und unten auf den Luftraum und das Erdreich, soweit für die Ausübung des Eigentums ein Interesse besteht, und der Eigentümer kann darüber in den Schranken der Rechtsordnung nach seinem Belieben verfügen (Art. 641 Abs. 1 ZGB). Mit Rücksicht auf die Bedürfnisse nachbarlichen Zusammenlebens haben jedoch Bund, Kantone und Gemeinden verschiedene privat- und öffentlichrechtliche Bauvorschriften erlassen, die die Ausübung des Eigentums beschränken. Dabei hat der Bund von seiner Kompetenz, das private Baurecht zu regeln, aber nur einen bescheidenen Gebrauch gemacht, indem er in Art. 685 ZGB dem Eigentümer verbietet, bei Grabungen und Bauten die nachbarlichen Grundstücke dadurch zu schädigen, dass er ihr Erdreich in Bewegung bringt, gefährdet oder vorhandene Vorrichtungen beeinträchtigt. Im übrigen werden in Art. 686 ZGB die Kantone für befugt erklärt, die Abstände festzusetzen, die bei Grabungen und Bauten zu beachten sind. Davon hat der Kanton Schwyz insofern Gebrauch gemacht, als er in der alten Fassung des EGzZGB auf neuen Baustellen für Gebäude einen (dispositiven) Grenzabstand von 1,5 Metern vorgeschrieben hatte (§ 143 aEGzZGB). Vor diesem Hintergrund kann denn auch die mit der Personaldienstbarkeit begründete Berechtigung „zum Halten einer Schiffshütte" als Näherbaurecht verstanden werden. Diese Abstandsvorschrift ist mit der Totalrevision des EGzZGB im Jahre 1978 jedoch dahingefallen, in der Einsicht, dass die Bauabstände etc. in abschliessender Form durch das öffentliche Recht von Kanton und Gemeinden geregelt werden. Privatrechtliche Abstandsvorschriften bestehen nur noch für Geländeveränderungen, Stützmauern, Einfriedungen und Bepflanzungen (§§ 52ff. EGzZGB), die vorliegend jedoch nicht einschlägig sind. Ein Rechtssatz des Zivilrechts, der es dem Eigentümer verbieten würde, an die Grenze zu bauen, besteht somit nicht mehr (vgl. BGE 5C. 16/1994 vom 30.3.1994 i.S. Erbengemeinschaft J. N. ca. F. H., S. 4f.). Damit fehlt der Klägerin ein aus dem zivilen Baurecht ableitbarer Abwehranspruch gegen die vorliegend umstrittene, nahe an der Grenze stehende Baute.

(Urteil vom 28. März 1995; KG 230/91 ZK).

 

32

Zivilrecht

– Formvorschriften für den Verzicht auf Vorschlagsanteil und Erbanteil.

Aus den Erwägungen:

Den Antrag, die Klägerinnen hätten dem Nachlass die Nach- und Strafsteuern von Fr. 59364.– zu ersetzen, hat der Beklagte im Berufungsverfahren zu Recht fallengelassen. Hingegen hält er auch zweitinstanzlich daran fest, seine Mutter habe wiederholt vor und nach dem Tod des Erblassers auf güter- und erbrechtliche Ansprüche aus dem Nachlass verzichtet; sie habe immer wieder erklärt, sie wolle nichts, ausser was sie bereits besitze. – In der persönlichen Befragung vor Bezirksgericht gab die Klägerin 1 zu, sie habe dies nach dem Tod ihres Mannes dem Beklagten zwar gesagt, nachdem sich nun aber die Kinder nicht hätten einigen können, verlange sie ebenfalls die Teilung nach Gesetz. – Das Bezirksgericht nahm an, um rechtsgültig auf Erbansprüche zu verzichten, hätte die Klägerin 1 entsprechend den Formvorschriften von Art. 570 ZGB die Erbschaft ausschlagen müssen; dies habe sie nicht getan, deshalb liege kein gültiger Verzicht vor. – Der Beklagte macht an sich zu Recht geltend, die Ausschlagung sei nicht der einzige Weg, um auf den Erbanteil zu verzichten, zudem habe die Vorinstanz übersehen, dass nebst dem Verzicht auf das Erbe auch der Verzicht auf den Vorschlagsanteil in Frage stehe. Ob ein gültiger Verzicht vorliegt, ist deshalb nach Güter- und Erbrecht neu zu prüfen.

Während der Dauer des Güterstandes können die Ehegatten durch Ehevertrag den einseitigen oder gegenseitigen Verzicht auf den Vorschlagsanteil vereinbaren (Art. 216 Abs. 1 ZGB). Ein solcher Verzicht setzt also die Form des Ehevertrages, d.h. öffentliche Beurkundung voraus (Art. 184 ZGB). Soweit der Beklagte behauptet, die Klägerin 1 habe schon vor dem Tod des Erblassers auf Vorschlagsbeteiligung verzichtet, wäre der Verzicht mangels Einhaltung der Form von Art. 184 ZGB nicht rechtswirksam. – In welcher Weise ein Ehegatte nach Auflösung des Güterstandes auf den Vorschlagsanteil verzichten kann, lässt sich dem Gesetz nicht direkt entnehmen. Ein Verzicht im Rahmen der güterrechtlichen Auseinandersetzung nach Scheidung oder Trennung der Ehe bedürfte jedenfalls der Genehmigung durch den Richter (Art. 158 Ziff. 5 ZGB). Wird der Güterstand – wie hier – durch den Tod eines Ehegatten aufgelöst, bedeutet der Verzicht des überlebenden Ehegatten auf seinen Vorschlagsanteil einen Forderungsverzicht gegenüber den Miterben, der im Rahmen des (meist vielstufigen) Einigungsverfahrens erklärt wird oder direkt im Teilungsvertrag (ausdrücklich oder stillschweigend) zum Ausdruck kommt. In beiden Fällen bedarf der Verzicht zur Gültigkeit der Schriftform von Art. 634 Abs. 2 ZGB (Jean Nicolas Druey, Grundriss des Erbrechts, § 16, N 75). Ein bloss mündlicher Verzicht, wie der Beklagte ihn geltend macht, ist nicht rechtsverbindlich.

Gleiches gilt für den Verzicht auf den Erbanteil. Gegenüber dem Erblasser kann der Erbverzicht nur durch Erbvertrag gültig begründet werden; er bedarf der Form des öffentlichen Testamentes und damit der öffentlichen Beurkundung (Art. 512 und 499 ZGB). Ein Verzicht ist auch gegenüber Miterben möglich. Die Vorinstanz nannte in diesem Zusammenhang die Erbausschlagung, die innert der Frist von Art. 567 ZGB bei der zuständigen Behörde (Art. 570 ZGB; im Kanton Schwyz beim Einzelrichter) erklärt werden muss. Die Ausschlagung dient aber in erster Linie dazu, den Erben vor der Haftung für Schulden des Erblassers zu schützen (Art. 560 Abs. 2 ZGB). Diesen Weg wird der Erbe also nur wählen, wenn er damit rechnen muss, der Nachlass sei überschuldet. Zu solcher Befürchtung bestand vorliegend kein Anlass. Doch kann ein Erbe auch ohne förmliche Ausschlagung zugunsten einzelner oder aller Miterben (ja gar zugunsten eines Dritten) auf das Erbe verzichten, er kann seinen Erbanteil vor oder nach dem Erbgang veräussern, ihn verkaufen oder verschenken. Vor dem Erbgang bedarf es hiezu allerdings der Zustimmung des Erblassers (Art. 636 ZGB), und zudem sind solche Verträge über künftige oder bereits angefallene Erbanteile nur in schriftlicher Form gültig (Art. 635 Abs. 1 ZGB und BGE 98/1972, II 286, Erw. f.). Der von der Klägerin 1 anfänglich ausgesprochene Verzicht auf das Erbe stellt inhaltlich eine Abtretung ihres Erbanteils an die Miterben im Sinne von Art. 635 oder 636 ZGB dar (so das Bundesgericht in BGE 101/1975 II 222ff.) und ist mangels Einhaltung der Schriftform nicht rechtsgültig. Zum gleichen Ergebnis gelangt man, wenn man den Verzicht als Schenkung des Erbanteils an die Miterben, die Verzichtserklärung als Schenkungsversprechen auffasst (Art. 243 Abs. 1 OR).

Gerade der vorliegende Fall zeigt, dass das Gesetz mit guten Gründen einen bloss mündlich ausgesprochenen Verzicht auf Güter- und Erbrechtsansprüche nicht anerkennt, sondern zur Gültigkeit zumindest die Schriftform verlangt. Denn im Laufe güter- und erbrechtlicher Auseinandersetzungen fallen nicht selten Äusserungen, die von den Beteiligten als Verzicht auf konkrete Ansprüche interpretiert werden können und deren Tragweite der Erklärende nicht ohne weiteres überblickt. Schon aus Beweis- und Schutzgründen muss deshalb die Schriftform verlangt werden. Wollte man die Klägerin 1 gemäss dem Antrag des Beklagten bei ihrer anfänglichen Erklärung behaften, sie beanspruche bloss, was sie bereits besitze und verzichte auf Vorschlag und Erbanteil, hätte sie auf Ansprüche verzichtet, deren Ausmass ihr damals offensichtlich nicht bewusst war.

Ein gültiger Verzicht liegt nicht vor. Die güter- und erbrechtlichen Ansprüche der Klägerin 1 sind deshalb in die folgenden Überlegungen und Berechnungen einzubeziehen und ihr zuzusprechen.

(Urteil vom 12. Dezember 1995; KG 296/93 ZK).

 

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Zivilprozessrecht

– Rechtsmittel bei vorsorglicher Beweisabnahme.

Aus den Erwägungen:

Mit der angefochtenen Verfügung wurde eine Expertise als vorsorgliche Beweisabnahme angeordnet. Bei der Ernennung des Gutachters im Verfahren betreffend Beweissicherung (§ 185ff. ZPO) handelt es sich um eine verfahrensleitende Verfügung; abgeschlossen ist das Verfahren erst, wenn es entsprechend den Bestimmungen von §§ 143 bis 155 ZPO beendet ist. Eine verfahrensleitende Verfügung jedoch kann gemäss § 204

Abs. 1 ZPO nicht mit Rekurs angefochten werden, da dieser im summarischen Verfahren nur gegen Erledigungsentscheide zulässig ist (EGV 1982, Nr. 30, 1984 Nr. 27). Allerdings ist auch die Erledigungsverfügung, mit der eine Beweissicherung zugelassen wird, ausdrücklich nicht rekursfähig (§ 204 Abs. 2 ZPO). Die von der Vorinstanz erteilte Rechtsmittelbelehrung ist daher nicht zutreffend. Hingegen besteht allgemein die Möglichkeit, einen prozessleitenden Entscheid mit Nichtigkeitsbeschwerde anzufechten, sofern die besonderen Voraussetzungen von § 214 Abs. 1 Ziff 1 und 2 ZPO gegeben sind. Kumulative Voraussetzung zur Kassation eines prozessleitenden Entscheides ist somit neben einem Nichtigkeitsgrund gemäss § 213 ZPO, dass entweder ein schwer wieder gutzumachender Nachteil droht oder ein bedeutender Aufwand an Zeit und Kosten für ein weitläufiges Verfahren erspart werden kann. Dies nachzuweisen ist Sache des Beschwerdeführers, wie es auch an ihm liegt, den geltend gemachten Nichtigkeitsgrund darzutun.

(Beschluss vom 8. August 1995; KG 72/95 RK 1).

 

34

Zivilprozessrecht

– Weisungsfrist.

Aus den Erwägungen:

1. Der Vermittler stellte den Weisungsschein am 26. Januar 1992 aus. Es handelte sich um einen Sonntag. Zur Versendung brachte er ihn am darauffolgenden Montag, dem 27. Januar 1992. Die Gültigkeitsdauer der Weisung legte er vom 27. Januar 1992 bis 28. März 1992 fest. Mit Postaufgabe vom 27. März 1992 wurde die Ungültigkeitsklage mit Beilage des Weisungsscheines erhoben.

2. Die Beklagte macht in ihrem Nichteintretensantrag vom 23.3.1995 vor Vorinstanz geltend, dass nach ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung die Frist am Tag der Ausstellung der Weisung zu laufen beginne. Belanglos sei, wann die Weisung dem Kläger zugestellt werde, da § 90 ZPO den Fristbeginn ausdrücklich auf den Tag der Ausstellung der Weisung und nicht etwa auf den Tag der Zustellung an den Kläger festlege. Habe die zweimonatige Frist mit der Ausstellung der Weisung zu laufen begonnen, so sei sie am 26. März 1992 abgelaufen. Der Kläger habe tags darauf somit eine ungültige Weisung eingereicht.

a) Macht der Kläger den Rechtsstreit nicht innert zwei Monaten (in ordentlichen Verfahren) von der Ausstellung der Weisung an beim Gericht rechtshängig, so gilt die Klage als einstweilen zurückgezogen (§ 90 ZPO). Folgt man streng dem Wortlaut dieser Bestimmung, so könnte man den Schluss ziehen, dass die Frist mit der Ausstellung zu laufen beginnt. Eine solche Interpretation hätte zur Folge, dass die Frist zur rechtzeitigen Einreichung der Weisung am gleichen Monatstag zwei Monate später endete (siehe zur Berechnung unten, Erw. 2.e). Dieser strengen Auslegung nach dem Wortlaut folgt offenbar die Zürcher Praxis bei Anwendung von § 101 der Zürcher Zivilprozessordnung, welche Bestimmung sinngemäss derjenigen der Schwyzer Regelung entspricht („seit Ausstellung der Weisung"). So wurde in einem Entscheid des Zürcher Obergerichtes vom 22. Februar 1990 festgehalten, dass die Frist zur Einreichung der Weisung mit deren Ausstellungsdatum zu laufen beginne (ZR 89, Nr. 77; siehe auch Sträuli/Messmer, Kommentar zur Zürcherischen Zivilprozessordnung, 2. A., N 3 zu § 101). Allerdings hält Walder in seinem Werk „Zivilprozessrecht", 3. A., unter § 35 Anm. 13, dafür, dass „es wohl richtiger gewesen wäre, die Frist mit dem Empfang der Weisung beginnen zu lassen, weil sie ja auch einmal nach ihrer Ausstellung bei einem Friedensrichter einen oder mehrere Tage liegenbleiben kann, oder zwischen Ausstellung und Empfang infolge von Feiertagen mehrere Tage vergehen können".

b) Auch Prozessvorschriften sind nicht allein nach dem Wortlaut, sondern zugleich nach Sinn und Zweck der Bestimmungen und den ihnen zugrunde liegenden Wertungen auszulegen (siehe dazu etwa Vogel, Grundriss des Zivilprozessrechts, 3. A., 1. Kapitel, N 76 mit Hinweisen). Im Prozessrecht gilt der Grundsatz, dass Fristen den Parteien in ihrer vollen Länge zur Verfügung zu stehen haben. Dies gilt nicht nur für Rechtsmittelfristen, sondern in der Regel auch für andere den Parteien zur Vorkehr einer Prozesshandlung gesetzte Fristen. Gesetzliche und richterliche Fristen beginnen, um mit Hauser/Hauser, Erläuterungen zum Gerichtsverfassungsgesetz des Kts. Zürich, 3. A., S. 715f., zu sprechen, (erst) von dem Tage an zu laufen, an welchem der Partei die Auflage oder der Entscheid in gehöriger Form zur Kenntnis gebracht wird; vor diesem Zeitpunkt ist sie regelmässig nicht in der Lage, die Rechtsvorkehr zu treffen. Aus der gleichen Überlegung heraus gilt (nicht nur) im Prozessrecht die allgemeine Regel, dass bei der Berechnung einer Frist, der Tag, an dem das fristauslösende Ereignis eintritt, nicht gezählt wird, andernfalls der Partei nicht der ganze erste Tag zur Verfügung stände, und sie daher um einen Teil der Frist gebracht würde (Hauser/Hauser, a.a.O., S. 716 unten; siehe dazu § 123 Abs. 1 GO; Art. 32 Abs. 1 OG; Art. 77 Abs. 1 Ziff. 1 OR; Art. 31 Abs. 1 SchKG sowie Praxis zur Strafantragsfrist gemäss Art. 29 StGB: BGE 97 IV 238ff., 103 IV 132 und Kurzkommentar Trechsel zum StGB N 2 zu Art. 29).

c) Dafür, dass für die Bestimmung der fraglichen Frist nicht zwingend das Datum der Ausstellung des Weisungsscheines massgebend sein kann, sprechen nicht nur die erwähnten allgemeinen Grundsätze für die Berechnung von Fristen, sondern auch die Tatsache, dass nach § 89 Ziffer 10 ZPO der Vermittler im Weisungsschein neben dem Datum der Ausstellung auch dasjenige der Versendung an den Kläger anzugeben hat. Dieses Erfordernis der Angabe des Versanddatums aber hätte keinen Sinn, wenn zwingend das Ausstelldatum der Weisung für den Beginn der Frist nach § 90 ZPO massgeblich wäre. Die Auslegung, wie sie offenbar die Zürcher Gerichte praktizieren, kann zu stossenden Ergebnissen führen, wenn etwa ein Vermittler, was nicht völlig ausgeschlossen werden kann, die Weisung zwar ausstellt, deren Versendung aber – aus welchen Gründen auch immer – um mehrere Tage oder sogar um Wochen unterlässt. Diesfalls würde dem Kläger die Frist zur Einreichung der Weisung und damit die Überlegungsfrist zur Erhebung der Klage unverschuldet in einem erheblichen Ausmass verkürzt, was vom Gesetzgeber sicher nicht gewollt war. Stimmen somit Ausstell- und Versanddatum der Weisung nicht überein, so beginnt die Weisungsfrist frühestens am Tag der Versendung zu laufen. Die von der Beklagten vertretene Auffassung, den Fristenlauf unabhängig vom Zeitpunkt der Versendung der Weisung eintreten zu lassen, ist dagegen abzulehnen.

d) Gemäss § 89 Ziffer 9 ZPO ist im Weisungsschein die Gültigkeit der Weisung anzugeben. In der Praxis und nach dem von den Vermittlern verwendeten und vom Kantonsgericht genehmigten Formular wird hiebei nicht nur die Dauer der Weisungsfrist von zwei Monaten vermerkt, sondern die Gültigkeitsdauer der Weisung genau nach Kalendertagen festgelegt. Dieses Vorgehen entspricht der gesetzlichen Regelung, hat sich eingebürgert, ist praktikabel und dient der Rechtssicherheit. Nicht nur der Gesetzestext „von der Ausstellung der Weisung an" (§ 90 ZPO), sondern auch der Umstand, dass der Vermittler beim Ausstellen des Weisungsscheines das Datum der Kenntnisnahme der Weisung durch den Kläger (jedenfalls bei der postalischen Versendung) nicht zum voraus kennen kann, spricht eher dagegen, dass die Weisungsfrist erst mit dem Tag der Kenntnisnahme durch den Kläger zu laufen beginnt. Die Frage muss jedoch nicht abschliessend geprüft werden. Für die Beurteilung des vorliegenden Falles genügt, wie erwähnt, die Feststellung, dass jedenfalls die Weisungsfrist nicht vor dem Tag der Versendung zu laufen beginnt.

e) Begann die zweimonatige Weisungsfrist im konkreten Fall frühestens am Versandtag, d.h. am 27. Januar 1992 zu laufen, so erfolgte die Einreichung der Weisung beim Gericht per 27. März 1992 rechtzeitig innert der Weisungsfrist. Bei der Berechnung der Monatsfrist gilt wie bei Tagesfristen der allgemein anerkannte Grundsatz, so wie er auch in § 123 Abs. 1 GO zum Ausdruck kommt, dass Fristen erst von dem auf deren Beginn folgenden Tag an zu berechnen sind (siehe BGE 97 IV 240). Als praktische Regel gilt, dass bei Monatsfristen vom Monatstag des Fristbeginns auszugehen ist unter Hinzuzählung der Anzahl Monate, für welche die Frist gesetzt ist (vgl. dazu die ausdrückliche Regelung in Art. 77 Abs. 1 Ziff. 3 OR; Weber, Berner Kommentar, N 25f. zu Art. 77 OR). Missverständlich ist die im angefochtenen Beschluss dargestellte Berechnung der hier zur Diskussion stehenden Monatsfrist. Richtig ist zwar der Hinweis, dass eine Monatsfrist an demjenigen Tag des letzten Monats endigt, der durch seine Zahl dem Zeitpunkt des Fristbeginns entspricht. Dabei ist aber der Fristbeginn immer dem Tag gleichzusetzen, an dem das fristauslösende Ereignis (wie hier Versand der Weisung oder etwa Eröffnung oder Mitteilung eines Entscheides) eintritt. Tritt beispielsweise das fristauslösende Ereignis am 1. eines Monats ein, so endigt eine einmonatige Monatsfrist nicht am 2. Tag des folgenden Monats, sondern bereits am 1. dieses Monats, nachts um zwölf Uhr.

3. Dauerte nach dem Gesagten die Gültigkeit der Weisung jedenfalls bis zum 27. März 1992, so erfolgte die Einreichung der Weisung beim Bezirksgericht X. rechtzeitig. Aber selbst wenn die Ansicht der beklagten Partei, die zweimonatige Frist zur Einreichung der Weisung habe bereits mit Ausstellung der Weisung am 26. Januar 1992 zu laufen begonnen und demgemäss am 26. März 1992 geendet, zutreffen würde, verwarf die Vorinstanz den Nichteintretensantrag zu Recht. Gemäss § 89 Ziffer 9 ZPO hat der Vermittler, wie erwähnt, in der Weisung auf deren Gültigkeitsdauer hinzuweisen. Die Partei, auch wenn sie durch einen Anwalt vertreten ist, kann sich auf diese in der Weisung enthaltenen Zeitangaben mit genau fixierten Daten verlassen; dies zumindest dann, wenn die Daten nicht offensichtlich falsch sind (wie beispielsweise eine irrtümlich falsche Monats- oder Jahresangabe). Jedenfalls könnte vorliegend im Umstand, dass der klägerische Anwalt die Gültigkeitsdauer der Weisung nicht zum vornherein als fehlerhaft erkannte und diese auch nicht weiter auf ihre Richtigkeit hin prüfte, kein schwerwiegender Fehler erblickt werden. Dazu kommt, dass das schwyzerische Prozessrecht die Vermeidung von Rechtsnachteilen im Falle falscher Fristangaben sogar positivrechtlich geregelt hat: gemäss § 124 Abs. 2 GO darf nämlich einer Partei aus einer falschen Fristangabe kein Nachteil erwachsen. Ein Vorbehalt, der den Vertrauensschutz gemäss § 124 Abs. 2 GO im Zusammenhang mit der Fristangabe im Sinne von § 89 Ziff. 9 ZPO beschränken würde, ist dem schwyzerischen Prozessrecht nicht zu entnehmen (vgl. auch BGE 117 Ia 421ff.).

(Beschluss vom 27. November 1995; KG 205/95 RK 1).

 

35

Zivilprozessrecht

– Privatrechtliche Baueinsprachen sind im beschleunigten Verfahren zu beurteilen.

Aus den Erwägungen:

Die Klägerin übernimmt im Hauptstandpunkt des Berufungsverfahrens die Argumentation des Einzelrichters, macht jedoch geltend, dass die Baueinsprache nicht im beschleunigten, sondern vom Einzelrichter im ordentlichen Verfahren hätte beurteilt werden müssen, weshalb dieser sachlich zum Erlass der streitigen Benützungsverbote zuständig gewesen wäre. Sie leitet diesen Standpunkt aus dem Wortlaut von § 80 Abs. 4 des Planungs- und Baugesetzes (nGS IV 493) ab, der privatrechtliche Baueinsprachen an den Einzelrichter verweist, ohne aber die Verfahrensart zu bestimmen.

a) Gemäss § 23 Abs. 2 des kantonalen Baugesetzes (BauG), in Kraft bis 31. August 1988, waren „privatrechtliche Einsprachen nach Massgabe der Zivilprozessordnung beim Einzelrichter am Ort der gelegenen Sache einzureichen". § 24 Abs. 2 BauG verdeutlichte, dass „privatrechtliche Einsprachen durch die Zivilgerichte im beschleunigten Verfahren beurteilt" werden. In der regierungsrätlichen Vorlage zum neuen Planungs- und Baugesetz (PBG) wurde das Baueinspracheverfahren in § 79 Abs. 4 wie folgt geregelt: „Der Gemeinderat beurteilt öffentlichrechtliche, der Einzelrichter im beschleunigten Verfahren privatrechtliche Einsprachen" (RRB Nr. 559 vom 27.3.1984). In der vorberatenden Kommission des Kantonsrates wurde dieser Wortlaut wie folgt ergänzt: „Der Gemeinderat beurteilt öffentlichrechtliche, der Einzelrichter im beschleunigten Verfahren privatrechtliche Einsprachen. Beide Verfahren sind in der Regel unabhängig voneinander und ohne Verzug zu Ende zu führen" (Komm. Prot. der 6. Sitzung, S. 18). In der dem Kantonsrat vorgelegten, bereinigten Fassung schliesslich fehlte jedoch der Hinweis auf die Verfahrensart („im beschleunigten Verfahren"), ohne dass den Protokollen entnommen werden könnte, weshalb dieser Verweis auf das Verfahren gestrichen worden ist. Im Kantonsrat gab das Einspracheverfahren zu keinen Diskussionen mehr Anlass (KR-Protokoll vom 13./14.5.1987, S. 2018). In der geltenden Fassung lautet § 80 Abs. 4 PBG wie folgt: „Der Gemeinderat beurteilt öffentlichrechtliche, der Einzelrichter privatrechtliche Einsprachen. Beide Verfahren sind in der Regel unabhängig voneinander und ohne Verzug zu Ende zu führen".

b) Weder die Gerichtsordnung noch die Zivilprozessordnung enthalten Bestimmungen zur Frage, in welchem Verfahren privatrechtliche Baueinsprachen zu behandeln sind. Lediglich in § 94 Abs. 2 GO in der Fassung vom 1.12.1988 ist ausdrücklich vom Baueinspracheverfahren die Rede. Dort werden einzelne Ausnahmen vom Geltungsbereich der Gerichtsferien aufgezählt und das Baueinspracheverfahren explizit neben dem summarischen Verfahren genannt. Dies lässt ohne weiteres den Schluss zu, dass der Gesetzgeber das Baueinspracheverfahren auch nach dem Inkrafttreten des Planungs- und Baugesetzes nicht als summarisches Verfahren verstand. Im ordentlichen Verfahren anderseits ist der Einzelrichter nur bis zu einem Streitwert von Fr. 6000.– zuständig (§ 10 und 19 GO). Im Baueinspracheverfahren wird diese Streitsumme in der Regel, so auch vorliegend, bei weitem überschritten. Für die Annahme jedoch, dass mit dem § 80 Abs. 4 PBG eine neue Sonderzuständigkeit des Einzelrichters im ordentlichen Verfahren ohne Bindung an den Streitwert geschaffen werden sollte, fehlt jeder Anhaltspunkt. Es kommt hinzu, dass dem ordentlichen Verfahren – im Gegensatz zum beschleunigten Verfahren – das Sühneverfahren vor dem Vermittler vorauszugehen hat (§ 82 ZPO), was mit der 20tägigen Einsprachefrist nicht vereinbar wäre, da die Rechtshängigkeit erst mit der Einreichung der Weisung eintritt (§ 91 ZPO). Die Klägerin ist sich denn auch selbst nicht im klaren, ob bei einer Rückweisung an den Einzelrichter das summarische oder ordentliche Verfahren zur Anwendung gelangen sollte. Jedenfalls wurde in der Replik noch das erstere verlangt, während im Berufungsverfahren nur noch von einer Rückweisung ins ordentliche Verfahren die Rede ist.

c) Aus dem Gesagten ergibt sich, dass das Baueinspracheverfahren in der Systematik des Gesetzes nur im beschleunigten Verfahren durchgeführt werden kann. Die Streichung des entsprechenden Verweises in § 80 Abs. 4 PBG entspricht offensichtlich einem redaktionellen Versehen, indem die Zuständigkeitsordnung – ohne dass der Kantonsrat dazu Stellung genommen hätte – offenbar dem Zivilprozessrecht überlassen werden sollte, die entsprechende Anpassung in der Gerichtsordnung jedoch nicht vollzogen worden ist. Jedenfalls bestehen keine Anhaltspunkte für die Annahme, dass mit der neuen Fassung von § 80 PBG eine Änderung der funktionellen Zuständigkeitsordnung für privatrechtliche Baueinsprachen beabsichtigt gewesen wäre. Diese sind demzufolge weiterhin vom Einzelrichter im beschleunigten Verfahren zu behandeln, wie dies sowohl unter dem alten Baugesetz als auch unter dem Geltungsbereich des neuen Planungs- und Baugesetzes der konstanten und bisher unangefochtenen Praxis der Gerichte entsprochen hat. Der Rückweisungsantrag der Klägerin ist demzufolge abzuweisen.

(Urteil vom 14. März 1995; KG 144/92 ZK).

 

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Zivilprozessrecht

– Privatrechtliche Baueinsprache gegen ein Strassenprojekt.

Aus den Erwägungen:

1. Der Einzelrichter begründete seinen Nichteintretensentscheid mit der von ihm begründeten Praxis, wonach privatrechtliche Baueinsprachen gegen reine Strassenbauprojekte ausgeschlossen sind (EGV 1988, Nr. 34, S. 93). Zutreffenderweise habe die Gemeinde Z. das Strassenbauprojekt im Amtsblatt nicht unter dem Titel „Baugesuche" ausgeschrieben, sondern separat als „Planauflage", und sie habe einzig auf die Möglichkeit der öffentlich-rechtlichen Baueinsprache hingewiesen. Das privatrechtliche Baueinspracheverfahren beziehe sich grundsätzlich nur auf Bauten und nicht auf andere Anlagen, insbesondere nicht auf reine Strassenprojekte. Letztere könnten von einem Grundeigentümer – so der Einzelrichter – jedesmal schon im Planungsstadium zu Fall gebracht werden, wenn eine privatrechtliche Einsprache zugelassen würde und wenn geltend gemacht würde, dass die projektierte Strasse Eigentum des Klägers beanspruche. Sollten bei der allfälligen Realisierung des Projektes Eigentumsrechte verletzt werden, so stünden die entsprechenden Abwehransprüche zur Verfügung, und solange das Strassenprojekt nicht bewilligt sei, stosse ein Gesuch um ein Verbot der (teilweisen) Realisierung ins Leere bzw. sei verfrüht. Die Planung beinhalte noch nicht eo ipso eine Gefährdung.

2. Gemäss § 75 Abs. 1 PBG dürfen Bauten und Anlagen nur mit behördlicher Bewilligung errichtet oder geändert werden. Gegen das Bauprojekt kann nach Massgabe von § 80 PBG neben der öffentlichrechtlichen Einsprache beim Gemeinderat auch privatrechtliche Einsprache nach Massgabe der Zivilprozessordnung beim zuständigen Einzelrichter am Ort der gelegenen Sache erhoben werden. Nach § 75 Abs. 4 PBG bedürfen Bauten und Anlagen, für deren Erstellung oder Änderung andere Erlasse ein besonderes Bewilligungsverfahren vorsehen, keiner Baubewilligung nach dem Planungs- und Baugesetz. Einen solchen Fall regelt die Verordnung über den Bau und Unterhalt der Strassen, StrV, in § 28. Danach erfolgt der Neu- und Ausbau von öffentlichen Kantons-, Bezirks- und Gemeindestrassen nicht im ordentlichen Baubewilligungsverfahren, sondern im Planauflageverfahren mit den entsprechenden öffentlichrechtlichen Einsprachemöglichkeiten. Bei solchen Strassen wird das erforderliche Land freihändig, im Landumlegungs- oder im Enteignungsverfahren erworben (§ 29 StrV). Ein Strassenprojekt, welches nicht dem Planauflageverfahren nach § 28 StrV unterliegt, ist demgemäss, da es sich um eine Anlage handelt, im ordentlichen Baubewilligungsverfahren zu behandeln. § 75 Abs. 3 PBG bezeichnet denn auch namentlich Verkehrseinrichtungen als baubewilligungspflichtige Anlagen (siehe auch EGV 1991, Nr. 5, E. 3b/aa).

3. Weder aus der Ausschreibung im Amtsblatt, den Vorbringen der Parteien sowie den Akten ergeben sich Hinweise darauf, dass es sich beim Phantasieweg nicht um eine Privatstrasse handeln soll. Solches behauptet auch der Rekursgegner nicht und widerspricht namentlich auch nicht dem diesbezüglichen Vorbringen des Rekurrenten unter Ziffer 5a der Rekursbegründung. Dass der Phantasieweg eine Privatstrasse ist, ergibt sich im übrigen auch aus dem dem Rekurs beigelegten Schreiben des Rechts- und Beschwerdedienstes des Justizdepartementes des Kantons Schwyz an den Gemeinderat Z., welches im Rahmen des beim Regierungsrat hängigen öffentlichrechtlichen Beschwerdeverfahrens – das gleiche Strassenprojekt betreffend – erging. Schliesslich unterlässt es der Beklagte auch, konkret Gründe anzuführen, weshalb es sich beim Phantasieweg nicht um eine Privatstrasse handeln soll, sondern um eine öffentliche Strasse, die der Strassenverordnung unterliegt. Er behauptet selbst nicht, dass diese Strasse die Anforderungen gemäss § 4 Abs. 2 StrV erfüllt, sie mithin für den Motorfahrzeugverkehr von erheblicher Bedeutung ist und vom Regierungsrat auch der Strassenverordnung unterstellt wurde.

Der Ausbau des Phantasieweges ist eine bewilligungspflichtige Anlage und ist demzufolge im ordentlichen Baubewilligungsverfahren zu behandeln. Gegenstand des Baureglementes der Gemeinde Z., auf welche Bestimmung in der öffentlichen Ausschreibung hingewiesen wurde, bildet denn auch das ordentliche Baubewilligungsverfahren und nicht ein Projektgenehmigungsverfahren analog § 28 StrV.

Erfolgte der Ausbau des Phantasieweges somit im ordentlichen Baubewilligungsverfahren nach § 75ff. PBG, so ist die privatrechtliche Einsprache entgegen der Ansicht des Einzelrichters nicht ausgeschlossen. Die so begründete Nichteintretensverfügung erfolgte demgemäss zu Unrecht.

(Beschluss vom 11. September 1995; KG 221/95 RK 1).

 

37

Zivilprozessrecht

– Keine vorsorgliche Handelsregistersperre bei Missachtung eines Aktionärbindungsvertrages, aber ohne Verletzung von statutarischen oder gesetzlichen Bestimmungen.

Aus dem Sachverhalt:

An der a.o. Generalversammlung wurden der Kläger 2 aus dem Verwaltungsrat der Beklagten abgewählt und Art. 4 der Statuten (beinhaltend eine Beschränkung der Übertragbarkeit von Namenaktien) ersatzlos gestrichen. Beide Beschlüsse erfolgten in Verletzung eines zwischen den Mehrheits- und Minderheitsaktionären abgeschlossenen Aktionärbindungsvertrages.

Aus den Erwägungen:

Die Aufhebung der Übertragungsbeschränkung bedarf gemäss den Statuten keines qualifizierten Mehrs. Die Statuten enthalten auch keine gegenüber dem Gesetz schärferen Quorumsvorschriften. Auch die Missachtung des nur im Aktionärbindungsvertrages vorgesehenen Vorkaufsrechtes an den Aktien kann nicht via Anfechtung eines Generalversammlungsbeschlusses rückgängig gemacht werden. Der Aktionärbindungsvertrag ist gegenüber der Gesellschaft unbeachtlich (Forstmoser/Meier-Hayoz, Aktienrecht, 3. A., § 20, Rz 35ff.). Beschlüsse der Generalversammlung, die unter Missachtung von Aktionärbindungsverträgen zustandegekommen sind, bilden keinen Grund, den Generalversammlungsbeschluss anzufechten. Im weitern kann die Abberufung eines Verwaltungsrates grundsätzlich auch nicht aufgrund von Art. 706 OR angefochten werden. Das Begehren um superprovisorische Anordnung der vorläufigen Handelsregistersperre (Art. 32 Abs. 2 HRegV) wird deshalb abgewiesen.

(Verfügung Einzelrichter Höfe vom 5. April 1995; ER 21-4/95).

 

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Strafrecht

- Zeichengebung bei einer Richtungsänderung.

Aus dem Sachverhalt:

Der Unfall ereignete sich am 3.5.1994 auf der Talbachstrasse in Altendorf, südlich der Überführung der Autobahn N3. Am Ende der N3-Überführung zweigen von der Talbachstrasse rechtwinklig die Letzistrasse nach links und eine weitere Strasse nach rechts ab. Die Talbachstrasse verläuft geradeaus weiter. Bei der Talbach – Letzistrasse handelt es sich um eine Hauptstrasse, die mit den Signalen 5.09/3.03 und der entsprechenden Bodenmarkierung versehen ist.

Der Angeklagte, der mit seinem Fahrrad auf der Talbachstrasse fuhr, beabsichtigte, nach der N3-Überführung auf der signalisierten Hauptstrasse nach links in Richtung Letzistrasse weiterzufahren. Er unterliess dabei, seine Absicht anzuzeigen. Da die folgende Automobilistin X. glaubte, der Angeklagte werde seine Fahrt geradeaus fortsetzen, wollte sie ihn überholen. Dabei stiess sie mit dem Radfahrer zusammen, als dieser der Begrenzungslinie entlang nach links abschwenkte. Der Angeklagte erlitt eine Gehirnerschütterung, Kiefer- und Gesichtsverletzungen sowie Schürfungen an den Händen. Des weitern entstand Sachschaden am Auto. Nach den polizeilichen Befragungen des Angeklagten und von X. befand der Untersuchungsrichterstellvertreter mit Verfügung vom 24.5.1994 den Angeklagten schuldig des Unterlassens der Zeichengabe beim Linksabbiegen sowie der ungenügenden Rücksicht auf nachfolgende Fahrzeuge beim Linksabbiegen, bestrafte ihn mit einer Busse von Fr. 120.– und verfällte ihn in die Kosten von Fr. 176.–.

Aus den Erwägungen:

Jede Richtungsänderung ist mit dem Richtungsanzeiger oder durch deutliche Handzeichen rechtzeitig bekanntzugeben. Dies gilt namentlich für:

a) das Einspuren, Wechseln des Fahrstreifens und Abbiegen;

b) das Überholen und das Wenden;

c) das Einfügen eines Fahrzeuges in den Verkehr und das Anhalten am Strassenrand (Art. 39 I des Strassenverkehrsgesetzes vom 19. Dezember 1958, SVG, SR 741.01).

Der Fahrzeugführer hat alle Richtungsänderungen anzukündigen, auch das Abbiegen nach rechts. Selbst der Radfahrer, der zum Überholen eines andern ausschwenkt, hat dies anzuzeigen (Art. 28 I der Verkehrsregelnverordnung vom 13. November 1962, VRV, SR 741.11). Der Führer, der seine Fahrrichtung ändern will, wie zum Abbiegen, Überholen, Einspuren und Wechseln des Fahrstreifens, hat auf den Gegenverkehr und auf die ihm nachfolgenden Fahrzeuge Rücksicht zu nehmen (Art. 34 III SVG). Bei der Aufzählung in Art. 39 I SVG handelt es sich um keine abschliessende Aufzählung und lässt deshalb für andere Verhaltensweisen Raum. Aus den genannten Beispielen ergibt sich jedoch, dass eine Richtungsänderung nicht notwendig ein Verlassen der benutzten Strasse voraussetzt, vielmehr auch auf dieser selber Richtungsänderungen möglich sind (z.B. Einspuren, Überholen usw.). Allgemein wird deshalb die Richtungsänderung als ein Abweichen vom natürlichen Verlauf einer Fahrbahn oder Fahrspur bezeichnet werden können. Gabelt sich eine Strasse oder zweigt von ihr in spitzem Winkel eine Strasse ab, so wird die Frage, ob der Verkehrsteilnehmer seine Richtung ändert, danach beantwortet werden müssen, ob der von ihm gewählte Verkehrsweg bei natürlicher Betrachtungsweise als Fortsetzung der bisherigen Fahrrichtung anzusehen ist oder nicht (BGE 104 IV 88). Richtungsänderungen sind ausnahmslos anzukündigen, auch solche nach rechts. (...) Diese Verpflichtung besteht also nicht nur beim eigentlichen Abbiegen, sondern auch bei Strassengabelungen, sofern dabei vom natürlichen Verlauf der bisherigen Fahrbahn abgewichen wird (vgl. Giger, Strassenverkehrsgesetz, 4. Auflage, Zürich 1985, S. 122). Die Frage der Richtungsänderung ist von derjenigen der Vortrittsberechtigung verschieden (BGE 104 IV 89).

Die Talbachstrasse führt als Hauptstrasse über die N3-Brücke und nach dem Kreuzungsbereich als Nebenstrasse geradeaus weiter. Auch nach der Kreuzung behält sie annähernd die gleiche Breite. Diese Nebenstrasse ist, wie schon der gleichbleibende Name zeigt, als gerade Fortsetzung der Hauptstrasse zu betrachten. Zudem zeigt der Umstand, dass die dem Angeklagten folgende Fahrzeuglenkerin X. mangels einer Zeichengebung durch den ersteren aufgrund der gesamten Strassenanlage der Meinung war, der Angeklagte werde seine Fahrt geradeaus fortsetzen. Ist dem aber so, muss das Befahren der Linksbiegung der Hauptstrasse Talbach-/Letzistrasse als eine Richtungsänderung im Sinne von Art. 39 I SVG angesehen werden. Daran ändert auch nichts, dass die Talbach-/Letzistrasse als Hauptstrasse mit den Signalen 5.09/3.03 und der entsprechenden Bodenmarkierung gekennzeichnet und der auf ihr verkehrende Strassenbenützer vortrittsberechtigt ist. Die Frage der Richtungsänderung ist von derjenigen der Vortrittsberechtigung verschieden (BGE 100 IV 89).

Das Zuger Strafgericht hielt in einem Urteil vom 30.5.1975 (SJZ 72 [1976], S. 12, Nr. 3) u.a. fest, dass der natürliche Verlauf der Fahrbahn entgegen der vom Bundesgericht vertretenen Auffassung nicht ohne weiteres die geradeaus verlaufende Fahrbahn sei, sondern, wenn Begrenzungslinien gezogen seien, die dadurch hervorgehobene Fahrbahn. Wenn überhaupt von einer natürlichen Fahrbahn zu sprechen sei, so meine dies die Strecke, von der ein Fahrzeuglenker in guten Treuen annehmen müsse, es sei die Fortsetzung der Fahrbahn, die er üblicherweise innehabe, die normalerweise zu dem Ziele führen müsse, das diese Fahrbahn anstrebe. Bezogen auf den vorliegenden Fall hätte dies, wenn man dieser Auffassung zustimmt, zur Folge, dass der Angeklagte zu Recht eine Zeichengabe unterlassen hat. Vorerst ist jedoch zu bemerken, dass der vorliegende Sachverhalt nicht in jeder Beziehung mit dem dem Urteil des Zuger Strafgerichts zugrundeliegenden Sachverhalt übereinstimmt. Im vorliegenden Fall zweigt die Hauptstrasse in einem rechten Winkel nach links ab, während im Zuger Fall nur eine leichte Linkskurve vorlag, und die geradeaus verlaufende Nebenstrasse tangential von der Hauptstrasse abzweigte. Unbesehen davon, dass die beiden Sachverhalte nicht in jeder Hinsicht miteinander zu vergleichen sind, verdient die Auffassung von Schultz (Rechtsprechung im Strassenverkehrsrecht 1973–77, S. 201) Zustimmung, wonach hinsichtlich der Zeichengabe auf einer abbiegenden Hauptstrasse der bundesgerichtlichen Rechtsprechung der Vorrang gebühre, weil sie Ungewissheiten beseitige, die entstehen können, wenn die Hauptstrasse die Richtung ändere, und eine andere Strasse geradeaus weiterführe. Gemäss der vom Angeklagten und vom Zuger Strafgericht vertretenen Meinung müssten im vorliegenden Fall sowohl jener Verkehrsteilnehmer, der auf der Talbachstrasse weiterfährt, als auch jener, der nach rechts in die andere, zur Autobahn parallel verlaufende Nebenstrasse einfährt, ein Zeichen zum Rechtsabbiegen geben. Für andere Verkehrsteilnehmer ist damit nicht ersichtlich, welchen Weg der die Hauptstrasse verlassende Verkehrsteilnehmer wählt. Dies führt zu unklaren Verkehrssituationen, z.B. dann, wenn ein Verkehrsteilnehmer von der Letzistrasse herkommt und nach links in die Talbachstrasse einbiegen möchte, oder wenn ein Fussgänger die geradeaus verlaufende Nebenstrasse (Talbachstrasse) queren will (vgl. BGE 100 IV 90).

Der Einwand des Verteidigers, die bundesgerichtliche Rechtsprechung werde schlecht akzeptiert, ist nicht zu hören, denn z.B. auch Geschwindigkeitslimiten werden schlecht akzeptiert. Die Akzeptanz insbesondere des motorisierten Verkehrsteilnehmers ist kein taugliches Kriterium. Weil es im Strafrecht keine Schuldkompensation gibt, ist auch der Einwand des Verteidigers, die Fahrzeuglenkerin X. hätte an dieser unübersichtlichen Kreuzung nicht überholen dürfen, unbeachtlich. Zu beurteilen ist in diesem Strafverfahren nur die Frage, ob den Angeklagten ein Verschulden trifft oder nicht.

Zusammengefasst ergibt sich, dass – aus Gründen der Verkehrssicherheit – im Bereiche einer Verzweigung (Kreuzung oder Gabelung) jede Richtungsänderung anzuzeigen ist, damit auch der ortsunkundige Verkehrsteilnehmer zuverlässig die Absicht des andern erkennen kann. Die von Schaffhauser (Grundriss des Schweizerischen Strassenverkehrsrechts, Band I, Bern 1984, N 713) vorgeschlagene Lösung könnte höchstens bei Gabelungen (Y-Form) zu einem tauglichen Ergebnis führen, nicht aber bei Kreuzungen (X-Form); sie ist aber wegen der sich ergebenden Rechtsunsicherheit abzulehnen. Die Signalisation „Richtung der Hauptstrasse" (vgl. Art. 65 der Signalisationsverordnung vom 5. September 1979, SSV, SR 741.21) und die Markierung „Führungslinie" (vgl. Art. 76 SSV) sind bezüglich der Vortrittsregelung bedeutsam, nicht aber für die Pflicht, Richtungsänderungen anzuzeigen.

Weiter ist zu prüfen, ob ein Sachverhalts- oder Rechtsirrtum vorliegt. Sachverhaltsirrtum scheidet hier zum vornherein aus, da der Angeklagte keine irrige Vorstellung über den Sachverhalt hatte (Art. 19 I des Schweizerischen Strafgesetzbuches vom 21. Dezember 1937, StGB, SR 311.0). Rechtsirrtum liegt vor, wenn der Täter aus zureichenden Gründen angenommen hat, er sei zur Tat berechtigt (Art. 20 I StGB). Der Angeklagte kann sich auf keine zureichenden Gründe stützen. Unkenntnis der rechtlichen Normierung ist grundsätzlich kein zureichender Grund (vgl. Trechsel, Schweizerisches Strafgesetzbuch, Kurzkommentar, Art. 20:6). Folglich hat der Angeklagte zu Unrecht eine Zeichengabe unterlassen. Er ist somit der Unterlassung der Zeichengebung bei einer Richtungsänderung im Sinne von Art. 39 I SVG und Art. 28 I VRV schuldig zu sprechen und im Sinne von Art. 90/1. SVG mit Haft oder Busse zu bestrafen.

(Urteil des Einzelrichters der March vom 31. März 1995, ES 95 1).

 

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Strafprozessrecht

– Kosten für den Heimaufenthalt eines Jugendlichen, der keine Freiheitsstrafe ist.

Aus den Erwägungen:

1. Die Beschwerde richtet sich gegen den Kostenentscheid des Jugendgerichts. Das Kantonsgericht ist zu deren Beurteilung zuständig (§ 140 Abs. 1 lit. b StPO). Angefochten ist lediglich die Kostenauflage für die vom Jugendanwalt angeordneten vorsorglichen Massnahmen.

2. Gemäss § 49 StPO setzen sich die Kosten des Strafverfahrens aus den Barauslagen, den Gebühren und den Strafvollzugskosten zusammen. Den Verfahrenskosten im engeren Sinne werden die Barauslagen und die Gebühren, den Verfahrenskosten im weiteren Sinne zusätzlich die Strafvollzugskosten zugerechnet. Die ersteren werden gemäss §§ 50ff. StPO auferlegt und verteilt, die Vollzugskosten nach Massgabe von § 164 (Freiheitsstrafen) und § 165 (Massnahmen) StPO. Unter die zu den Verfahrenskosten im engeren Sinne gehörenden Barauslagen sind alle Ausgaben zu subsumieren, die infolge einer amtlichen Verrichtung entstehen, wie z.B. Zeugen- und Expertenentschädigungen, Kosten für polizeiliche Verrichtungen und Untersuchungshäftlinge (Hauser/Hauser, Erläuterungen zum GVG-ZH, S. 799f.). Eine Sonderregelung gilt allerdings für die Kosten der Untersuchungshaft. Im Interesse der Gleichstellung der Haft- und Vollzugskosten werden diese zu den Vollzugskosten gerechnet, sofern die Untersuchungshaft an das Strafmass angerechnet wird. Nur die Kosten der „nichtangerechneten" Untersuchungs- und Sicherheitshaft gelten folglich als Verfahrenskosten im engeren Sinne und sind dem Kostenpflichtigen zu überbinden (Hauser/Hauser, a.a.O., S. 800f. mit Hinweisen). Dies entspricht auch der Praxis im Kanton Schwyz.

3. Mit dem Beschwerdeführer ist davon auszugehen, dass die strittigen Kosten des Heimaufenthaltes nicht unter die Verfahrenskosten im engeren Sinne fallen, sondern zu den Vollzugskosten zu zählen sind. Der Heimaufenthalt diente offensichtlich nicht der Expertisierung oder Beobachtung des Angeschuldigten „während einer gewissen Zeit" (Art. 90 StGB), noch stand er im Zusammenhang mit einem der Untersuchung dienenden Zweck. Die Einweisung wurde vom Jugendanwalt denn auch nicht im Hinblick auf die Untersuchung, sondern erst auf die Interventionen der Eltern hin angeordnet. Damit stand offensichtlich der fürsorgerische und erzieherische Aspekt im Vordergrund, auch wenn der Jugendanwalt die Massnahme fälschlicherweise gestützt auf Art. 90 StGB erlassen hatte. Die Kostenfolge richtet sich somit nicht nach §§ 50ff. StPO, sondern nach §§ 164f. StPO.

Nicht anders würde es sich verhalten, wenn man die vorsorgliche Massnahme unter Art. 90 StGB subsumieren wollte. Diesfalls wäre sie, wie die Untersuchungshaft, auf die Strafe anzurechnen (RS 1979, Nr. 745) mit der Folge, dass die damit verbundenen Kosten wiederum zu den Vollzugskosten zu rechnen wären (vgl. vorne Erw. 2).

4. Gemäss § 164 StPO werden die Kosten des Vollzugs einer Freiheitsstrafe in der Regel vom Staat getragen, während für die Kosten der Massnahmen grundsätzlich jene Person haftet, gegen welche sich die Massnahme richtet. Ist sie unmündig, haften auch ihre Eltern. Können die Massnahmekosten nicht eingebracht werden, kommt dafür das unterstützungspflichtige Gemeinwesen nach den Vorschriften über die öffentliche Fürsorge auf (§ 165 StPO).

a) Es steht ausser Frage, dass es sich beim Heimaufenthalt nicht um eine Freiheitsstrafe, sondern um eine Massnahme gehandelt hatte, um dem Jugendlichen die notwendige erzieherische Betreuung zukommen zu lassen und ihn auf eine Berufslehre oder den weiteren schulischen Weg vorzubereiten. Es handelte sich offensichtlich um eine vorsorglich angeordnete Massnahme im Sinne von Art. 91 Ziff. 1 Abs. 1 StGB, die vom Jugendanwalt gestützt auf § 117 Abs. 1 StPO angeordnet worden ist. Man könnte sich in diesem Zusammenhang allerdings fragen, ob eine derart extensive Auslegung von § 117 StPO mit dem Bundesstrafrecht vereinbar ist, welches die Anordnung von Erziehungsmassnahmen ausschliesslich der urteilenden Behörde vorbehält (Art. 91 StGB), während dem Jugendanwalt nur Kompetenzen im Rahmen des Untersuchungszwecks vorbehalten sind (Art. 90 StGB). Diese Frage kann vorliegend indessen dahingestellt bleiben, nachdem die Einweisung in das Jugendheim im Einvernehmen mit dem Jugendlichen und dessen Eltern angeordnet worden ist und somit als „vorzeitigen Massnahmeantritt" verstanden werden kann. Das Jugendgericht hat im angefochtenen Urteil denn auch ausgeführt, dass sich angesichts der bereits vollzogenen Massnahme keine „weiteren" Massnahmen oder Strafen mehr aufdrängen, und damit zumindest konkludent zum Ausdruck gebracht, dass die vorsorglichen Massnahmen bei der Entscheidfindung über die auszufällende Strafe angerechnet wurden. Für die Kosten dieses Massnahmevollzuges hat nach der klaren Vorschrift des § 165 StPO der Beschwerdeführer aufzukommen, subsidiär dessen Eltern und im Falle einer wirtschaftlichen Notlage der Betroffenen das unterstützungspflichtige Gemeinwesen.

b) Diese Kostenverlegung lag denn auch dem angefochtenen Urteil zugrunde und entspricht der Systematik der Rechtsordnung im Bereiche der Betreuung von gefährdeten Jugendlichen. Die Anordnung von Kindesschutzmassnahmen obliegt nicht in erster Linie der Jugendanwaltschaft, sondern der Vormundschaftsbehörde (Art. 307f., insbes. Art. 310 ZGB; § 24 EGzZGB; § 16 Sozialhilfegesetz). Für die von dieser angeordneten Kindesschutzmassnahmen hat subsidiär das unterstützungspflichtige Gemeinwesen aufzukommen (§§ 15/19 Sozialhilfegesetz). Nicht anders verhält es sich nach § 165 StPO, wenn diese Massnahmen von den Strafverfolgungsbehörden angeordnet worden sind; primär haftet der Betroffene resp. dessen Eltern, subsidiär die Gemeinde. Es wäre denn auch unverständlich, wenn sich die Vormundschaftsbehörden ihren Verpflichtungen entschlagen und die Anordnung der notwendigen Massnahmen gegenüber straffälligen Jugendlichen zum vornherein der Jugendanwaltschaft überlassen könnten, in der Absicht, die meist hohen Kosten der Fremdplazierung beim Kanton anfallen zu lassen. Eine Aufspaltung der Kostenpflicht würde überdies die Gefahr mit sich bringen, dass es zu unerwünschten Kompetenzzuschiebungen und Verzögerungen bei der Anordnung von dringlichen Massnahmen kommen könnte, um der Kostenpflicht des eigenen Gemeinwesens zu entgehen. Es ist folglich durchaus systemkonform und folgerichtig, wenn die Haftung nach § 165 StPO der subsidiären öffentlichrechtlichen Zahlungspflicht der Wohnsitz- oder Heimatgemeinde bei Massnahmen gegenüber Jugendlichen folgt (§§ 15, 19f. und 24f. Sozialhilfegesetz; Art. 276 ZGB; BGE 106 II 287).

5. Der Beschwerdeführer macht in der Hauptsache geltend, das Jugendgericht sei ohne substantiierte Begründung von einer jahrelang geübten Praxis abgewichen. Bis anhin seien die Kosten für vorsorgliche Massnahmen bis zur Urteilsfällung stets durch den Kanton übernommen worden. Diese Kosten seien im Urteil jeweils nicht erschienen, bzw. es sei diesbezüglich keine richterliche Kostenverlegung erfolgt. Der Kostenentscheid müsse auch deshalb aufgehoben werden, weil damit eine rückwirkende Praxisänderung herbeigefiihrt werde. Wäre bereits mit dem Haupturteil über die Kosten befunden worden, wäre der Jugendliche nach damals und noch Monate später geltender Praxis nicht belastet worden.

a) Zu den Kosten, die vom urteilenden Gericht nach § 50ff. zu verlegen sind, gehören lediglich die Verfahrenskosten im engeren Sinne, d.h. die Barauslagen und Gebühren, die in direktem Zusammenhang mit dem Verfahren stehen, nicht aber die Kosten des Strafvollzuges (Schmid, Strafprozessrecht, S. 325, Rz 1201). Dies entspricht der gesetzlichen Ordnung, wonach die Zuständigkeit für den Strafvollzug beim Justizdepartement oder den Bezirksämtern liegt (§ 159 StPO). In der Regel enthalten die Strafurteile denn auch keine Anordnungen über die Vollzugskosten, welche normalerweise im Urteilszeitpunkt auch noch nicht angefallen und bekannt sind. Dass in diesen Fällen die Kosten des Strafvollzugs von den Vollzugsbehörden nach Massgabe von §§ 164f. StPO zu erheben sind, versteht sich von selbst und ergibt sich – wie bereits dargelegt – aus der gesetzlichen Zuständigkeitsordnung. Das Fehlen einer Auferlegung der Vollzugskosten im Strafentscheid selbst bedeutet somit nicht, dass diese nicht von der zuständigen Behörde erhoben werden. Der Beschwerdeführer vermag somit aus der bisherigen Praxis nichts zu seinen Gunsten abzuleiten.

b) Neu ist die Praxis des Jugendgerichts aber insofern, als sich dieses im angefochtenen Urteil neben den Verfahrenskosten im engeren Sinne auch über die durch vorsorglich verfügte Massnahmen entstandenen Vollzugskosten ausspricht. Dazu ist das Jugendgericht indessen nicht kompetent, sondern es obliegt ausschliesslich der zuständigen Strafvollzugsbehörde, den Entscheid über die Auferlegung und den Bezug der Vollzugskosten zu treffen (§ 159 Abs. 2 StPO). Entsprechende Verfügungen sind denn auch nicht beim Kantonsgericht, sondern beim Verwaltungsgericht anfechtbar (§ 160 StPO). Die Beschwerde erweist sich demzufolge insofern als begründet, als die entsprechende Verfügung über die Vollzugskosten (Dispositiv Ziff. 2 Abs. 2) aufzuheben und an das Justizdepartement zum Entscheid zu überweisen ist.

(Beschluss vom 16. Januar 1995; KG 456/94 RK 2).

 

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Strafprozessrecht

– Schliessung und „Versiegelung" eines Raumes durch die Strafuntersuchungsbehörden.

Aus den Erwägungen:

Vorgängig sind die Begriffe „Beschlagnahme" und „Versiegelung" zu erläutern. Die Beschlagnahme im Sinne der §§ 35 und 42 StPO bezieht sich auf die Sicherstellung von deliktrelevanten Gegenständen oder Werten. Sie ist eine Zwangsmassnahme, durch welche Objekte der freien Verfügung einer Person entzogen und der Verfügungsgewalt des Staates unterworfen werden (R. Hauser, Kurzlehrbuch des schweizerischen Strafprozessrechts, 2. Aufl., 1984, S. 193). Mittel der Beschlagnahme ist regelmässig die Wegnahme und amtliche Aufbewahrung der Sache. Denkbar ist auch ein Verfügungsverbot, z.B. in Form des Verschliessens eines Raumes unter Deponierung der Schlüssel oder in Form einer Grundbuchsperre. Von der Beschlagnahme zu unterscheiden ist die Versiegelung im StPO-technischen Sinn. Bevor die Untersuchungsbehörde entscheiden kann, welche einzelnen Objekte deliktrelevant sind und deshalb beschlagnahmt werden können, sind diese aufzufinden. Hierzu dient das Institut der Durchsuchung gemäss §§ 37ff. StPO. Sofern Schriftstücke durchsucht werden, ist dem Inhaber gemäss § 40 Abs. 1 StPO vorgängig die Gelegenheit zu geben, sich zum Inhalt der einzelnen Schriftstücke zu äussern und gegen die Durchsuchung Einsprache zu erheben. Trotz Einsprache wird die Untersuchungsbehörde aber nicht darum herumkommen, die Papiere zumindest kurz zu sichten und summarisch zu prüfen, damit sie unwichtige Schriftstücke ausscheiden kann (KG 244/94 GP; BGE 106 IV 423, E 7b). Spricht die Behörde entgegen dem Willen des Inhabers den Beschlagnahmungsbann aus, so muss sie das Schriftstück versiegeln. Die Untersuchungsbehörde hat hernach im sogenannten Entsiegelungsverfahren den Kantonsgerichtspräsidenten bzw. das sich mit der Sache befassende Gericht bezüglich der Frage der Zulässigkeit der detaillierten Durchsuchung der beschlagnahmten Papiere anzurufen (§ 40 Abs. 1 StPO; EGV 1979, S. 52).

Der Beschwerdeführer verlangt, dass die „Versiegelung" der Büroräumlichkeiten aufgehoben werden solle. Wie erwähnt, wäre für das Entsiegelungsverfahren nicht das angerufene Gericht sondern der Kantonsgerichtspräsident bzw. das mit der Sache befasste Gericht zuständig. Da jedoch nicht die Entsiegelung von Schriftstücken Gegenstand dieses Verfahrens ist, liegt kein eigentliches Entsiegelungsverfahren vor. Fraglich ist vorliegend einzig, ob das Verhöramt zu Recht den strittigen Raum der freien Verfügung des Beschwerdeführers entzieht, das heisst mit anderen Worten, ob sich eine Beschlagnahme des fraglichen Raumes rechtfertigt. Nicht Gegenstand dieses Verfahrens ist die Frage der Zulässigkeit der parallel durchgeführten Beschlagnahme der einzelnen Schriftstücke, die sich im strittigen Raum befunden haben. Folglich handelt es sich vorliegend nicht um ein Entsiegelungs-, sondern um ein Beschwerdeverfahren bezüglich der Beschlagnahme des angesprochenen Raumes. Beschwerdebehörde ist gemäss § 28 Abs. 3 GO die angerufene Instanz, weshalb die Zuständigkeit zu bejahen ist.

(Beschluss vom 3. Mai 1995; KG 84/95 RK 2).

 

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Schuldbetreibungs- und Konkursrecht

– Konkurseröffnung ohne vorgängige Betreibung, Zahlungseinstellung.

Aus den Erwägungen:

1. Zu einem Konkursbegehren ohne vorgängige Betreibung ist jeder einzelne Gläubiger befugt, gleichgültig ob seine Forderung schon fällig ist (BGE 85 III 152, BlSchKG 1989 S. 26), wenn ein der Konkursbetreibung unterliegender Schuldner seine Zahlungen eingestellt hat (Art. 190 Abs. 1 Ziff. 2 SchKG). Wie sich bereits aus dem Wortlaut ergibt und durch die Entstehungsgeschichte von Art. 190 SchKG unterstrichen wird, bedarf es nicht des Beweises der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners, sondern es genügt die Tatsache der Zahlungseinstellung. Mit dieser Begriffsumschreibung wollte der Gesetzgeber dem Gläubiger den Nachweis erleichtern, indem anstelle der Zahlungsunfähigkeit ein äusserlich erkennbares Merkmal derselben gesetzt worden ist (Fritzsche/Walder, Schuldbetreibung und Konkurs nach schweizerischem Recht, Band II, § 38, Rz 10). Eine Überschuldung allerdings genügt nicht, sondern die Zahlungen müssen „eingestellt" sein, weil dem Schuldner die Bereitstellung der Mittel nicht gelingen kann. Dieser Tatbestand ist erfüllt, wenn der Schuldner ausdrücklich erklärt oder durch konkludentes Verhalten eindeutig zu erkennen gibt, dass er nicht mehr in der Lage ist, seine Gläubiger zu befriedigen: beispielsweise indem er unbestrittene fällige Schulden nicht mehr zahlt, wenn er mehrere Betreibungen auflaufen lässt oder das Geschäft geschlossen hält (Kurt Amonn, Grundriss des Schuldbetreibungs- und Konkursrechts, 4. Aufl., § 38, Rz 14f.; Fritzsche/Walder, a.a.O., § 38, Rz 11, je mit Hinweisen auf die Literatur und Praxis).

2. Die Vorinstanz stellte aufgrund ihrer Gerichtsnotorietät fest, dass sich die Beklagte seit langem in massiven Liquiditätsschwierigkeiten befinde und bereits im Frühjahr 1994 gegenüber dem Konkursrichter erklärt habe, die (unbestrittenen) Löhne nicht mehr bezahlen zu können. Obwohl diese in den Monaten Mai bis Juli 1994 wieder ausgerichtet werden konnten, hätten sich die Anzeichen gehäuft, dass sich die Situation der Beklagten nochmals drastisch verschärft habe. Es seien innert kurzer Zeit beim Einzelrichter zehn Rechtsöffnungsbegehren eingegangen, ausserdem seien neun arbeitsrechtliche Forderungsklagen anhängig, wo sich die Beklagte in Vereitelung von Zustellungen übe. Letzteres gelte auch für die in eigenen Bauhandwerkerprozessen erlassenen Kostenvorschussverfügungen.

Der Kläger macht geltend, gemäss Aussagen seines früheren Mitarbeiters T. sei der Betrieb der Beklagten wegen Konkurs eingestellt worden, und er (T.) werde ab Januar von der F. AG weiterbeschäftigt. Die F. AG habe ihren Sitz am Domizil der einzigen Verwaltungsrätin der Beklagten, Frau L., und ihres Ehemannes und Prokuristen der Beklagten, W. Einzige Verwaltungsrätin der F. AG sei wiederum Frau L. Weiter habe die Beklagte ihre Lagerhalle in X. an die F. AG verkauft, ohne dass flüssige Mittel in die Kasse der Beklagten geflossen seien. Die Beklagte habe schliesslich weder auf die Lohnforderung noch die Kündigung des Klägers reagiert. Das vom Kläger geforderte Arbeitszeugnis sei immer noch ausstehend. Selbst vor Vorinstanz sei die Beklagte säumig geworden. Dies lasse den Schluss zu, dass die Beklagte ihre Büros bereits geschlossen habe. Hierauf weise auch die Tatsache hin, dass der Telefonanschluss der Beklagten nicht mehr in Betrieb sei.

Die Beklagte bestreitet die Hinweise des Klägers auf die F. AG nicht grundsätzlich. Diese habe ihre Geschäftstätigkeit jedoch bereits vor der Konkurseröffnung über die Beklagte im Jahre 1994 aufgenommen. Gewisse „Querverbindungen" zur Beklagten bestünden insoweit, als die F. AG Löhne der Beklagten bezahlt habe. Die Lagerhalle schliesslich sei nicht von der Beklagten, sondern den Gebrüdern Y. übernommen worden, weshalb aus diesem Kauf der Beklagten nichts geschuldet werde.

3. Aufgrund der unbestrittenen Parteivorbringen steht zusammenfassend fest, dass der von der Beklagten benutzte Werkhof mit Lagerhalle in X. an die F. AG verkauft worden ist. Damit entzog sich die Beklagte offensichtlich die Infrastruktur zum weiteren Betrieb ihrer Unternehmung. Weiter werden die Löhne, offenbar soweit sie nicht Gegenstand der Verfahren vor Bezirksgericht bilden, von der F. AG bezahlt. Dies wiederum kann nichts anderes bedeuten, als dass die F. AG diese Arbeitskräfte von der Beklagten übernommen hat, wie dies der Kläger mit Bezug auf T. behauptet. Diese Vorgänge lassen in ihrer Konsequenz keinen anderen Schluss zu, als dass die Beklagte ihre Tätigkeiten eingestellt hat, was letztlich durch die Tatsache untermauert wird, dass der Telefonanschluss der Beklagten aufgehoben worden und nicht mehr in Betrieb ist.

4. Die Zahlungsschwierigkeiten der Beklagten werden durch die Vielzahl der Rechtsöffnungs- und Forderungsprozesse vor dem Bezirksgericht belegt. Zwar genügt als Konkursgrund eine bloss vorübergehende Zahlungsschwierigkeit nicht; vielmehr muss sich der Schuldner auf unabsehbare Zeit in dieser Lage befinden. Dass dies für die Beklagte zutrifft, ergibt sich aus der unwidersprochenen Sachdarstellung der Vorinstanz, wonach der Liquiditätsengpass seit einem Jahr besteht und sich gegen Ende 1994 noch drastisch erhöht hat. Ausfluss und offensichtliches Zeichen dieser Zahlungsschwierigkeiten sind die vor Bezirksgericht hängigen Lohnforderungsprozesse. Es kommt hinzu, dass die Beklagte ihr Büro und ihren Werkhof aufgegeben hat, der Telefonanschluss aufgehoben ist und die Annahme gerichtlicher Zustellungen mit konstanter Regelmässigkeit verweigert wird. In der Gesamtheit dieser Umstände kann das Verhalten der Beklagten nicht anders verstanden werden, als dass sie ihre Zahlungen im Sinne von Art. 190 Abs. 1 Ziff. 2 SchKG eingestellt hat (vgl. den analogen Fall in ZR 36 1937, Nr. 142; Hinweis in Fritzsche/Walter, a.a.O., § 38, Rz 11). Die Vorinstanz hat demzufolge zu Recht den Konkurs über die Z. AG ausgesprochen.

(Beschluss vom 2. März 1995; KG 4/95 RK 2).

 

42

Schuldbetreibungs- und Konkursrecht

– Nichtigkeit des Rechtsöffnungstitels.

Aus den Erwägungen:

a) Der Richter hat die definitive Rechtsöffnung auszusprechen, wenn der Gläubiger seine Forderung auf ein vollstreckbares gerichtliches Urteil abstützen kann. Die Kantone können innerhalb ihres Kantonsgebietes über öffentlich-rechtliche Verpflichtungen ergangene Beschlüsse und Entscheide der Verwaltungsorgane den Urteilen gleichstellen (Art. 80 Abs. 2 SchKG). In § 78 Abs. 2 der Verordnung über die Verwaltungsrechtspflege (VRP) hat der kantonale Gesetzgeber festgesetzt, dass „vollstreckbare Verfügungen und Entscheide, die auf eine Geldzahlung oder Sicherheitsleistung gehen, (…) einem Gerichtsurteil im Sinne des Art. 80 Abs. 2 SchKG gleichgestellt" sind. Die gegen die Beschwerdeführerin ausgestellte und zur Zahlung von Fr. 2348.– auffordernde Gebührenverfügung vermag diese Voraussetzungen zu erfüllen, so dass sie grundsätzlich einen definitiven Rechtsöffnungstitel darstellt.

b) Ausnahmsweise ist Verfügungen die Eigenschaft, die definitive Rechtsöffnung bewirken zu können, abzusprechen. In Art. 81 Abs. 1 SchKG sind die möglichen Einreden aufgelistet. So kann der Schuldner geltend machen, die Forderung sei getilgt, gestundet oder verjährt. Neben diesen Einreden ist die definitive Rechtsöffnung dann zu verweigern, wenn die vom Gläubiger eingelegte Verfügung nichtig ist (vgl. Imboden/Rhinow, Schweizerische Verwaltungsrechtssprechung, Bd. 1, Allgemeiner Teil, Basel 1976, S. 240). Die Nichtigkeit ist von der blossen Anfechtbarkeit zu unterscheiden. Als Abgrenzungskriterium dient dabei die Schwere des vorliegenden Mangels. Nichtigkeit tritt danach nur ein, wenn die Verfügung mit einem schwerwiegenden und offenkundigen oder doch leicht erkennbaren Mangel behaftet ist (vgl. z.B. BGE 98, Ia 571). Die blosse sachliche Unzuständigkeit der verfügenden Behörde genügt nicht, einen Entscheid als nichtig zu erklären. Nichtigkeit und damit Verweigerung der definitiven Rechtsöffnung ist nur dann anzunehmen, wenn die unzuständige Instanz allgemein keine Entscheidungsgewalt auf dem betreffenden Gebiet hat (vgl. z.B. BGE 77 I 18; vgl. insbesondere auch Panchaud/Caprez, Die Rechtsöffnung, Zürich 1982, § 123).

Dem Gemeinderat stehen im Kanton Schwyz alle Befugnisse zu, die nicht durch kantonales Recht einem anderen Gemeindeorgan zugewiesen sind (§ 89 Abs. 3 KV). Ausnahmsweise können Entscheidungsbefugnisse an untergeordnete Behörden oder Amtsstellen übertragen werden. Dazu ist aber eine klare gesetzliche Grundlage im Bundes- oder im kantonalen Recht erforderlich. Das Gesetz über die Organisation der Gemeinden und Bezirke (GOG) sieht in § 47 Abs. 2 GOG vor, dass der Gemeinderat den Erlass von Verfügungen in einer Vielzahl von gleichartigen Fällen (sog. Massenverfügungen) an eine ihm unterstellte Kommission übertragen kann.

c) Art. 1 Abs. 2 des Kehrichtreglementes der Gemeinde X. bestimmt, dass der Gemeinderat eine Kommission wählt, welche für die bundeskonforme Kehrichtabfuhr besorgt ist. Und Art. 8 Abs. 3 legt fest: „Die Industrie- und Gewerbe-Kehrichtgebühr wird aufgrund der Art und der Menge des Kehrichts von der Kommission individuell festgesetzt." Gemäss Art. 8 Abs. 4 kann gegen die Gebühr beim Gemeinderat Einsprache erhoben werden. Dem mit dem übergeordneten Recht in Einklang stehenden Reglement ist also zu entnehmen, dass die gewählte Kommission der Beschwerdeführerin die Kehrichtgebühren hätte auferlegen müssen. Das Gemeindekassieramt war dazu nicht befugt. Es war sachlich unzuständig. Darüber hinaus kam ihm auch keine allgemeine Entscheidungsgewalt zu. Diese obliegt gemäss § 89 Abs. 3 KV dem Gemeinderat. Die vom Gemeindekassieramt erlassene Verfügung ist demnach nichtig und nicht bloss anfechtbar. Wenn der Vorderrichter gestützt auf die nichtige Gebührenverfügung die Rechtsöffnung erteilte, so verletzte er klares materielles Recht.

(Beschluss vom 12. Mai 1995; KG 498/94 RK 2).

Anmerkung: Zu Fragen im Zusammenhang mit der Vollstreckung öffentlich-rechtlicher Geldforderungen durch das Gemeinwesen vgl. ausserdem den Entscheid Nr. 44 sowie die dazu angebrachten Anmerkungen.

 

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Schuldbetreibungs- und Konkursrecht

– Zulässigkeit der Betreibung auf Grundfpandverwertung aufgrund eines Schuldbriefes, der als Faustpfand begeben wurde?

Aus den Erwägungen:

1. Die Bank X. gewährte der Rekurrentin im Jahre 1993 ein Darlehen und einen Kontokorrentkredit. Zur Sicherung des Darlehens und Kontokorrentkredites hat die Rekurrentin der Bank u.a. drei Inhaberschuldbriefe über je nom. Fr. 1 Mio., lastend auf ihrem Baurechtsgrundstück in Z., verpfändet. Im Jahre 1994 kündigte die Bank das Darlehen, den Kredit sowie die Schuldbriefforderungen. In der Folge machte sie gegenüber der Rekurrentin die Schuldbriefforderungen geltend und betrieb sie auf Grundpfandverwertung. Die Rekurrentin bestreitet sowohl im Rechtsvorschlag als auch im Rechtsöffnungsverfahren die Zulässigkeit der Grundpfandbetreibung. Insbesondere argumentiert sie, die Bank hätte die Schuldbriefe nur zu Faustpfand erhalten. Sie sei nicht Gläubigerin der Schuldbriefforderungen und deshalb nicht berechtigt, die Grundpfandbetreibung zu verlangen.

2. Durch den Schuldbrief wird eine persönliche Forderung begründet, die grundpfändlich sichergestellt ist (Art. 842 ZGB). Die Schuldbriefforderung ist grundsätzlich abstrakter Natur, d.h. das der Errichtung zugrunde liegende Schuldverhältnis wird durch Neuerung getilgt (vgl. Art. 855 ZGB). Diese abstrakte Forderung und das Grundpfandrecht sind in einem Wertpapier, dem Schuldbrief, verkörpert. Mit der Übertragung des Eigentums am Schuldbrief erhält der Erwerber die Stellung eines Gläubigers der im Wertpapier verurkundeten Schuldbriefforderung und wird direkter Grundpfandgläubiger (BGE 115 II 353f.).

Der Schuldbrief kann aber auch als Faustpfand begeben werden (BGE 119 II 327). Bei dessen Verpfändung sind jedoch die besonderen Vorschriften der Wertpapierverpfändung massgebend (Art. 901 ZGB). Durch die Verpfändung erhält der Gläubiger ein Forderungspfandrecht an der Schuldbriefforderung. Das im Schuldbrief verbriefte Recht hat in diesem Fall somit zwei „Herren", nämlich den Berechtigten (Inhaber des Schuldbriefes) einerseits und den Pfandgläubiger andererseits. Bei der Verpfändung eines Schuldbriefes spricht man von einem Faust- und nicht von einem Forderungspfand, weil die verpfändete Schuldbriefforderung in einem Wertpapier verkörpert ist. Primäres Objekt der Pfändung ist der Titel; die Rechte des Fahrnisgläubigers erstrecken sich nur mittelbar auf das Grundstück, das die Schuldbriefforderung grundpfändlich sicherstellt (Riemer, Die beschränkten dinglichen Rechte, Bern 1986, § 22, N 55). Es gilt zu beachten, dass mit der Faustpfandbestellung das zu sichernde Grundverhältnis (in casu: Darlehen und Kontokorrentkredit) nicht noviert wird, denn der Forderungspfandgläubiger wird nicht Gläubiger der Schuldbriefforderung, sondern ist nur Gläubiger der Grundforderung. An der grundpfändlich sichergestellten Schuldbriefforderung hat der Forderungspfandgläubiger, wie schon erwähnt worden ist, nur ein Pfandrecht.

Die Realisierung des Pfandrechts an Schuldbriefen erfolgt – gleich wie diejenige anderer Wertpapiere – normalerweise durch Betreibung auf Faustpfandverwertung gemäss Art. 151ff. SchKG und nicht durch Betreibung auf Grundpfandverwertung (Oftinger/Bär, Zürcher Kommentar,

3. Aufl. 1981, Art. 901, N 125). Gemäss Art. 906 ZGB fehlt dem Fahrnisgläubiger bei der Verpfändung von Grundpfandtiteln grundsätzlich die Befugnis zur Kündigung des Titels und zur Einziehung der darin verbrieften Forderung. Er kann lediglich vom Verpfänder verlangen, dass dieser die Kündigung der Schuldbriefforderung vornehme. Nach herrschender Lehre ist jedoch die in Art. 906 ZGB statuierte Regelung bloss dispositiver Natur, so dass es – entgegen der Ansicht der Rekurrentin – den am Pfandvertrag beteiligten Parteien frei steht, eine vom Gesetz abweichende Regelung zu treffen. Der Pfandgläubiger kann grundsätzlich ermächtigt werden, die im Pfandtitel verkörperte Forderung bei ihrer Fälligkeit mittels Betreibung auf Grundpfandverwertung direkt – wenn auch nicht aus eigenem Recht, so doch in eigenem Namen – geltend zu machen (BGE 64, II 418f.; BlSchKG 1992, S. 153; Zobl, Probleme bei der Verpfändung von Eigentümerschuldbriefen, ZBGR 1978, S. 213).

3. In casu ist unstreitig und ergibt sich aus den Akten, dass die Bank X. die fraglichen Schuldbriefe als Faustpfand und nicht zu (vollem oder fiduziarischem) Eigentum erhalten hat.

Gemäss der „Speziellen Faustpfandverschreibung", welche namens der Rekurrentin am 2. August 1993 unterzeichnet wurde, ist die Bank X. berechtigt, alle Rechte auszuüben, welche „dem Verpfänder bzw. Eigentümer der verpfändeten Werte zustehen. Insbesondere ist sie berechtigt, die Forderung aus ihr verpfändeten Grundpfandtiteln gegenüber dem Grundpfandschuldner direkt zu kündigen und in eigenem Namen einzuziehen. (…) Die Bank ist in diesem Sinne also befugt, Kapital, Zinsen und übrige Erträgnisse der Hypotheken direkt einzuziehen (…), wie wenn sie Eigentümerin der Titel wäre". Nach diesem Faustpfandvertrag war die Bank X demnach berechtigt, die grundpfandversicherte Forderung selber einzuziehen bzw. die im Schuldbrief verurkundete Grundpfandforderung direkt durch Betreibung auf Grundpfandverwertung geltend zu machen. Das hat auch die Vorinstanz erkannt. Der Einwand der Rekurrentin, es sei zwischen den Parteien kein entsprechender Vertrag zustande gekommen, da die „Spezielle Faustpfandverschreibung" nur von der Rekurrentin unterzeichnet worden sei, ist neu und kann im Rekursverfahren nicht gehört werden, da er das Novenrecht verletzt (vgl. § 198 in Verbindung mit § 104 Ziff. 2–5 ZPO). Die Vorinstanz folgerte sinngemäss weiter, da die Schuldbriefforderungen rechtzeitig gekündigt worden und die in den Schuldbriefen verkörperten Forderungen im Zeitpunkt der Einleitung der Betreibung auf Grundpfandverwertung zur Rückzahlung fällig gewesen seien, verfüge die Rekursgegnerin mit den Schuldbriefen über einen gültigen Rechtsöffnungstitel im Sinne von Art. 82 Abs. 1 SchKG, und sie habe zu Recht die Betreibung auf Grundpfandverwertung eingeleitet. Diesem Schluss kann, wie im folgenden ausgeführt werden wird, nicht zugestimmt werden.

4. a) Bei den fraglichen Schuldbriefen handelt es sich um sogenannte echte Eigentümergrundpfandrechte, da die R. AG die Stellung sowohl des Grundeigentümers, Grundpfandberechtigten und Pfandschuldners einnimmt (vgl. Meier-Hayoz/von der Crone, Wertpapierrecht, 1985, § 5, N 258). Diese Eigentümerschuldbriefe wurden der Bank als Pfand gegeben.

Bei den Eigentümerschuldbriefen ist in der juristischen Literatur ein Streit darüber entbrannt, in welchem Zeitpunkt die im Schuldbrief verurkundete Forderung zur Entstehung gelangt. Grundsätzlich ist sich die Lehre einig, dass die Forderung aus dem Schuldbrief nicht bereits im Zeitpunkt der Errichtung entsteht (Absage an die sog. „Kreationstheorie"). Die Errichtung des Titels wird als blosse Vorbereitungshandlung im Hinblick auf die spätere Begebung der Urkunde qualifiziert. Das spezifische grundpfandgesicherte Forderungsrecht entstehe erst mit der Übertragung des Titels im Rahmen eines Begebungsvertrages. Erst mit der Begebung werde das Recht begründet (Meier-Hayoz/von der Crone, a.a.O., S. 70f. und § 5, N 259, 261; Simonius/Sutter, Schweizerisches Immobiliarsachenrecht, Bd. II: Die beschränkten dinglichen Rechte, 1990, S. 248). Diese Grundlegung bereitet beim Eigentümerschuldbrief, der zu Faustpfand begeben wird, Schwierigkeiten, weil der Pfandgegenstand (das grundpfandgesicherte Forderungsrecht) im Zeitpunkt der Verpfändung noch gar nicht besteht, da dieselbe Person Berechtigter und Belasteter ist. Nach der einen Ansicht entsteht in diesem Fall das grundpfandgesicherte Forderungsrecht im Zeitpunkt der Übergabe des Schuldbriefes an den Faustpfandgläubiger (Zobl, ZBGR 1978, S. 196f.; Amonn, ZBJV 1983, S. 341; Meier-Hayoz/von der Crone, a.a.O., § 5, N 266), nach der anderen Meinung ist hierfür eine Übertragung des Eigentums an einen Dritten oder an den Faustpfandgläubiger selbst (beispielsweise im Rahmen einer Versteigerung) erforderlich (Simonius/Sutter, a.a.O., S. 270f. N 68; Staehelin, Betreibung und Rechtsöffnung beim Schuldbrief, AJP 1994, S. 1257, 1261; Wieland, Zürcher Kommentar, 1909, Art. 859 Ziff. 6b; Huber, Die Ansprüche der Faustpfandgläubiger von Eigentümerschuldbriefen im Konkurs des Pfandeigentümers, ZBGR 1979, S. 330ff.). Die II. Zivilabteilung des Bundesgerichts hat wiederholt die Richtigkeit der zweiten Auffassung bestätigt (vgl. BGE 115 II 151f. = Pra 1989, S. 971f.; 107 III 133f). Im Gesetz selber findet sich in den Vorschriften über das Grundpfand- und Wertpapierrecht keine Regelung, welche diese Frage ausdrücklich klären würde.

Nach richtiger Ansicht entsteht die im Schuldbrief verbriefte Forderung – mangels Begebung des Schuldbriefs – nicht, solange der Grundeigentümer den Eigentümerpfandtitel nicht an einen Dritten zu vollem Recht übertragen hat. Sicherlich kann nicht der Faustpfandgläubiger Inhaber eines solchen Rechts sein; denn er hat den Titel nicht zu Eigentum, sondern lediglich als Pfand erhalten. Gläubiger der Forderung könnte allenfalls der Grundeigentümer selbst sein, der aber gleichzeitig auch Schuldner wäre. Eine Forderung, die jemand gegen sich selbst hat, kann aber nur eine „formelle Buch- bzw. Papierexistenz" führen und keinen wirklichen Wert aufweisen (BGE 107 III 134; 115 II 151; 116 II 585; Tuor/Schnyder/Schmid, Das Schweizerische Zivilgesetzbuch, 11. Aufl. 1995, S. 767). Dieser Gedanke kommt übrigens auch in Art. 118 Abs. 1 OR zum Ausdruck. Die Schuldbriefforderung entsteht daher erst in dem Moment, in welchem die Gläubigerstellung auf dem Schuldbrief und damit das Eigentum an demselben von einer vom Schuldbriefschuldner verschiedenen Person erworben wird. Das kann dadurch geschehen, dass der Schuldner durch Besitzanweisung den beim Forderungspfandgläubiger befindlichen Schuldbrief auf einen Dritten überträgt, womit dieser zum Drittpfand wird. Daneben kann die Pfandverwertung, zu deren Einleitung der Faustpfandgläubiger kraft des Pfandvertrages ermächtigt ist, zu einem Eigentumsübergang des Wertpapiers an den Ersteigerer führen und die Schuldbriefforderung zur Entstehung bringen (Simonius/Sutter, a.a.O., S. 271, N 68). Ausnahmsweise wird der Faustpfandgläubiger auch den Selbsteintritt erklären können und durch Ausübung dieses Rechts das Eigentum am Schuldbrief erstehen können und so die Schuldbriefforderung zur Entstehung bringen.

b) In casu sind die streitigen Eigentümerschuldbriefe von der Grundeigentümerin und Schuldnerin nicht an einen Dritten zu Eigentum übertragen worden. Die Rekursgegnerin behauptet auch nicht, sie habe durch Selbsteintritt die fraglichen Schuldbriefe erworben. Auch eine Faustpfandverwertung der Schuldbriefe hat bis anhin nicht stattgefunden. Unter diesen Umständen sind aber die in den Eigentümerschuldbriefen verbrieften (künftigen) Forderungen nicht entstanden. Deshalb stellen die eingereichten Schuldbriefe auch keinen Rechtsöffnungstitel über den in Betreibung gesetzten Betrag von Fr. 3 Mio. dar (ähnlich Staehelin, a.a.O., S. 261). Das gleiche gilt es auch bezüglich des geltend gemachten Zinses festzustellen. Da die Schuldbriefforderung nicht entstanden ist, sind auch keine Schuldbriefzinsen im Sinne von Art. 818 Abs. 1 Ziff. 3 ZGB geschuldet. Nach dem Gesagten hat die Vorinstanz die Rechtsöffnung zu Unrecht gewährt. Daher ist der angefochtene Entscheid aufzuheben und die Rechtsöffnung zu verweigern.

c) Ungeachtet dieser Ausführungen wäre bezüglich der in Betreibung gesetzten Zinsforderungen die Rechtsöffnung auch aus einem anderen Grunde zu verweigern. Die Rekursgegnerin verlangt auf den Schuldbriefforderungen Zinsen von 10% seit dem 15. Juni 1992.

Es ist richtig, dass die drei Schuldbriefe jeweils einen Maximalzinsfuss von 10% aufführen. Dieser Maximalzinsfuss gibt jedoch nur an, bis zu welcher Zinshöhe die Schuldbriefforderung durch das Grundpfand gedeckt ist. Eine solche Maximalhypothek entspricht meist nicht der wirklichen Zinsvereinbarung. Es handelt sich hierbei um eine Verpfändungserklärung und nicht um ein Schuldversprechen (Fritzsche/Walder, Schuldbetreibung und Konkurs, Bd. I, 1984, S. 258; BlSchKG 1992, S. 154; Staehelin, a.a.O., S. 1266). Die Rekursgegnerin legt keine separate, von der Schuldnerin unterschriebene Vereinbarung ins Recht, in welcher der konkrete Zinssatz festgelegt ist. Soweit die Rekursgegnerin diesbezüglich auf die „Spezielle Faustpfandverschreibung" vom 2. August 1992 verweist, nützt ihr das im vorliegenden Zusammenhang nichts. Auch in diesem Schriftstück ist nur geregelt, bis zu welcher Zinshöhe die Darlehens- und Kreditforderung durch das Faustpfand (und nicht das Grundpfand) gedeckt ist. Zudem wäre auch bei Annahme einer wirklichen Zinsvereinbarung in der Faustpfandverschreibung nicht die Verzinsung der verpfändeten Schuldbriefforderungen, sondern diejenige der Darlehens- und Kreditforderung (durch Faustpfand gesicherte Forderung) angesprochen. Diese sind aber nicht Gegenstand dieser Betreibung auf Grundpfandverwertung. Somit könnte sich die Rekursgegnerin auch bezüglich der Zinsen auf keinen gültigen Rechtsöffnungstitel berufen.

5. Zusammengefasst ergibt sich somit, dass der Rekurs gutzuheissen, der angefochtene Entscheid aufzuheben und die Rechtsöffnung zu verweigern ist.

(Beschluss vom 5. Dezember 1995; KG 255/95 RK 2).