EGV-SZ 1995

[Entscheide Nr. 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8, 9, 10, 11, 12, 13, 14, 15, 16, 17, 18, 19, 20, 21, 22, 23, 24]

 

A. GERICHTSPRAXIS

I. Verwaltungsgericht

1

Verfahren
Beiladung (§ 14 VRP).

– Zweck der Beiladung (Erw. 2). 
– Beiladungsinteresse. Verneint im Erwerbsbewilligungsverfahren gemäss Art. 61ff. des Bundesgesetzes über das bäuerliche Bodenrecht (BGBB) für einen Mitsteigerer im Zwangsverwertungsverfahren (Erw. 3).

Aus den Erwägungen:

2. Werden durch eine Verfügung oder einen Entscheid voraussichtlich schützenswerte Interessen eines Dritten betroffen, so kann ihn die Behörde auf sein Gesuch hin oder auf Antrag einer Partei oder von Amtes wegen als Nebenpartei in das Verfahren einbeziehen. Der Beigeladene kann im Verfahren Parteirechte ausüben; er kann Anträge nur zugunsten oder zu Lasten der Hauptparteien stellen. Die Verfügung oder der Entscheid wird auch gegenüber dem Beigeladenen rechtswirksam (§ 14 VRP).

Zweck der Beiladung ist es primär, die Rechtskraft des Entscheides auf Drittpersonen auszudehnen, die nicht Verfahrenspartei sind, durch den ausstehenden Entscheid aber voraussichtlich in ihren schützenswerten Interessen betroffen werden (VGE 539/92Z v. 12.5.1992, Erw. 2a; A. Kölz/I. Häner, Verwaltungsverfahren und Verwaltungsrechtspflege des Bundes, N 232). Die Rechtskraftausdehnung verhindert ein zweites Verfahren über den gleichen Streitgegenstand. Die Beiladung dient der Prozessökonomie, der Rechtssicherheit und den Interessen Dritter (Felix Huber, Die Beiladung, insbesondere im Zürcher Baubewilligungsverfahren, ZBl 1989, S. 234). Ein weiterer prozessökonomischer Aspekt kann darin liegen, dass eine beigeladene Partei zur Sachverhaltsabklärung Wesentliches beitragen kann (VGE 539/92Z v. 12.5.1992, Erw. 2a).

3. a) Vorliegend geht es darum, ob der Beschwerdeführerin (Bf) eine Erwerbsbewilligung im Sinne von Art. 61ff. BGBB zu erteilen ist oder nicht. Aus der Sicht des bäuerlichen Bodenrechts, auf welche hier das Verwaltungsgericht bei der Beurteilung alleine abzustellen hat, bedarf es bei diesem Streitgegenstand keiner Rechtskraftausdehnung auf Drittpersonen, welche sich ebenfalls um die fragliche Liegenschaft bemühen. Es geht hier nicht um eine Konkurrenzsituation, ob X. oder Y. die Erwerbsbewilligung erhält. Alle Personen, welche die Bewilligungsvoraussetzungen erfüllen, haben grundsätzlich Anspruch auf eine Bewilligung. Der Rechtsgrund für den Erwerb, den der Gesuchsteller mit der vorliegenden Intervention letztlich in Frage stellen möchte, wurde bzw. wird im Zwangsverwertungs- und nicht im Erwerbsbewilligungsverfahren gesetzt und allenfalls überprüft. Mit Ausnahme des eigenen Bewilligungsverfahrens hat somit ein Dritter kein schützenswertes Interesse, sich für eine rechtmässige und rechtsgleiche Bewilligungspraxis einzusetzen und dadurch allenfalls seine eigenen Erwerbsaussichten zu erhöhen. Dies ist Sache der zuständigen Behörden. Der Umstand, dass vorliegend die Erteilung bzw. Nichterteilung der Bewilligung für die Ersteigerin die Gültigkeit der Zwangsverwertung beeinflusst, vermag das Beiladungsinteresse jedenfalls nicht zu begründen. Die Auswirkungen der Erwerbsbewilligung sind bloss mittelbarer und indirekter Natur. Wird die Beschwerde gutgeheissen, ist die Steigerungsbedingung betr. Erwerbsbewilligung erfüllt, und insofern steht dem definitiven Erwerb der zwangsgesteigerten Alp für die Bf aus der Sicht des bäuerlichen Bodenrechts nichts mehr im Wege. Wird die Beschwerde abgewiesen, wird die Steigerungsbehörde eine neue Versteigerung anzuordnen haben (Art. 67 Abs. 2 BGBB), womit die Chancen der Mitsteigerer wieder intakt sind.

b) Der Gesuchsteller sieht sein Beiladungsinteresse darin, im Beschwerdeverfahren darauf hinwirken zu können, dass die Bf nachträglich keine Erwerbsbewilligung erhalte. Es liege in seinem Interesse, dass er an einer die Steigerungsbedingungen und Art. 230 OR (rechts- oder sittenwidrige Einwirkung auf Erfolg der Versteigerung) achtenden Steigerung mitbieten könne. Er habe es nicht zu dulden, wenn Personen, welche die Steigerungsbedingungen nicht erfüllen können, in unsittlicher Art und Weise den Steigerungspreis in die Höhe treiben würden.

Vorab ist zu vermerken, dass der Gesuchsteller es in der Hand gehabt hätte, das Angebot der Bf bei der Versteigerung zu überbieten. Stattdessen hat er bereits bei Fr. 71000.– aufgehört mitzusteigern. Nach diesem Angebot haben neben der Bf vier Personen weitergeboten. Falls der Gesuchsteller bei seinem Verzicht auf weitere Angebote darauf hoffte, dass der Zuschlag an die Bf aufgehoben werden wird, weil es an einer Erwerbsbewilligung bzw. am Erfordernis des ortsüblichen Bewirtschaftungsbereiches mangelt, so machte er diese Annahme auf eigenes Risiko hin. Im hier massgeblichen Art. 67 BGBB, auf welchen in den Steigerungsbedingungen ausdrücklich verwiesen wurde (VI-act. 8), geht nämlich unmissverständlich hervor, dass beim Zuschlag nicht zwingend eine rechtskräftige Erwerbsbewilligung vorliegen muss.

Soweit die Steigerungsbedingung in Ziffer 16 B, worin als generelle Festlegung des Volkswirtschaftsdepartementes der Bezirk X. als ortsüblicher Bewirtschaftungsbereich umschrieben wird, sich im Lichte des bäuerlichen Bodenrechts als falsch herausstellen sollte, sind daraus sich ergebende allfällige SchKG-rechtliche Fragen (Irreführung durch von der Bf nicht angefochtene Steigerungsbedingungen ?) nicht durch das Verwaltungsgericht zu beurteilen. In casu sind die Steigerungsbedingungen, auch wenn sie sich teilweise auf Angaben der Vorinstanz abstützen, wie auch die Steigerung selbst nicht von Belang. Mit einer allfälligen Beschwerdegutheissung greift das Verwaltungsgericht de jure auch nicht unmittelbar in das Zwangsverwertungsverfahren ein. Mit einem solchen Entscheid wird über die Gültigkeit der Steigerung nichts ausgesagt, sondern nur festgestellt, dass die für den Erwerb erforderliche Bewilligung gemäss Art. 61ff. BGBB erteilt ist. Daraus erhellt, dass sich die Rechtskraft des zu fällenden Beschwerdeentscheides nicht auf den Gesuchsteller ausdehnt. Im vorliegenden Verfahren wird letzterer nicht in seinen schützenswerten Interessen betroffen.

c) Aus Gründen der Sachverhaltsermittlung bedarf es der Beiladung mit Bestimmtheit ebenfalls nicht.

d) Würde man dem Beiladungsbegehren stattgeben, so müsste man aus Gründen der prozessualen Gleichbehandlung (F. Huber, a.a.O., S. 249) auch die übrigen Mitsteigerer ins Verfahren als Nebenparteien beiladen. Dies würde das Verfahren unnötigerweise verkomplizieren und in die Länge ziehen, ohne dass irgendwelche prozessökonomische Vorteile darin zu erkennen wären. Schliesslich müsste man inskünftig auch Beiladungen in Betracht ziehen, wenn entsprechende Erwerbsbewilligungsverfahren vor der Versteigerung oder einer anderen Veräusserungsart stattfinden, dies mindestens für jene Personen, welche sich glaubhaft als Mitkonkurrenten des Gesuchstellers zu erkennen geben. Dass solche prozessualen Vorkehren nichts mehr mit dem eigentlichen Sinn und Zweck der Beiladung gemein hätten, braucht nicht näher dargelegt zu werden.

e) Ist mithin die das Beiladungsbegehren aus grundsätzlichen Erwägungen schon abzulehnen, ist nicht abzuklären, ob der Gesuchtsteller, wie er unbelegt geltend macht, selber über eine Erwerbsbewilligung verfügt oder bei entsprechendem Gesuch verfügen könnte. Müsste man diese Frage verneinen, wäre das Beiladungsbegehren auch aus diesem Grunde abzuweisen.

(VGE 594/957 vom 20. Juli 1995).

 

2

Verfahren

– Ausstand (§§ 52ff. GO) in Baubewilligungsverfahren: Kein Ausstandsgrund für Gemeinderat, wenn Stiftung Bauherrin und die Gemeinde als Stifterin massgeblich involviert ist.

Aus den Erwägungen:

3. Die Bf I beantragen wie vor dem Regierungsrat, dass eine andere, unbefangene Behörde als der Gemeinderat X. zur Beurteilung eingesetzt werden müsse. Diesem Ansinnen ist nicht zu entsprechen. Es ist zwar nicht zu verkennen, dass die Gemeinde X. als Stifterin von 60% des Stiftungsvermögens sowie ihr Exekutivorgan, der Gemeinderat, mit der Stiftung rechtlich und tatsächlich eng verbunden sind (Bestellung von 6 der 9 Stiftungsratsmitglieder, uneingeschränkte Defizitgarantie durch die Gemeinde, Sitz bei der Gemeinde, kommunale RPK als Rechnungsprüfungskommission der Stiftung). Gemäss konstanter Rechtsprechung muss der Gemeinderat jedoch selbst dann nicht in den Ausstand treten, wenn die Gemeinde als Bauherrschaft auftritt, da er nicht private, sondern öffentliche Interessen wahrnimmt (VGE 562/79 v. 13.9.79).

(VGE 593/600/95 vom 23. August 1995).

 

3

Verfahren

– Nichteintreten wegen Verletzung von Mitwirkungspflichten (im Invalidenversicherungsrecht).

Aus den Erwägungen:

1. Im IV-rechtlichen Verwaltungsverfahren gelten der Untersuchungsgrundsatz und das Prinzip der Rechtsanwendung von Amtes wegen. Der Untersuchungsgrundsatz besagt, dass die Verwaltung von sich aus für die richtige und vollständige Abklärung des rechtserheblichen Sachverhalts zu sorgen hat, und nach dem Prinzip der Rechtsanwendung von Amtes wegen ist sie verpflichtet, auf den festgestellten Sachverhalt jenen Rechtssatz anzuwenden, den sie als den zutreffenden ansieht, und ihm auch die Auslegung zu geben, von der sie überzeugt ist. Die beiden erwähnten Grundsätze gelten nicht uneingeschränkt. Sie werden durch die verschiedenen Mitwirkungspflichten des Leistungsansprechers ergänzt (vgl. BGE 116 V 26, Erw. 3c, mit Hinweisen). Die Mitwirkungspflicht bedeutet: Die Person, die aus einem Begehren gegenüber dem Sozialversicherungsträger Rechte ableitet oder zur Auskunft verpflichtet ist, hat bei der Feststellung des Sachverhaltes mitzuwirken (vgl. Thomas Locher, Grundriss des Sozialversicherungsrechts, Rz 8 zu § 53, S. 327). Die Auskunftspflicht des Versicherten wird in Art. 71 Abs. l der Verordnung über die Invalidenversicherung (IVV) geregelt.

Verweigert der Versicherte schuldhaft die notwendige und zumutbare Mitwirkung, kann der Sozialversicherungsträger grundsätzlich aufgrund der Akten beschliessen (vgl. Art. 73 IVV) oder er kann auf das Gesuch nicht eintreten (vgl. Locher, a.a.O, Rz 9 mit Hinweisen auf BGE 108 V 230f Erw. 2 und ATSG-E 51/3). Wann die Verwaltung bei schuldhafter Unterlassung der notwendigen und zumutbaren Mitwirkung einen Nichteintretensentscheid oder einen materiellen Entscheid aufgrund der vorhandenen Akten fällen kann, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab. Lässt sich beispielsweise der Sachverhalt ohne Schwierigkeiten und ohne besondern Aufwand abklären, auch wenn der Gesuchsteller die Mitwirkung verweigert oder unterlässt, so wird die Verwaltung die betreffenden Erhebungen zu tätigen und anschliessend materiell zu entscheiden haben. Unter Umständen können auch schützenswerte Interessen Dritter ein solches Vorgehen erfordern (so etwa das Interesse der Ehefrau an der IV-Rente des die Mitwirkung verweigernden Ehemannes, vgl. BGE 108 V 232f.). Umgekehrt wird sich ein Nichteintreten insbesondere dann aufdrängen, wenn es um Tatsachen geht, die nur dem Gesuchsteller bekannt sein können oder über die er am besten Bescheid weiss, oder die nur mit unverhältnismässig hohem Aufwand (ohne Mitwirkung des Versicherten) möglicherweise anderswo abgeklärt werden können (vgl. dazu BGE v. 19. 1.1995 i.Sa. P., Erw. 3b i.V.m. ASA 48, 441, Erw. 2c, S. 444; vgl. auch Rhinow/Krähenmann, Schweiz. Verwaltungsrechtsprechung, Ergänzungsband 1990, Nr. 88 B II, S. 298f.).

(VGE 167/94 vom 15. Februar 1995).

 

4

Planungs- und Baurecht
Zone öffentlicher Bauten und Anlagen:

– Zweck, Zonenkonformität für Alterswohnungen bejaht (Erw. 5).
– Grenz- und Gebäudeabstand (Erw. 7).
– Eingliederung (Erw. 8a,e,f).

Aus den Erwägungen:

5. a) Die Zone öffentlicher Bauten und Anlagen ist für öffentliche Bauten und Anlagen wie Kindergärten, Schulhäuser, kirchliche Bauten, Friedhöfe, P+R-Anlagen und den dazugehörigen Infrastrukturanlagen usw. bestimmt (Art. 47 Abs. 1 BauR). Der Gemeinderat sieht die Zonenkonformität einerseits darin bestätigt, als der Bedarf aufgrund detaillierter Abklärungen ausgewiesen, und anderseits die erforderliche Infrastruktur für die geplanten Alterswohnungen im bestehenden Alters- und Pflegeheim bereits in ausreichender Kapazität vorhanden sei (Bewillungsentscheid v. 5.6.1994).

b) Der Regierungsrat hat diesen Entscheid geprüft und mit einlässlicher und überzeugender Begründung bestätigt. Von Seiten des Gerichts ist folgendes anzumerken:

– Das Allgemeininteresse an Alterswohnungen sowie der konzeptionelle und bauliche Bezug zum bestehenden Alters- und Pflegeheim sind klar ausgewiesen (vgl. angef. RRB, S. 17).

– An sich bedarf es im Rahmen eines Baubewilligungsverfahrens keines speziellen Bedarfsnachweises. Wenn ein Gemeinwesen ein Schulhaus, ein Spital oder eine Verwaltungsbaute erstellt, obgleich der Bedarf hiefür fraglich erscheint, sind und bleiben diese allenfalls nicht ausgelasteten Bauten zonenkonform. Bei Alterswohnungen ist die Ausgangslage insofern etwas anders, als solche Bauten ohne weiteres auch an Nichtbetagte vermietet werden können, womit nicht mehr öffentliche Bedürfnisse abgedeckt würden. Insofern ist es richtig, dass der Bedarf auszuweisen ist, wobei an diesen Beweis naturgemäss keine allzu hohen Anforderungen gestellt werden können. Es ist im konkreten Falle auch vertretbar, wenn die Durchsetzung der zweckkonformen Nutzung zusätzlich mittels einer Auflage sichergestellt wird, obgleich die Bewilligungspflicht einer Zweckänderung (mindestens theoretisch) Schutz vor einer unzulässigen Zonennutzung bietet.

– Das Gericht vertritt die Meinung, dass es durchaus noch im Rahmen eines öffentlichen Bedürfnisses liegen würde, wenn in sog. Alterswohnungen nicht nur betagte Personen, sondern beispielsweise dauernd auch junge Familien wohnten, um so der Ghettowirkung von Alterssiedlungen entgegenzusteuern. Allerdings wäre in diesem Fall v.a. beim Bedarf von Parkierungs- und Erholungs-/Spielflächen entsprechend Rechnung zu tragen.

c) Die beschwerdeführerischen Einwände vermögen die Zonenkonformität nicht in Frage zu stellen. Soweit erforderlich, ist ergänzend folgendes anzuführen:

– Der Umstand, dass ein Betagtenheim auch schon in der Einfamilienhauszone zugelassen worden ist (EGV-SZ 1992, Nr. 50), lässt nicht e contrario den Schluss zu, dass Alterswohnungen in der Zone für öffentliche Bauten und Anlagen nicht konform wären. Wenn sich beispielsweise Schulen, öffentliche Verwaltungen etc. ausserhalb der öffentlichen Zone einmieten, schliesst dies auch nicht die Zonenkonformität in der öffentlichen Zone aus.

– Da private Trägerschaften unbestrittenermassen auch öffentliche Interessen wahren können, ist es auch zulässig, dass solche Trägerschaften öffentliche Bauten in der Zone Oe erstellen (vgl. auch Zaugg, Kommentar zum Baugesetz des Kantons Bern vom 9. Juli 1985, S. 403f.).

– Nicht zu beanstanden ist, dass in der Bedarfsabklärung vom 22. Oktober 1992/Februar 1994 auf die demografische Entwicklung und die Szenarien der Bevölkerungsentwicklung abgestellt wird. Selbst wenn der Spitex-Ausbau zunehmend und die „Heimeuphorie" abnehmend ist, erscheint die Annahme, dass 7% der über 65 Jahre alten Personen in einer Alterswohnung wohnen werden, vertretbar. Es gilt zu bedenken, dass gerade Alterswohnungen, für die im Bedarfsfalle die Infrastrukturen eines Alters- und Pflegeheimes zur Verfügung stehen, eine sinnvolle und attraktive Alternative zwischen Eigenständigkeit und Betreuung darstellen.

– Die Zonenkonformität ist eine Rechtsfrage. Dem Verwaltungsgericht steht diesbezüglich eine uneingeschränkte Kognition zu (§ 55 Abs. 1 VRP). Der Regierungsrat geht vorliegend jedoch von autonomem kommunalem Baurecht aus, weshalb er sich bei der Überprüfung eine gewisse Zurückhaltung auferlegte (§ 46 Abs. 2 VRP). Ob dies bei der Frage, welche Interessen und Zwecke in öffentlichen Zonen verfolgt werden dürfen, auch zutrifft, kann dahingestellt bleiben. Selbst wenn das kantonale Recht in § 18 Abs. 2 lit. e PBG diesbezüglich Mindestanforderungen vorsehen sollte, ist auch bei voller Überprüfungszuständigkeit die Zuweisung von Alterswohnungen in die öffentliche Zone nicht zu beanstanden. Eine allfällige Gehörsverweigerung wäre damit durch das vorliegende Beschwerdeverfahren geheilt.

7. a) Für Bauten in der Zone für öffentliche Bauten und Anlagen (Zone Oe) gelten die baugesetzlichen Grenz- und Gebäudeabstände (Art. 47 Abs. 2 BauR). Es sind dies für Hochbauten bis und mit 15 m Gebäudehöhe 50% der Gebäudehöhe als Grenzabstand, mindestens aber 3 m

(§ 60 Abs. 1 PBG). Als Gebäudehöhe gilt das Mass vom ausgemittelten gewachsenen Boden in der Fassadenmitte bis zum Schnittpunkt der Fassade mit der Dachhaut, bei Flachdächern bis zur Oberkante des Dachabschlusses (§ 60 Abs. 2 PBG). Nicht berücksichtigt werden das Attikageschoss und die Dachbrüstung, sofern sie mindestens um das Mass ihrer Höhe von der Fassadenmitte zurückversetzt sind (§ 60 Abs. 3 lit. c PBG). Der Gebäudeabstand ist die kürzeste Entfernung zwischen zwei Fassaden; er entspricht der Summe der Grenzabstände gemäss §§ 59ff. PBG.

Gebäude- und Firsthöhe, Geschosszahl und Ausnützungsziffern sind nicht beschränkt. Das alte Baureglement sah dagegen noch folgende Einschränkungen vor (Art. 40 Abs. 2 und 3):

„2 Für Bauten gelten gegenüber privaten Nachbargrundstücken die Grenz- und Gebäudeabstände von Art. 23. Die Gebäudehöhe ist von Fall zu Fall festzulegen, wobei auf eine gute Einfügung in die Nachbarschaft, das Orts- und Landschaftsbild zu achten ist. Der Erhaltung ausreichender Grünflächen ist alle Aufmerksamkeit zu schenken.    
3 Gegenüber privaten Nachbarparzellen finden für diese Parzellen vorgeschriebene Mehrlängen- und Mehrhöhenzuschläge Anwendung."

Im Musterreglement des Justizdepartementes (1988) wird in diesem Sinne ebenfalls vorgeschlagen, dass sich die Bauten in ihrer Grösse der angrenzenden Überbauung anzupassen hätten, und dass gegenüber angrenzenden Wohnzonen deren Abstandsbestimmungen anzuwenden seien (S. 28). Noch im Reglementsentwurf vom Juli 1989 war denn auch vorgesehen, dass die Gebäudehöhe maximal das Mass der Wohnzone 3 betragen dürfe (Art. 71 Abs. 2), und dass gegenüber privaten Nachbarparzellen die für diese Parzellen vorgeschriebenen Mehrlängen- und Mehrhöhenzuschläge Anwendung finden müssten (Art. 71 Abs. 3). In der geltenden Zonenvorschrift ist von einer speziellen Rücksichtnahme gegenüber den privaten Nachbarparzellen jedoch nicht mehr die Rede. Gegen die Beeinträchtigungen der Belichtung, Besonnung und Aussicht durch öffentliche Bauten schützen unmittelbar nurmehr die bereits dargelegten „baugesetzlichen" Grenz- und Gebäudeabstände (Art. 47 Abs. 2 BauR). Der Gemeindesouverän hat somit im Wissen darum, dass die vorliegende Zone für öffentliche Bauten und Anlagen nordseits direkt an die unterliegende Einfamilienhauszone (Bf I) angrenzt, dereguliert und Baubeschränkungen abgebaut, was von den rechtsanwendenden Behörden zu respektieren ist, soweit das Einordnungsgebot (vgl. hinten Erw. 8), welches primär eine im Interesse der Allgemeinheit (BGE 118 Ia 235) befriedigende Gesamtwirkung anstrebt und somit höchstens indirekt geltende Abstandsvorschriften verschärfen und fehlende Höhenbeschränkungen ersetzen kann, nicht verletzt wird.

b) Die massgeblichen Gebäude- und Grenzabstände sind vorliegend nicht verletzt. (…)

8. a) Bauten müssen sich so in die Umgebung eingliedern, dass sie das Landschafts-, Orts-, Quartier- und Strassenbild nicht stören (§ 56 Abs. 1 PBG). Im kommunalen Reglement wird eine befriedigende Gesamtwirkung verlangt (Art. 8 Abs. 2 BauR). An die Gestaltung von Bauten und Anlagen sowie deren Umgebung werden erhöhte Anforderungen z.B. an exponierten Hanglagen, im Sichtbereich von künstlerisch und geschichtlich wertvollen Stätten, Bauten und Anlagen sowie in besonders schönen Landschaften und bei Strassen, die das Strassen-, Platz- oder Landschaftsbild wesentlich beeinflussen, verlangt (Art. 9 lit. b), c) und d BauR).

e) In VGE 512/89 v. 18.4.1989 (= EGV-SZ 1989, Nr. 16), hielt das Verwaltungsgericht fest, den Gebäudetypus der öffentlichen Baute gebe es nicht. Man könne allenfalls darunter die grundsätzliche Zulässigkeit von dominierenden Repräsentationsbauten verstehen. Fehlten richtungsgebende Zonenvorschriften, so sei der Bezug zur bestehenden und/oder allenfalls zur vorgesehenen zonengerechten Überbauung erforderlich. Im Bereich der Zonengrenze werde es sich zwar rechtfertigen, dass die entsprechenden nachbarlichen Zonenvorschriften mitberücksichtigt werden. Ist das angrenzende Gebiet überbaut, würde es jedoch dem Einordnungsgebot widersprechen, den vorhandenen Baubestand völlig zu ignorieren. Eine abstrakte Zonenordnung würde vor allem in unüberbauten Gebieten oder in überbauten Gebieten, die man durch eine Umzonung in Zukunft bewusst verändern will, hauptsächliches Kriterium sein. Eine bestehende öffentliche Baute und der damit verkörperte Baustil sei eine mitzuberücksichtigende Tatsache. Wenn die öffentliche Zone keine Gebäudehöhen und Geschosszahlbeschränkung kenne, sei die dominante Bauweise unter Vorbehalt der erhöhten ästhetischen, orts- und landschaftschützerischen Anforderungen grundsätzlich zulässig.

Für den vorliegenden Fall ergibt sich im Rahmen der Einordnungsfrage, dass:

– einerseits sowohl die bestehende Bausubstanz als auch die aktuellen Zonenvorschriften der angrenzenden Zonen mitzuberücksichtigen sind,

– anderseits aber der Umstand des nordseitigen „Aufeinanderprallens" der nutzungsintensiven öffentlichen Zone mit der nutzungsextensiven Einfamilienhauszone und der damit verbundenen gegenläufigen Interessenlage zwischen Bauherrschaft und Einfamilienhausbesitzer nicht zu einer Vereitelung oder gewichtigen Beeinträchtigung der öffentlichen Zweckverfolgung führen darf (Verhältnismässigkeitsprinzip, vgl. Haller/Karlen, Raumplanungs- und Baurecht, S. 142 N 36), zumal der Souverän mit seiner Einzonung und Reglementierung gewisse Zielkonflikte in Kauf genommen hat, was auch von den betroffenen Grundeigentümern, insbesondere denjenigen der Einfamilienhäuser, zu akzeptieren ist (vgl. vorn Erw. 7a),

– im übrigen, je dominanter die öffentliche Baute in Erscheinung tritt, desto höher die ästhetischen, orts- und landschaftsschützerischen Anforderungen sind.

Mit der Einordnungsfrage nicht gleichzusetzen ist hingegen – wie in Erwägung 7a bereits angesprochen – die konkrete Beeinträchtigung der Sonnen- und Lichteinwirkung auf die angrenzenden Parzellen. Dies ist primär eine Frage des nachbarschützenden Grenzabstandes. Der Grenzabstand wird aber in den Zonenvorschriften zur öffentlichen Zone geregelt und ist in casu deutlich über das Minimum hinaus eingehalten.

f) Aufgrund der Akten und des Augenscheinergebnisses gelangt das Gericht zur Überzeugung, dass die projektierte Baute dem Einordnungsgebot rechtsgenüglich entspricht.

Dies gilt zunächst klarerweise in bezug auf die angrenzende östliche und westliche Bausubstanz (Alters- und Pflegeheim [3geschossig mit Attikageschoss, Zone Oe] und Mehrfamilienhaus [grösstenteils 3geschossig, gestaffelt, Zone W3]. Der projektierte Alterswohnungenbau entspricht im wesentlichen nicht nur höhenmässig, sondern auch gestalterisch den angrenzenden Bauten (v.a. dem Alters- und Pflegeheim; das Mehrfamilienhaus verfügt ebenfalls über ein Flachdach). Dass die Nordfassaden nicht auf einer gemeinsamen Fluchtlinie stehen, vermag die Gesamtwirkung nicht zu beeinträchtigen. Der Bau mit den Alterswohnungen reicht ca. 1.5 m bzw. ca. 7 m weiter nach Norden als das Mehrfamilienhaus bzw. die Hauptfassade des bestehenden Alters- und Pflegeheimes, dagegen liegt das gegen Norden ansteigende mit einem (nicht dominanten) Turm abschliessende Kapellengebäude des Pflegeheimes deutlich näher bei der Einfamilienhauszone. So erweist sich die konkrete Bausituierung als vertretbare Lückenfüllung zwischen der östlichen und westlichen Bausubstanz.

Die südliche, jenseits der Dorfstrasse gelegene, sich in der W2 befindliche Bausubstanz tritt gegenüber der öffentlichen Zone dreigeschossig mit Dachgeschoss in Erscheinung (UG, 2 Vollgeschosse, DG). Auch diesbezüglich ist eine Verletzung des Einordnungsgebotes nicht erkennbar.

Problematischer ist die Nahwirkung auf die nordseits tiefergelegenen Einfamilienhausparzellen der Bf I. Eine gewisse Dominanz und Exponiertheit des umstrittenen Bauprojektes zu Lasten dieser Einfamilienhauszone ist nicht zu übersehen. Dieser Umstand ist aber in erster Linie auf den rechtspolitischen Entscheid des Gemeindesouveräns mit der Annahme des Zonenplans und der reglementarischen Zonenvorschriften zurückzuführen und zu akzeptieren. Eine Reduzierung der Geschosszahl und/oder eine für die Einordnung ins Gewicht fallende massgebliche Verschiebung des Baus nach Süden wäre in Anbetracht der konkreten Sach- und Rechtslage unverhältnismässig. Die Reduktion der Geschosszahl würde auf seiten der Grundeigentümerin eine erhebliche Eigentumsbeschränkung bewirken, die Einordnung aber insgesamt (wenn überhaupt) nur unwesentlich verbessern, zumal die verbesserte Belichtung und Besonnung der benachbarten Einfamilienhausparzellen nicht mit einer verbesserten Einordnung gleichzusetzen ist. Die Verschiebung des Baus nach Süden hätte zur Folge, dass im Gegenzug die Parkplätze nach Norden zu verschieben wären. Die Erschliessung der Parkfelder müsste dann statt wie bisher über die Dorfstrasse rückwärtig über die Schulhausstrasse und über eine über privaten Grund neu zu erstellende Strasse erfolgen. Diese Erschliessungsvariante ist konzeptionell wenig sinnvoll, da sich die Haupterschliessung klarerweise von der Dorfstrasse her aufdrängt. Sie hätte zudem eine immissionsmässige Belastung des Wohngebietes zur Folge und ihre Realisierbarkeit innert nützlicher Frist erschiene fraglich (rechtliche Sicherstellung). Die Erstellung einer Tiefgarage unter den Alterswohnungen würde das Bauvorhaben unverhältnismässig verteuern. Schliesslich würde eine Verschiebung nach Süden technische und subventionsrechtliche Probleme für die Rollstuhlrampe bewirken (Gefälle). Die weiteren Argumente der Bf vermögen im übrigen nicht zu überzeugen. Von einer Riegelwirkung kann nicht die Rede sein. Die Nordfassade ist weniger als 30 m lang und zwischen der östlichen und westlichen Bausubstanz liegt genügend Freiraum. Ob das aufgeschüttete Terrain nach wie vor als Fremdkörper wirkt oder nicht, ist nicht massgeblich. Weder eine Reduktion der Geschosszahl noch eine Verschiebung des Baukörpers nach Süden ändert daran etwas. Die Dominanz des Baukörpers wird nicht durch die Aufschüttung hervorgerufen. Auch ohne Aufschüttung könnte das vorliegende Projekt abstands- und einordnungsmässig realisiert werden. Insgesamt erweist sich das Bauprojekt auch aus nördlicher Sicht als eingeordnet. Soweit die raumplanerische, vom Gemeindesouverän geschaffene Ausgangslage es zulässt, wird es den erhöhten Anforderungen gemäss Art. 9 BauR gerecht.

Die Fernwirkung der umstrittenen Baute ist zu vernachlässigen, da nordseits eine bewaldete Hügelzone die Einsicht verhindert. Ein Bezug zur Dorfkirche ist nicht auszumachen, was beim gerichtlichen Augenschein allseitig anerkannt wurde.

Die Vorinstanzen haben somit zu Recht die Einordnung als rechtsgenüglich qualifiziert. Der Regierungsrat hat sich dabei keine unzulässige Kognitionsbeschränkung auferlegt.

(VGE 593/95 und 600/95 vom 23. August 1995).

 

5

Planungs- und Baurecht

– Gewässerabstand (§ 66 Abs. 1 PBG): Gesetzeslücke betreffend in Wasserzonen hineinragende Bauzonen. Bauverbot aufgrund analoger Anwendung von § 66 Abs. 1 PBG.

Aus den Erwägungen:

2. Die fragliche Schiffshütte befindet sich unbestrittenermassen in der Bauzone (W3)… Mit Wasserfahrzeugen direkt befahrbare Bootshäuser liegen naturgemäss zumindest teilweise – so auch im vorliegenden Falle – in der Wasserzone, da eine Bespülung des Grundes einer Schiffshütte auf der Höhe des mittleren Wasserstandes erforderlich ist. (Die Wasserzone umfasst das vom Wasser bespülte Gebiet, gleichgültig, ob es sich um öffentlichen oder privaten Strandboden handelt. Als Grenze der Wasserzone gilt die Vermarkung. Wo diese seewärts vom mittleren Wasserstand verläuft, gilt der mittlere Wasserstand als Grenze. Der mittlere Wasserstand betrug in der Periode 1951–93 gemäss Hydrologischem Jahrbuch der Schweiz, 1993, S. 72, 405.92 m ü. M. Im Baueingabeplan v. 29.3.1993 liegt die OK Ufermauer 407.27 m ü. M. und ca. 1.5 m über dem dort eingezeichneten Wasserstand. Somit ist erstellt, dass der Grund der Schiffshütte bei mittlerem Wasserstand mit Wasser bespült wird.) Raumplanerisch gehören Gewässer aber nicht in Bau-, sondern Schutzzonen (Art. 17, 15 RPG; Ausnahme bei speziellen Zonen wie beispielsweise für zentrale Bootsstationierungs- und/oder Quaianlagen). See- und Flussufer wiederum sind wenn möglich freizuhalten (Art. 3 Abs. 2 lit. c PBG). Ihre Zuweisung in die Bauzone ist im Kanton Schwyz indes weitverbreitet, was inskünftig aber nurmehr in differenzierter Form zugelassen werden sollte (EGV-SZ 1993, S. 42). Vor diesem Hintergrund ist die heutige kantonale Gewässerabstandsregelung in § 66 Abs. 1 PBG zu sehen, welche verlangt, dass Bauten und Anlagen gegenüber Seen einen Mindestabstand von 20 m ab Grenze der Wasserzone gemäss § 2 der Seeuferschutzverordnung (nGS 741) einzuhalten haben. Als der Regierungsrat am 30. Juli 1991 die Seeuferverordnung vom 16. August 1978 teilweise aufhob, so insbesondere die Schutzbestimmungen für die Wasser- und Uferzone und das Ausnahmebewilligungsverfahren, war einerseits seit 1. September 1989 § 66 Abs. 1 PBG in Kraft, anderseits galten und gelten seit 1. Januar 1980 die strengen bundesrechtlichen Voraussetzungen für Ausnahmebewilligungen ausserhalb der Bauzone (Art. 24 RPG). Die bestehende Rechtslage machte die Schutzbestimmungen und das Ausnahmebewilligungsverfahren gemäss Seeuferverordnung derart augenfällig überflüssig, dass man leicht übersehen konnte, dass ausnahmsweise Wasserzonen geringfügig auch Bauzonen zugeschlagen werden können. Auf diesen Tatbestand nimmt § 66 Abs. 1 PBG (Gewässerabstand) in Verbindung mit § 73 PBG klarerweise keinen Bezug. Diese Lücke wird auch durch andere Bestimmungen nicht gefüllt. Allfällige einzuhaltende Grenzabstände im Wasserbereich sind rein zufällig, sie garantieren keine genügende koordinierte und lückenfreie Regelung des Ufer- und Gewässerschutzes. Auch die kantonale Natur- und Heimatschutzverordnung vermag den Regelungsbedarf nicht genügend zu decken („bedeutender Schönheitswert" als Voraussetzung, § 1 NHV nGS 740). Ebenso bietet die Strandbodenverordnung nur geringe Möglichkeiten, die Gewässer aus raumplanerischer und baupolizeilicher Sicht zu schützen, zumal diese kantonsrätliche Verordnung sich auf § 59 des Wasserrechtsgesetzes stützt, welche dem Kantonsrat die Verordnungskompetenz betreffend die Nutzung des öffentlichen Strandbodens sowie die Baggerungen und Materialentnahmen im Bereich von Gewässern einräumt. Auch der Planungsgrundsatz, dass See- und Flussufer freigehalten und öffentlicher Zugang und Begehung erleichtert werde (Art. 3 Abs. 2 lit. c RPG) vermag kein generelles, nur ausnahmsweise nicht zu beachtendes Bauverbot von ufernahem in der Bauzone befindlichem Seegebiet zu begründen. Bei den Planungsgrundsätzen handelt es sich nicht um einzelne Verhaltensnormen, sondern um Wertungsgesichtspunkte, die nicht frei von Widersprüchen zueinander sind (z.B. im Verhältnis zu Art. 3 Abs. 4 RPG: Planungsgrundsatz, der sachgerechte Standort für öffentliche oder im öffentlichen Interesse liegende Bauten und Anlagen). Es liegt somit eine echte, ausfüllbare Gesetzeslücke vor. Die fehlende Regelung für die sich in der Bauzone befindlichen Wasserzonen ist nicht nur rechtspolitisch unbefriedigend, sie bewirkt – mit Ausnahme von auf den Ufer-/Wasserbereich zugeschnittenen Sonderbauzonen – eine unsinnige Privilegierung der Wasserzone (vgl. auch Rhinow/Krähenmann, Verwaltungsrechtsprechung, Ergänzungsband, Nr. 23 B 3 c) und eine mangelhafte Koordinierung mit der angrenzenden Uferzone. Sie ist in dem Sinne auszufüllen, dass für in die Wasserzonen hineinreichende Bauzonen (mit Ausnahme der bereits erwähnten Sonderbauzonen) analog zu § 66 Abs. 1 PBG ein Bauverbot besteht, von welchem – vom Wiederaufbaurecht abgesehen – nur gestützt auf § 73 PBG in Form einer Ausnahmebewilligung abgewichen werden darf.

(VGE 602/95 vom 23. August 1995).

 

6

Planungs- und Baurecht

– Zonenplanrevision: Entlang von stark befahrenen Strassen dürfen grundsätzlich keine reinen Wohnzonen neu ausgeschieden werden.

Aus den Erwägungen:

3. a) Das Verwaltungsgericht erachtet es als wichtigen raumplanerischen Grundsatz, entlang von stark befahrenen Strassen (mit entsprechend hoher Lärmbelastung) keine reine Wohnzone neu zu schaffen (dies jedenfalls dann, wenn nicht gleichzeitig durch flankierende Massnahmen die Lärmbelastung des angrenzenden Gebietes massiv herabgesetzt werden kann, z.B. durch Lärmschutzwände, „Überdachung" usw., vgl. dazu beispielsweise das Projekt in der Gemeinde Altendorf zur „Überdachung" eines Teilstückes der Autobahn). Dieser Planungsgrundsatz basiert u.a. auf Art. 3 Abs. 3 lit. b RPG, wonach Siedlungen nach den Bedürfnissen der Bevölkerung so zu gestalten sind, dass Wohngebiete vor schädlichen oder lästigen Einwirkungen wie Luftverschmutzung, Lärm und Erschütterungen möglichst verschont werden.

b) Dem dargelegten Planungsgrundsatz wurde bisher insoweit nachgelebt, als im betreffenden Gebiet die erste Bautiefe entlang der vielbefahrenen Nordstrasse (N4-Zubringer) gemäss Zonenplan von 1984 der Gewerbezone zugewiesen ist.

In der laufenden Zonenplanrevision soll von diesem Planungsgrundsatz abgewichen werden, indem die südlich an die erwähnte Gewerbezone angrenzende Wohnzone W3 bis zur Nordstrasse ausgedehnt werden soll (bzw. die bisherige Gewerbezone in eine reine Wohnzone W3 umgezont werden soll). Flankierende Massnahmen, welche die durch den Verkehr der Nordstrasse verursachte Lärmbelastung des betreffenden Anrainerareals erheblich reduzieren könnten, sind nach den vorliegenden Akten nicht vorgesehen. (…)

(VGE 604/95 vom 23. August 1995).

 

7

Planungs- und Baurecht

– Entschädigung aus Enteignung eines Durchfahrtsrechts gemäss § 41 PBG.

Aus dem Sachverhalt:

A. ist Eigentümer der Liegenschaften Z, welche weitgehend als Bauland eingezont und nördlich der Y-Strasse (im Eigentum von B.) gelegen sind. A. stellte beim Gemeinderat X. ein Gesuch um Erschliessungshilfe im Sinne von § 41 PBG. Mit Beschluss vom 13. April 1992 enteignete der Gemeinderat X. gestützt auf § 41 PBG zugunsten der Parzellen Z. und zu Lasten des Strassengrundstückes Y. die erforderlichen Erschliessungsrechte über die Y-Strasse. Dieser Beschluss erwuchs unangefochten in Rechtskraft.

In der Folge beauftragte der Gemeinderat X. die Schatzungskommission des betreffenden Bezirkes, die Entschädigung für die enteigneten dinglichen Durchgangsrechte festzulegen. Diese Schatzungskommission verfügte am 30. Nov. 1993 u.a., dass A. an B. eine Entschädigung in Höhe von Fr. … zu bezahlen habe. Gegen diesen Schatzungsentscheid liess B. beim Verwaltungsgericht Klage erheben.

Aus den Erwägungen:

1. Der Schatzungsentscheid vom 30. Nov. 1993 enthielt in Dispositiv-Ziffer 6 eine Rechtsmittelbelehrung. Darnach kann dieser Schatzungsentscheid gestützt auf § 3 der Vollzugsverordnung zum Enteignungsrecht innert 20 Tagen seit Zustellung durch Klage beim Verwaltungsgericht angefochten werden.

Diese Rechtsmittelbelehrung ist aus den folgenden Gründen zutreffend. Im Zusammenhang mit dem Erlass des kantonalen Planungs- und Baugesetzes (PBG) vom 14. Mai 1987 wurde im Abschnitt „III. Erschliessung" neu u.a. eingeführt, dass der Gemeinderat interessierten Drittpersonen unter bestimmten Voraussetzungen gegen Bezahlung voller Entschädigung die Mitbenützung bestehender privater Erschliessungsanlagen ermöglichen kann, nötigenfalls durch Enteignung der erforderlichen Rechte zugunsten der interessierten Dritten (vgl. § 41 PBG). Nach § 41 Abs. 3 Satz 1 PBG wird die Entschädigung, sofern sich die Beteiligten nicht einigen können, auf Begehren eines Beteiligten von der nach dem Enteignungsrecht zuständigen Schätzungskommission festgesetzt.

Aus der Entstehungsgeschichte von § 41 PBG ergibt sich, dass – im Vergleich zum ursprünglichen Entwurf (= RRB Nr. 224 v. 1.2.1983) – lediglich die Regelung der Voraussetzungen für eine Mitbenützung durch Dritte eine Änderung erfuhr (indem als Ergebnis der Vernehmlassung in § 41 Abs. l PBG als alternative Voraussetzung „oder zweckmässige technische Lösung" eingefügt wurde, vgl. Vorlage an den Kantonsrat). Was den Rechtsweg betreffend § 41 PBG anbelangt, ist (wenn man von der Zuständigkeit des Gemeinderates für den Erlass einer Verfügung im Sinne von § 41 Abs. 1 und 2 PBG sowie von der Zuständigkeit der nach dem Enteignungsrecht massgeblichen Schätzungskommission für die Festsetzung der Entschädigung absieht) aus der Entstehungsgeschichte des PBGs nichts Konkretes zu entnehmen. Anzufügen ist lediglich, dass der Gesetzgeber in einem anderen Zusammenhang mit dem Erlass des PBGs noch das kantonale Expropriationsgesetz abänderte (vgl. § 92 Abs. 2 lit.a PBG). Somit ist aus dem Umstand,

– wonach der Gesetzgeber in § 41 Abs. 3 PBG im Streitfall die nach dem Enteignungsrecht massgebende Schätzungskommission für die Ermittlung der Entschädigung als zuständig erklärte,

– und hinsichtlich des allfälligen weiteren Rechtsweges schwieg,

zusammenfassend abzuleiten, dass der Gesetzgeber mit dem in § 41 Abs. 3

PBG enthaltenen Verweis auf das Enteignungsrecht auch die enteignungsrechtliche Weiterzugsmöglichkeit des Schätzungsentscheides im Sinne von § 3 Abs. l der kantonalen Vollzugsverordnung zum Enteignungsrecht (VVzEntR, nGS 500) einschloss.

Dementsprechend sind auch Schätzungsentscheide im Sinne von § 41 Abs. 3 PBG durch Klage beim Verwaltungsgericht anfechtbar, wobei die Rechtsmittelfrist 20 Tage beträgt. Für das vom Gesetzgeber vorgegebene Verfahren sind im übrigen die §§ 67 bis 70 der Verordnung über die Verwaltungsrechtspflege anwendbar (vgl. § 3 Abs. 4 VVzEntR i.V.m. dem dargelegten Verweis in § 41 Abs. 3 PBG auf das Enteignungsrecht).

2. a) Im vorliegenden Verfahren ist im wesentlichen streitig, wie hoch die Entschädigung für die zugunsten der Grundstücke Z. (im Eigentum des Beklagten A.) und zu Lasten von Y., im Eigentum der Kläger B.) enteigneten Mitbenützungsrechte (Durchfahrts- bzw. Erschliessungsrechte) anzusetzen ist. (…)

b) Art. 22ter Abs. 3 BV schreibt für formelle und materielle Enteignungen „volle" Entschädigung vor. Das bedeutet, dass der Enteignete nach der Enteignung in der gleichen ökonomischen Situation sein soll wie vorher, d.h. weder reicher noch ärmer. Die Entschädigung muss dem durch den Eingriff erlittenen Schaden entsprechen, die eingetretene Werteinbusse ausgleichen (vgl. G. Müller, Rz 66 zu Art. 22ter BV, in Kommentar zur Bundesverfassung der Schweiz. Eidgenossenschaft, mit Verweisen). Die Enteignungsentschädigung für ein Grundstück bemisst sich in erster Linie nach dem Verkehrswert, d.h. dem Wert, den es aufgrund der bisherigen Nutzung oder einer möglichen besseren Verwendung für einen beliebigen Käufer aufweist. Dem Enteigneten wird somit grundsätzlich jene Summe zugesprochen, die er beim Verkauf seiner Liegenschaft vom Käufer erhalten hätte. Übersteigt allerdings das finanzielle Interesse des Enteigneten an der Weiternutzung seiner Liegenschaft deren Verkehrswert, so ist der sog. subjektive Schaden zu vergüten, der dadurch entsteht, dass die gegenwärtige oder in Aussicht genommene Verwendung des Grundstücks verunmöglicht oder eingeschränkt wird (vgl. BGE 113 Ib 41 mit Verweisen; Rhinow/Krähenmann, Schweiz. Verwaltungsrechtsprechung, Ergänzungsband 1990, Nr. 128, B. III. a/b). Nach konstanter Rechtsprechung darf der kantonale Gesetzgeber den Begriff der vollen Entschädigung näher umschreiben (vgl. Rhinow/Krähenmann, a.a.O., Nr. 128. B. III, S. 395).

Im konkreten Fall geht es um die Bemessung der Entschädigung für enteignete Mitbenützungsrechte (Durchfahrts- bzw. Erschliessungsrechte) im Sinne von § 41 PBG. Der kantonale Gesetzgeber hat in Art. 41 Abs. l PBG festgelegt, dass der Eigentümer bestehender privater Erschliessungsanlagen verpflichtet werden kann, die Mitbenützung durch Dritte gegen volle Entschädigung zu dulden. Würde es sich vorliegend um eine formelle Enteignung der betreffenden Strassenparzelle handeln, entspräche die volle Entschädigung einer vollen Abgeltung des dem Enteigneten entstandenen Schadens bzw. nach Massgabe der dargelegten Praxis grundsätzlich dem Verkehrswert des enteigneten Landes (zumal – solange die gegenwärtige Strassennutzung weiterhin Bestand hätte – ein subjektiver Schaden für den bisherigen Strasseneigentümer nicht ersichtlich wäre).

Hier handelt es sich um Mitbenützungsrechte, welche der Strasseneigentümer zu dulden hat, weshalb der dem Enteigneten entstandene Schaden grundsätzlich den Verkehrswert der betreffenden Strassenanlage nicht erreicht, da hier dem Adressaten der Enteignungsverfügung das Eigentum an der Strassenparzelle und die darin eingeschlossenen Nutzungsrechte weiterhin verbleiben.

Der kantonale Gesetzgeber hat in § 1 Abs. 2 lit. b der Verordnung über die Grundeigentümerbeiträge an Verkehrsanlagen vom 7. Febr. l990 (nGS IV-493c, nachfolgend Grundeigentümer-Beitragsverordnung, GrEiBV genannt) normiert, dass diese Verordnung auf die Bemessung der Entschädigung für die Mitbenützung privater Erschliessungsanlagen durch Dritte (§ 41 PBG) sinngemäss Anwendung findet. Der zuständige Gemeinderat ordnete die auf § 41 PBG abgestützte Mitbenützung der Y-strasse mit Verfügung vom 13. April 1992 und somit nach Erlass der erwähnten, am 1. Juni 1990 in Kraft getretenen Verordnung (GrEiBV) an. Bei dieser Sachlage ist diese Verordnung im vorliegenden Fall (sinngemäss) anwendbar.

c) Bei der Bemessung von Enteignungsentschädigungen muss es ähnlich wie bei Erschliessungsbeiträgen grundsätzlich einen weiten Spielraum geben (vgl. auch B. Staehelin, Erschliessungsbeiträge, S. 248). Jedenfalls ist es schwierig und praktisch kaum möglich, einen Wertzuwachs (des durch die Enteignung von Mitbenützungsrechten profitierenden Grundeigentümers) resp. eine Beeinträchtigung des zum Teil enteigneten Strasseneigentümers (hier: Kläger) mathematisch genau nach Franken und Rappen zu ermitteln (vgl. auch Erich Zimmerlin, Baugesetz des Kantons Aargau, 2.A., S. 113 oben). Dies zeigt sich auch darin, dass der Gesetzgeber in § 1 Abs. 2 lit. b GrEiBV lediglich eine sinngemässe Anwendung der GrEiBV vorgeschrieben hat, welche für eine Berücksichtigung der Verhältnisse des konkreten Falles genügend Raum belässt. Überdies ist zu betonen, dass – soweit es um die Verlegung von Baukosten oder um die Suche eines gerechten Verteilungsschlüssels geht – praxisgemäss die Verwendung schematischer Kriterien zulässig ist, weil sich exakte Schätzungen oft als schwierig oder gar unmöglich erweisen (vgl. dazu BGE 109 Ia 328, Erw. 5 im Zusammenhang mit Kausalabgaben als Vorzugslasten, welche grundsätzlich nach der Höhe der zu deckenden Kosten und nach dem wirtschaftlichen Vorteil für den Einzelnen zu bemessen sind; vgl. auch PVG 1991, Nr. 44, S. 125).

Zusammenfassend ist an dieser Stelle (als Vorbemerkung) festzuhalten, dass die schliesslich resultierende Höhe der Entschädigung für enteignete Mitbenützungsrechte ein gewisses, pflichtgemäss und sachgerecht ausgeübtes Ermessen des Richters miteinschliesst.

d) § 5 Abs. 1 GrEiBV normiert, dass die Beiträge den von der Gesamtheit der beitragspflichtigen Grundeigentümer zu tragenden Anteil der massgebenden Kosten (Grundeigentümeranteil) decken müssen. Als beitragspflichtig gelten alle Grundeigentümer oder alle Baurechtsnehmer, die durch die Erstellung oder den Ausbau der betreffenden Erschliessungsstrasse einen wirtschaftlichen Sondervorteil erlangen, namentlich die Eigentümer von Grundstücken, die mit der Strasse erschlossen werden, deren noch erforderliche private Erschliessung damit ermöglicht oder erleichtert wird oder deren Nutzungsmöglichkeit oder Verkehrslage verbessert wird (vgl. § 3 Abs. 1 GrEiBV).

Nach § 5 Abs. 2 GrEiBV wird der Grundeigentümeranteil im Verhältnis der massgebenden Nutzflächen und unter Berücksichtigung besonderer Vor- und Nachteile auf die einzelnen Grundeigentümer verteilt. Als massgebende Nutzfläche gilt die anrechenbare Grundstückfläche mal Ausnützungsziffer (vgl. § 6 Abs. 1 GrEiBV). Nach § 10 Abs. 1 GrEiBV werden die einzelnen Grundstücke in Beitragsklassen eingeteilt, welche je nach Grösse der Vorteile abzustufen sind, die der Strassenbau für die betreffenden Grundstücke hat. Gemäss § 10 Abs. 1 GrEiBV richtet sich die Abstufung der Beitragsklassen nach:

– der Entfernung des Grundstücks von der Groberschliessungsstrasse (lit. a);

– der Länge der Strassenstrecke, die dem Grundstück dient (lit. b);

– dem Bestehen anderer Zufahrten zum Grundstück (lit. c);

– und allenfalls weiteren Kriterien (lit. d), wobei die Abstufung in Prozenten ausgedrückt wird.

Die massgebende Nutzfläche multipliziert mit der Beitragsklasse in Prozenten ergibt die Beitragsfläche und damit die anteilsmässige Beitragspflicht jedes einzelnen Grundstückes (vgl. § 10 Abs. 3 GrEiBV).

Führen die dargelegten Bemessungsregeln im Einzelfall wegen besonderer Verhältnisse zu einem unbilligen, dem wirtschaftlichen Sondervorteil nicht entsprechenden Ergebnis, so ist die massgebende Nutzfläche angemessen herabzusetzen oder zu erhöhen (vgl. § 11 Abs. 1 GrEiBV). Besondere Verhältnisse können nach § 11 Abs. 2 GrEiBV namentlich vorliegen, wenn:

– die zulässige Nutzung aus Gründen des Natur-, Landschafts- oder Ortsbildschutzes oder aus andern objektiven Gründen nicht erreicht werden kann (lit. a);

– eine für die bestehende Überbauung genügende Erschliessungsstrasse wegen des Anschlusses von Neubaugebieten ausgebaut werden muss (lit. b);

– bereits eine über dem zulässigen Mass liegende Nutzung besteht (lit. c);

– nach den Umständen anzunehmen ist, dass die zulässige Mehrnutzung bereits überbauter Grundstücke nicht realisiert werden wird (lit. d mit einem Vorbehalt betreffend § 3 Abs. 2 GrEiBV).

(…)

3. a) Im Schatzungsentscheid ging die Schatzungskommission vorab vom Berechnungsmodus aus, welcher von Ingenieur N. nach folgenden Kriterien/Faktoren ermittelt worden war: (…)

– Anrechenbare Grundstücksfläche (m2) (…)

– massgebende Ausnützungsziffer (…)

– massgebende Nutzfläche (m2) (anrechenbare Grundstücksfläche x massgebende Ausnützungsziffer) (…)

– Entfernung (Luftlinie) des Schwerpunktes eines jeden Grundstücks bis zu dessen Einmündung in die Strasse;

– in m

– in Prozenten, wobei 6 m mit 100% sowie 306 m = 0% gleichgesetzt wurden; [somit sind für jeden zusätzlichen Meter ab 6 m jeweils 1/3% von 100% abzuziehen] 
z.B.: Entfernung in m: 111 m
Entfernung in %: 65% [111 ./. 6 = 105, 105 x 0.3333 = 34.99%]

(…)

– Dienliche Wegstrecke im Verhältnis zur längsten dienlichen Wegstrecke; längste dienliche Wegstrecke: 403 m = 100% (…)

– Korrekturfaktor (bei allen Grundstücken mit 1 berücksichtigt)

– Beitragsklasse in %: Mittel aus Entfernung zur Strasse und Länge der dienlichen Wegstrecke multipliziert mit dem Korrekturfaktor (…)
z.B. [65% + 100%] : 2 x 1 = 82.5%; (…)

– massgeb. Nutzfläche x Beitragsklasse : 100 = Beitragsfläche

– Anteilmässiger Beitrag in %; d.h. alle ermittelten Beitragsflächen tragen zusammen 100 Prozent der Kosten und jede Beitragsfläche prozentual ihren Kostenanteil; (…)

b) Die Schätzungskommission schloss sich grundsätzlich der Berechnungsmethode von Ing. N. an mit folgendem Vorbehalt:

„Eine Korrektur ist indessen bezüglich des Verhältnisses der verschiedenen Beitragsklassen anzubringen. Aufgrund der Verordnung stehen die Kriterien ‘andere Zufahrten zum Grundstück’ und ‘weitere Kriterien’ auf der gleichen Stufe mit den Kriterien ‘Entfernung von der Groberschliessungsstrasse’ und ‘Länge der dienlichen Strassenstrecke’. Es geht deshalb nicht an, bloss die Beitragsklassen der beiden ersten Kriterien zu mitteln und diese dann mit dem Kriterium ‘andere Zufahrten’ bzw. ‘weitere Kriterien’ zu multiplizieren, sondern es ist die mittlere Prozentzahl aller vier Kriterien auszurechnen. Wenig sinnvoll ist auch, bei einer Entfernung von 306 Metern von der Groberschliessungsstrasse für dieses Kriterium null Prozent anzunehmen. Denn dadurch wird dem Umstand zu wenig Rechnung getragen, dass ein weit entferntes Grundstück je nach der Art der Bewirtschaftung unter Umständen die grösste Belastung für die Strasse darstellen kann. Nach Ansicht der Schatzungskommission wäre deshalb bei diesem Kriterium in jedem Falle ein Minimum von 20 Prozent einzusetzen. Festzuhalten ist jedoch, dass diese Korrekturen an der Berechnungsmethode im vorliegenden Falle nichts an der Einschätzung gemäss Plan von Ingenieur N. vom 7. Juli 1993 ändern, da in diesem Beitragsplan, wie nachfolgend noch näher zu erläutern ist, bei allen Grundstücken zurecht von einem Korrekturfaktor von 1 ausgegangen worden ist."

(vgl. zit. Schatzungsentscheid, S. 9f.)

c) Im Schatzungsentscheid wurden schliesslich folgende massgebende Kosten für Erstellung und Ausbau der Y-Strasse ermittelt: (…)

4. a) In der Klageschrift (S. 11, Ziff. 1.3) wird hauptsächlich kritisiert, dass die „Berechnungsmethode N." der Problematik mit der Abgeltung der bereits bei der Strassenerstellung bestehenden Wegrechte in keiner Weise Rechnung trage, d.h. die Rechtskosten, die nach Auffassung der Kläger ebenfalls zu berücksichtigen seien, bei dieser Methode unbeachtet bleiben. Nach Auffassung der Kläger ist zusätzlich zu berücksichtigen, dass sie für die Erstellung der Strasse Dritten gegenüber entweder ein unentgeltliches Durchfahrtsrecht neu einräumen oder aber bestehende übernehmen mussten. Die Kostenanteile dieser „Altrechtler" seien ebenfalls zu den Gestehungskosten zu zählen (vgl. Klageschrift, S. 13 unten).

b) Im Schatzungsentscheid wurde diesbezüglich u.a. ausgeführt, dass der Beklagte es nicht zu entgelten habe, wenn die Kläger früher Verträge (betr. Wegrechte) abgeschlossen haben:

„Die Vorteile und Nachteile aus jenen Verträgen sollen vielmehr vollumfänglich zugunsten und zu Lasten der damaligen Vertragsparteien gehen. Der Beklagte ist so zu halten, wie wenn die übrigen Dienstbarkeitsberechtigten ihr Nutzungsrecht nach dem vorliegenden System abgegolten hätten.

Aus dem gleichen Grunde geht es auch nicht an, gewisse andere Grundstücke, welche sich früher mit speziellen Verträgen in die Y-Strasse eingekauft haben, von der Einschätzung auszunehmen. Haben die Kläger damals gut verhandelt, so sollen sie den Gewinn daraus alleine haben. Haben sie aber schlecht verhandelt, so hat der Beklagte dies nicht zu entgelten."

(vgl. Schatzungsentscheid, S. 12 oben)

c) Ausgangspunkt bei der Bemessung der Entschädigung für die Mitbenützung privater Erschliessungsanlagen durch Dritte bildet der in § 41 Abs. 1 PBG enthaltene Begriff der „vollen Entschädigung". Wie bereits vorne in Erwägung 2b ausgeführt wurde, kann die volle Entschädigung hier nicht mit dem Verkehrswert der betreffenden (Strassen)Parzelle gleichgesetzt werden, da die Eigentümerin ihre Strassenparzelle weiterhin für Erschliessungszwecke nutzen kann und einzig die Mitbenutzung der Strasse durch einen zusätzlichen Benutzerkreis dulden muss. Diese mit Verfügung vom 13. April 1992 erzwungene Duldung eines zusätzlichen Benützerkreises stellt – aus objektiver Sichtweise – grundsätzlich keine massive Beeinträchtigung des Strasseneigentümers dar (jedenfalls dann, wenn es wie hier um die Erschliessung einer zusätzlichen Wohnbauzone von rund … m2 geht, auf welchen gesamthaft rund 21 Wohneinheiten geplant sind). Im übrigen ist ein gewisser Schaden durch die Duldung eines weiteren Benützerkreises darin zu erblicken, dass die unmittelbaren Anstösser der Y-Strasse zusätzliche Strassenverkehrsemissionen zu tragen haben. Diese Beeinträchtigung tangiert hingegen die Anstösser und nicht die Strasseneigentümerin (welche gemäss den Sachverhaltsabklärungen anlässlich des Augenscheines über kein Bauland mehr verfügt, welches direkt an die Y-Strasse angrenzt). Bei dieser Sachlage ist die Frage einer Abgeltung für zusätzliche Verkehrsemissionen hier nicht näher auszuloten. Abgesehen davon stellt die Klägerin diesbezüglich keine Forderungen.

Nach diesen Ausführungen ist zusammenfassend davon auszugehen, dass die „volle Entschädigung" nach § 41 PBG als Begriff sui generis zu werten ist. Nach Massgabe der vom kantonalen Gesetzgeber in § 1 Abs. 2 lit. b GrEiBV gewählten Regelung ist bei der Bemessung so vorzugehen, dass als Ausgangspunkt eine Kostenverteilung zu erfolgen hat, wie sie im Rahmen eines Strassenperimeters für eine neu zu erstellende Strasse erfolgen würde.

aa) Strassenbaukosten

Was die Strassenbaukosten anbelangt, sind sich die Parteien einig, dass die effektiv angefallenen Baukosten anrechenbar sind. Diesbezüglich wird vom Beklagten (als neu eingetretenem Mitbenützer) nicht geltend gemacht, dass im Rahmen der Entschädigungsbemessung von tieferen Strassenbaukosten auszugehen sei, weil die Kläger (als Bauherren) beispielsweise zu teuer gebaut oder keine Offerten eingeholt hätten (usw.). In diesem Sinne ist nicht auf hypothetische, sondern auf die effektiv entstandenen Strassenbaukosten abzustellen (was im übrigen von keiner Partei in Frage gestellt wird).

bb) Rechtskosten

(Kosten für Erwerb von dinglichen Rechten)

Wenn aber im Rahmen der Bemessung der Entschädigung für Mitbenützungsrechte die Strassenbaukosten (des teilweise enteigneten Strasseneigentümers) richtigerweise tel quel anzurechnen sind (wobei hier noch Eigenleistungen/Eigenarbeiten des Strasseneigentümers vorderhand auszuklammern sind, vgl. dazu nachfolgend, Erw. 5), ist nicht einzusehen, weshalb allenfalls zu teuer erkaufte Wegrechte – deren Rechtserwerb conditio sine qua non für die Erstellung der Strasse darstellte – im Rahmen der vorliegend durchzuführenden Bemessung der Entschädigung für enteignete Strassenmitbenützungsrechte ausser Betracht fallen sollten [dies käme im Ergebnis einem unzulässigen Methodendualismus gleich, indem bei den „baulichen Strassenkosten" die effektiv ausgewiesenen Kosten anzurechnen wären, derweil bei den Rechtserwerbskosten nicht die effektiven Kosten, sondern eine hypothetische Grösse zu berücksichtigen wäre: z.B. Grundeigentümer XX. hat für Y-Erstellung durch 100 m2 abgetreten und dafür das Recht ausbedungen, die Y-Strasse gratis, ohne weitere Beitragszahlungen mitbenützen zu dürfen; in diesem Beispiel gehen die Rechtserwerbskosten für 10 m2 nach dem Modell der Schatzungskommission zu Lasten von B., da der hypothetische Beitrag von XX. gemäss Beitragsplan von B. nicht realisiert werden kann, weil XX. durch Landabtretung bereits Durchfahrtsrechte erworben hat].

Die GrEiBV ist primär auf den Fall zugeschnitten, dass eine Groberschliessungsstrasse erstellt oder ausgebaut wird, und alle Grundeigentümer oder alle Baurechtsnehmer, welche einen wirtschaftlichen Sondervorteil erlangen, gemäss Beitragsplan Beiträge zu leisten haben (vgl. § 3 GrEiBV). Dabei sind bei den massgebenden Kosten nicht nur die Baukosten, sondern namentlich auch die Rechtserwerbskosten vollumfänglich anzurechnen (vgl. § 4 Abs. 3 GrEiBV). Im Falle einer Mitbenützung durch Dritte (§ 41 PBG) sind grundsätzlich nicht alle Grundeigentümer, welche einen wirtschaftlichen Sondervorteil erlangen, beitragspflichtig, sondern nur diejenigen Grundeigentümer, zu deren Gunsten Mitbenützungsrechte enteignet wurden, sind pflichtig, eine Entschädigung zu bezahlen. Somit ist der vorliegende Beitragsplan von Ing. N. insofern teilweise hypothetisch, als (…) nur der Beklagte eine Entschädigung zu bezahlen hat, derweil die weiteren, im Beitragsperimeter aufgeführten Grundeigentümer bereits früher Mitbenützungsrechte erwarben (z.B. im Austausch gegen Landabtretung für den Strassenbau usw.). Dementsprechend kann B. von diesen Grundeigentümern keine Beiträge gemäss „Beitragsplan N." erheben. Diese Grundeigentümer haben sich im Zusammenhang mit der Erstellung der Y-Strasse mit B. über Ablösung von bestehenden Wegrechten/Landabtretungen usw. gütlich (privatrechtlich) geeinigt und dabei einen bestimmten Marktpreis erzielt, bzw. umgekehrt musste B. gewisse Konzessionen eingehen, um die für die Strassenerstellung nötigen Rechte erwerben zu können. Soweit B. im Ergebnis für die Einräumung von Mitbenützungsrechten an der Y-Strasse an Grundeigentümern, welche „im Beitragsplan N." liegen, nichts oder weniger erhalten hat, als ihr nach dem „hypothetischen Beitragsplan N." zustünde, resultierte für B. grundsätzlich ein „Verlust". Nach den konkreten Umständen liegt der Schluss nahe, dass bei einigen Grundeigentümern ein solcher „Verlust" entstanden ist, weil B. für Landverkäufe/Überbauungsabsichten im Bereich der V-Strasse auf die Erstellung der Y-Strasse als Erschliessungsvoraussetzung angewiesen war.

Wollte man der Auffassung folgen, wonach

– die vorerwähnten „Verluste"

– (bzw. die „ausgeklammerten Rechtserwerbskosten")

– (bzw. der Umstand, wonach ein im nachträglichen Beitragsplanperimeter liegender Grundeigentümer für die Abtretung eigener Rechte sich Mitbenützungsrechte an der Strasse erworben hat, ohne dass er eine Gegenleistung im Umfange seines hypothetischen Beitrages gemäss Beitragsplan N. erbringen musste)

– bzw. derartige „Beitragsausfälle" generell vom Strassenersteller zu tragen sind, hätte dies namentlich zur Konsequenz, dass der durch § 41 PBG berechtigte Grundeigentümer im Ergebnis davon profitieren kann, dass effektive Land- und Rechtserwerbskosten für die Erstellung der Strasse für ihn (mindestens teilweise) ausser Betracht fallen. Sollte dieses Beispiel Schule machen, könnte es für einen Landeigentümer günstiger sein, statt an einer einvernehmlichen Strassenerschliessungslösung mitzumachen, zuerst abzuwarten, bis eine (teurere) Variante privat realisiert ist, um dann via § 41 PBG einzusteigen und nur noch einen Anteil an die Strassenbaukosten zu leisten. Eine solche Konsequenz widerspricht den Intentionen des Gesetzgebers, welcher eine „volle Entschädigung" beabsichtigte.

Zusammenfassend sind grundsätzlich sämtliche effektiv angefallenen (Strassenbau- und Rechtserwerbs)Kosten anzurechnen, welche für die betreffende Strassenerstellung von Relevanz sind.

5. a) Was die konkreten Strassenbaukosten anbelangt, anerkannte der Beklagte im Verfahren vor der Schätzungskommission (…) Gesamtkosten von insgesamt Fr. … (exkl. Land; vgl. Schatzungsentscheid, S. 13). (…)

c) Kosten für Erwerb von dinglichen Rechten

aa) Die Strassenparzelle Y. umfasst … m2 (vgl. Augenscheinprotokoll, S. 2 oben). Im Schatzungsentscheid wurden die massgebenden Landerwerbskosten gestützt auf eine Zusammenstellung der Ingenieur-Unternehmung … auf Fr. … veranschlagt (… à Fr. 150.–, vgl. zit. Entscheid, S. 17 mit Hinweis auf Aktenheft III/act. BB4a).

Dazu ist zu sagen, dass eine reine Strassenparzelle grundsätzlich keinen Baulandcharakter aufweist, und dementsprechend dafür nicht einfach Baulandpreise eingesetzt werden können. Anderseits wurde bereits ausgeführt, dass die effektiven (und somit gegebenenfalls auch übersetzte) Landerwerbskosten, welche für die Strassenerstellung unabdingbare Voraussetzung bildeten, vollumfänglich anzurechnen sind. (…)

cc) Zieht man nach diesen Ausführungen in Betracht,

– dass dem Strassenareal (und somit auch dem für die Y-Strasse erworbenen Land) grundsätzlich kein Wohnbaulandwert zukommt (vgl. oben, Erw. 5c/aa),

– dass in bezug auf den Erwerb dinglicher Rechte für die Erstellung der Y-Strasse (anfangs der achtziger Jahre) erhebliche Unsicherheiten hinsichtlich des Anrechnungswertes des dabei erworbenen Areals bestehen (namentlich im Zusammenhang mit dem Bodenerwerb von …,

– dass auch Unklarheiten bestehen hinsichtlich der Frage, ob und inwiefern der Erwerb von „Erschliessungsrechten 1962" sich auf die später … realisierte Y-Strassen-Lösung auswirkte (vgl. oben, Erw. 5c/bb),

– dass es in Fällen der vorliegenden Art einen weiten Ermessensspielraum geben muss (vgl. oben, Erw. 2c),

– dass es zwar um eine volle Entschädigung geht (vgl. Erw. 4c, wonach ein Begriff sui generis vorliegt), wobei dem Mitbenützungsberechtigten nicht sämtliche Aufwendungen des Strassenerstellers zu überwälzen sind, hingegen der Mitbenützungsberechtigte an sämtlichen Aufwendungen des Strassenerstellers (nach sinngemässer Anwendung der in der GrEiBV enthaltenen Kriterien) zu partizipieren hat, rechtfertigt es sich zusammenfassend und um allen Eventualitäten gerecht zu werden, die Kosten für den Erwerb von dinglichen Rechten zur Erstellung der Y-Strasse (…) von den im Schatzungsentscheid angenommenen Fr. … auf insgesamt Fr. … zu erhöhen. Damit sind aber sämtliche früheren Rechtserwerbskosten (inkl. allfällige Beitragsausfälle im Sinne von Erw. 4c/bb in fine) hinreichend abgegolten.

6. Zinskosten

a) In der Klageschrift (S. 19) wird des weitern geltend gemacht, dass dann, wenn sich der Beklagte bereits von Anfang an an den entsprechenden Kosten beteiligt hätte, den Klägern weniger Zinsen angefallen wären, weshalb diesbezüglich ein zusätzlicher Aufwand aufzurechnen sei.

b) Eine solche beantragte Aufrechnung war im Schatzungsentscheid aus verschiedenen Gründen verworfen worden, u.a. deshalb, weil die Erschliessungsstrasse nach aller Erfahrung keineswegs entsprechend den angeblichen Zinskosten im Wert zugenommen hatte, sondern vielmehr die Strasse in jenen Jahren zu amortisieren war. Zudem wurde gegen eine Aufrechnung der Wortlaut von § 4 Abs. 3 lit. f GrEiBV vorgebracht. Gemäss dieser Bestimmung würden zwar die Finanzierungskosten zu den anrechenbaren Kosten gezählt, jedoch ausdrücklich unter dem Titel „Kosten für die Erstellung und den Ausbau". Unter „Finanzierungskosten" im Sinne der Verordnung seien deshalb nur die sogenannten Baukreditzinsen zu verstehen, welche bereits berücksichtigt seien (vgl. Schatzungsentscheid, S. 15f.).

c) In der Klageantwort vom 2. März 1994 (S. 9) wendete der Beklagte sinngemäss ein, dass dann, wenn bei einem späteren Einkauf nach Jahren unbeschränkt Zins- bzw. Mehrwertkosten aufgerechnet werden könnten, völlig unrealistische Einkaufsbeträge resultieren würden, welche das Mehrfache der Erstellungskosten erreichen könnten. Die Zinsaufrechnung bzw. Mehrwertaufrechnung sei daher schon vom Ansatz her völlig verfehlt und führe zu einer ungerechtfertigten Bereicherung der Kläger. Hinzu komme, dass die Kläger (und die anderen Berechtigten) bereits seit Jahren einen Nutzen von dieser Strasse hätten, derweil der Beklagte erst mit dem Abschluss dieses Verfahrens seine Mitbenützungsrechte ausschöpfen könne (vgl. Klageantwort, S. 9).

d) Wollte man der Auffassung des Beklagten folgen, wonach keinerlei Teuerungsaspekte in Anschlag zu bringen seien, resultierte grundsätzlich eine Bevorteilung desjenigen Grundeigentümers, welcher sich zunächst nicht am Strassenbau beteiligt (weil er z.B. vorerst keine Bauabsichten hegt) und einige Jahre später über § 41 PBG einsteigt. Eine solche Praxis hätte somit zur Folge, dass es für einen Eigentümer einer grösseren Baulandparzelle i.d.R. (vor allem in Zeiten mit jährlich hohem Preisanstieg bzw. hoher Inflation) günstiger wäre, nicht an einer gemeinschaftlichen Erschliessungslösung mitzuwirken, sondern später via § 41 PBG einzusteigen. Solche Bevorteilungen, welche gemeinschaftliche Erschliessungslösungen erschweren, sind grundsätzlich unerwünscht.

Soweit im Schatzungsentscheid auf den Wortlaut der GrEiBV abgestellt wird, ist daran zu erinnern, dass hier lediglich eine sinngemässe Anwendung der GrEiBV in Frage kommt. Die GrEiBV ist auf den Hauptanwendungsfall zugeschnitten, dass alle Grundeigentümer, die durch die Erstellung/Ausbau einer Groberschliessungsstrasse einen wirtschaftlichen Sondervorteil erlangen, gleichzeitig beitragspflichtig sind (dabei stellt sich zwischen den pflichtigen Grundeigentümern die Frage von Zinskosten nicht, jedenfalls nicht in der vorliegenden Art, weil diese pflichtigen Grundeigentümer gleichzeitig erfasst werden; vgl. allerdings bezügl. nachträglicher Beitragspflicht die Absätze 2 und 3 von § 3 GrEiBV, welche keine Zinsregelung enthalten). Hinzu kommt, dass § 4 GrEiBV mit dem Randtitel „Massgebende Kosten" die anrechenbaren Positionen ausdrücklich nicht abschliessend regelt (vgl. § 4 Abs. 3 GrEiBV: „namentlich").

Soweit der Beklagte sinngemäss einwendet, dass er hinsichtlich seines Baulandes von der Y-Strasse bis anhin keinen Nutzen gehabt habe, drängen sich folgende Bemerkungen auf. Gemäss den Abklärungen anlässlich des Augenscheines wurde die Y-Strasse in Etappen erbaut, hauptsächlich … und 1985/86. Am 1. Sept. 1988 trat das neue PBG in Kraft. Somit stand dem Beklagten ab 1. Sept.1988 die Möglichkeit offen, für sein Bauland die Mitbenützung bestehender privater Erschliessungsanlagen im Sinne von § 41 PBG zu beanspruchen (was er mit seinem Gesuch vom 16. Dez. 1991 auch ausschöpfte). Im öffentlichrechtlichen Beitragsrecht wird grundsätzlich die blosse Anschlussmöglichkeit als ausschlaggebendes Kriterium betrachtet. Massgebend ist, ob durch eine Erschliessungseinrichtung bei objektiver Betrachtungsweise ein Sondervorteil entstanden ist, welcher zu einer objektiven Wertsteigerung beigetragen hat. Ob ein Grundeigentümer den Vorteil auch ausnützt, ist regelmässig nicht entscheidend (vgl. BVR 1991, S. 304 oben; BLVGE 1993, S. 164, Erw. 4; SG-GVP 1990, Nr. 19, S. 53; PVG 1991, Nr. 44, S. 125). Im konkreten Fall erfuhr das Bauland des Beklagten mit der Erstellung der Y-Strasse (1986) einerseits und mit dem Inkrafttreten des PBGs am 1. Sept. 1988 objektivermassen insoweit einen Wertzuwachs, als damit eine Anschlussmöglichkeit (und darin eingeschlossen eine hinreichende Erschliessung für das Bauland) rechtlich durchsetzbar wurde.

Ferner ist zu berücksichtigen, dass Anhaltspunkte für eine massgebliche Entwertung der Y-Strasse (seit der Fertigstellung) nicht ersichtlich sind.

Bei dieser Sachlage erachtet es das Gericht unter Abwägung aller Aspekte als sachgerecht, im konkreten Fall die massgeblichen Gestehungskosten der Y-Strasse für die Bemessung der Entschädigung für enteignete Mitbenützungsrechte ab l. Sept. 1988 zu verzinsen, um dadurch einen Ausgleich zwischen den Leistungen des (vorfinanzierenden) Strassenerstellers einerseits und einem angemessenen Beitrag des nachträglich via § 41 PBG einsteigenden Mitbenützers herbeizuführen. Was den massgebenden Zinssatz betrifft, rechtfertigt es sich (in Anlehnung an die Entwicklung des Zinssatzes für I.Hypotheken der Kantonalbank Schwyz im betreffenden Zeitraum), von einem gerundeten Zinssatz von 6% auszugehen.

Nach all diesen Ausführungen ist die vom Beklagten geschuldete Entschädigung wie folgt festzulegen:
Strassenbaukosten (vgl. Erw. 5a) …
Erwerb dingl. Rechte (vgl. Erw. 5c/cc) …
Zwischentotal: …
./. behördl. Beiträge (§ 4 Abs. 1 GrEiBV i.V.m. KB 12, S. 7 bzw. Schatzungsentscheid, S. 14f. und S. 18) … 
anrechenbare Restkosten …
6% Zinsen (6 Jahre, 5 Monate, 10 Tage) …
massgebende Gesamtsumme …
davon 15.558% gemäss Beitragsplan …

(VGE 508/94 vom 10. Februar 1995).

Eine dagegen erhobene staatsrechtliche Beschwerde hat das Bundesgericht, soweit es darauf eingetreten ist, mit Urteil vom 15. Dezember 1995 abgewiesen.

 

8

Planungs- und Baurecht

– Ist ein konkretes Bauvorhaben in gewässerschutz- und baurechtlicher Hinsicht als zulässige Wiederaufbaute zu betrachten?

Aus den Erwägungen:

3. a) Vorliegend ist unbestritten, dass die Umbauarbeiten am bestehenden Wohnhaus bewilligungsfähig sind. (…) Hingegen ist hauptsächlich streitig, ob der geplante Bungalow (anstelle von drei bisherigen Nebengebäuden)

– im Hinblick auf den Grundwasserschutz mit den Bestimmungen des Schutzzonenreglementes für die Grundwasserfassungen Z. vereinbar ist,

– und in baurechtlicher Hinsicht unter das Recht der alten Baustelle fällt.

b) Im angefochtenen RRB Nr. 549 (Erw. 6a) wurde ausgeführt, dass der geplante Bungalow innerhalb der engeren Schutzzone S IIa des Schutzzonenreglements der Grundwasserfassungen Z. (nachfolgend: Reglement) erstellt werden soll. Diese Feststellung wird vor Verwaltungsgericht nicht in Frage gestellt.

Des weitern wurde im angefochtenen RRB Nr. 549 (Erw. 6b) sinngemäss zu Recht dargelegt, dass der geplante Bungalow – falls er als Neubauanlage gälte – nicht zulässig wäre, da gemäss Ziff. 3.3.1 des Reglementes in der engeren Schutzzone S IIa für Hochbauten grundsätzlich ein Bauverbot besteht.

Der Regierungsrat berief sich indessen auf die Reglementsbestimmungen für bestehende Bauten und Anlagen, wonach in der engeren Schutzzone S IIa Bauten weiterbestehen bleiben dürfen, Um- oder Neubauten innerhalb der bestehenden Grundmauern sowie damit verbundene Erweiterungen der Nutzfläche um höchstens einen Viertel vom Gewässerschutz her erlaubt seien, und im weiteren Zweckänderungen bestehender Bauten und Anlagen zulässig seien, sofern dadurch der Gefährdungsgrad für das Grundwasser nicht erhöht werde. In Anlehnung an diese Bestimmungen schützte der Regierungsrat den Standpunkt, dass eine bestehende Grundplatte (Betonplatte), deren horizontale Ausdehnung über den eigentlichen Grundriss des abzubrechenden oder umzubauenden Objekts hinausgehe, als Grundmauer im Sinne des Reglementes betrachtet werden könne. Diese Argumentation wurde noch damit untermauert, dass im Bereiche der bestehenden Grundplatte eine Gefährdung des Grundwassers weitgehend ausgeschlossen werden könne, da die Bauherrschaft verpflichtet sei, jegliche Veränderung an der Grundplatte, welche eine Freilegung der sich darunter befindenden grundwasserführenden Schichten zur Folge hätte, zu unterlassen (vgl. RRB Nr. 549, Erw. 6b/c).

c) Nach konstanter Praxis liegen Massnahmen, die geeignet sind, Wasserfassungen zu schützen und damit die Trinkwasserversorgung zu sichern, offenkundig im öffentlichen Interesse. Diesem öffentlichen Interesse steht das finanzielle Interesse des Eigentümers an einer möglichst gewinnbringenden Verwertung seines Landes gegenüber. Im Rahmen der erforderlichen Interessenabwägung hat das private Interesse des Eigentümers an der ungehinderten Ausnutzung (Überbauung) seines Grundstückes in der Regel vor dem öffentlichen Interesse an der Sicherung der Trinkwasserversorgung zurückzutreten. Dabei gilt, dass früher erstellte Bauten und Anlagen, welche als Risikofaktoren im Fassungsbereich zu betrachten sind, keinen Rechtfertigungsgrund darstellen, um noch zusätzlich neue Risikofaktoren mittels Neubau zuzulassen, dies jedenfalls so lange, als die betreffende Grundwasserfassung für die Trinkwasserversorgung benötigt wird (vgl. VGE 650/94 v. 22. Dez. 1994, Erw. 2b mit Verweisen). In diesem Sinne sind die Ausnahmebestimmungen des zit. Reglementes restriktiv auszulegen. Von daher besteht grundsätzlich kein Anlass, Ziff. 3.3.2 des Reglementes auf dem Auslegungswege zu lockern, dergestalt, dass mit der Formulierung „Um- oder Neubauten innerhalb der bestehenden Grundmauern" auch Neubauten ausserhalb bestehender Grundmauern abgedeckt werden sollen, sofern diese Neubauten auf einer „bestehenden Grundplatte" vorgesehen sind.

In diesem Zusammenhang ist auf das vom Bundesgericht vorab im Umweltrecht entwickelte Koordinationsgebot hinzuweisen, welches auf dem Grundsatz der Einheit und Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung basiert (vgl. dazu beispielsweise A. Marti, Verfahrensrechtliche Möglichkeiten der Koordination bei der ersten Instanz, in URP 1991, S. 22 6ff., v.a. S. 233 mit Verweisen). In diesem Sinne ist es bei Vorliegen eines engen Sachzusammenhanges erforderlich, Teilbereiche nicht isoliert, sondern „aufeinander abgestimmt" zu beurteilen. Konkret gilt es zu vermeiden, dass die Frage des Wiederaufbaurechtes in gewässerschutzrechtlicher und in baurechtlicher Hinsicht separat (und damit gegebenenfalls konträr) beantwortet wird. Es macht jedenfalls keinen Sinn, das gleiche Neubauvorhaben (in casu: den geplanten Bungalow) in gewässerschutzrechtlicher Hinsicht (im Rahmen einer extensiven Interpretation von Ziff. 3.3.2 des Reglementes) als zulässige Wiederaufbaute zu qualifizieren, um dann in baurechtlicher Hinsicht (im Rahmen einer zu Recht restriktiven Praxis) zu argumentieren, dass hier das gleiche Projekt infolge mangelnder Wesensgleichheit nicht als Wiederaufbaute gelten könne. Ein solches Ergebnis steht im Widerspruch zum dargelegten Koordinationsgebot (und auch im Widerspruch zum Willkürverbot gemäss Art. 4 BV). Auch wenn Baurecht und Grundwasserschutz unterschiedliche Zielsetzungen verfolgen (vgl. zit. RRB Nr. 549, Erw. 7a, wonach das Baurecht die wahrnehmbare räumliche Entwicklung zu überwachen hat, derweil der Grundwasserschutz den grundwasserführenden Untergrund zu schützen hat), ändert dies nichts daran, dass die gewässerschutzrechtliche Wiederaufbaute nicht ohne Not anders zu beurteilen ist als die baurechtliche Wiederaufbaute. Vorliegend sind jedenfalls keine hinreichenden Gründe ersichtlich, welche eine unterschiedliche Betrachtungsweise gebieten.

Zusammenfassend muss die Anwendung des gewässerschutzrechtlichen und des baurechtlichen Wiederaufbaurechtes hier materiell koordiniert erfolgen.

d) § 72 Abs. 3 Satz 1 des kantonalen Planungs- und Baugesetzes (PBG, nGS IV-493) normiert: Wenn ein bestehendes Gebäude abgebrochen oder durch höhere Gewalt zerstört oder in seinem Umfang vermindert wird, so hat der Eigentümer fünf Jahre lang das Recht, es im früheren Umfang wieder aufzubauen (vgl. auch die gleichlautende Bestimmung in Art. 2 Abs. 3 des aus dem Jahre 1982 stammenden Baureglementes, BauR; in diesem Zusammenhang ist festzuhalten, dass für das am 7. Aug. 1992 anhängig gemachte Baugesuch mit Änderungseingabe vom 23. Juni 1993 unbestrittenermassen das kommunale Baureglement aus dem Jahre 1982 zur Anwendung kommt).

e) Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts zu § 49 Abs. 1 aBauG bzw. zu § 72 Abs. 3 Satz 1 PBG verlangt die Beanspruchung des Wiederaufbaurechts für ein abzubrechendes Gebäude nicht ein sklavisches (exaktes) Festhalten an den bisherigen Gebäudeformen; in diesem Sinne ist keine Identität zwischen Altbau und Ersatzbau erforderlich. Praxisgemäss hat indessen der „frühere Umfang" als Richtschnur des Wiederaufbaus zu gelten (vgl. VGE 561/91 v. 15. Okt. 1991, Erw. 2c; VGE 593/90 v. 23. Okt. 1990, Erw. 6a, publ. in EGV-SZ 1990, Nr. 18; VGE 545/88 v. 19.7.1988; VGE 517/81 v. 2.7.1981; EGV-SZ 1981, Nr. 6, S. 22). Eine Unterschreitung des bisherigen Umfanges ist fraglos mit dem Recht der alten Baustelle vereinbar. Es rechtfertigt sich aber auch, eine geringfügige Überschreitung des bisherigen Umfanges dann zuzulassen, wenn sie sich beispielsweise gebieterisch aufdrängt (etwa zur Anpassung der Raumhöhen an heutige, wohnhygienische Vorschriften), oder wenn sie durch „Gegenleistungen" kompensiert wird, die insgesamt zu einer Verbesserung des bestehenden Zustandes, d.h. zu einer teilweisen Anpassung an geltendes Recht führen. Grundsätzlich braucht der Nachbar aber keine Mehrbeeinträchtigung hinzunehmen (vgl. zit. VGE 561/91 v. 15. Okt. 1991, Erw. 2c mit Hinweisen).

Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung zu Art. 24 RPG muss eine Wiederaufbaute dem alten Bauwerk in Grösse und Nutzungsart ungefähr entsprechen. Sie darf deshalb höchstens eine teilweise Änderung miteinschliessen (vgl. ZBl 85/1984, S. 79). Eine geringfügige Erweiterung gilt als teilweise Änderung. Es darf sich jedoch gemessen an der bestehenden Baute nur um eine Änderung von untergeordneter Bedeutung handeln, welche die Identität der Baute in den wesentlichen Zügen wahrt (vgl. BGE 113 Ib 317, Erw. 3a; 112 Ib 97; 115 Ib 482; VGE 702/93 v. 14.4.1994, Erw. 3f).

f) Mit der Errichtung des geplanten Bungalows wird jedoch vom Rahmen des Bisherigen in erheblicher Weise abgewichen. (…)

(VGE 557/565/94 und 518/95 vom 20. April 1995).

 

9

Gewässerschutz

– Kostentragungspflicht bei Sanierung einer defekten Kanalisationsleitung.

Aus den Erwägungen:

1. a) Das Bundesgericht hat im Urteil vom 20. Nov. 1992 u.a. festgestellt,

– dass der Beschwerdeführer (Bf) aggressive Käsereiabwässer in die Kanalisation eingeleitet hat, welche durch dieses polizeiwidrige Verhalten beschädigt wurde (vgl. zit. BGE, Erw. 8b),

– und dass der Bf 1983 die Säure- und Laugentankanlage sowohl ohne Baubewilligung als auch ohne die erforderliche gewässerschutzrechtliche Bewilligung erstellt hat (vgl. zit. BGE, Erw. 8e/cc, S. 19 2. Abs.).

Das Bundesgericht entschied, dass gestützt auf Art. 8 GSchG sich Massnahmen anordnen oder durchführen bzw. deren Kosten auf den Verursacher überwälzen lassen, die der Abwehr einer unmittelbar drohenden Gewässerverschmutzung dienen, wobei unter die Abwehrmassnahmen fallen:

– die zur Feststellung der Schäden und ihrer Ursachen erforderlichen Massnahmen, d.h. zunächst die Untersuchung des Nebenkanals 26, dann aber auch der anschliessenden Teile des Hauptkanals, jedenfalls bis feststand, dass dieser nur leicht angegriffen, aber noch nicht undicht geworden war;

– das Verbot der weiteren Einleitung von nicht bzw. ungenügend vorbehandelten Abwässern;

– die Erstellung der beiden provisorischen Pumpleitungen, mit denen der zerstörte Nebenkanal 26 überbrückt werden musste;

– und die definitive Sanierung des undichten Nebenkanals 26 (vgl. zit. BGE vom 20. Nov. 1992, Erw. 7c).

Die Kosten der weiteren Massnahmen, insbesondere die Kosten der Sanierung des nur leicht beschädigten Hauptkanals, können gemäss Erwägung 7d des zit. BGE vom 20. Nov. 1992 nicht gestützt auf Art. 8 GSchG dem Beschwerdeführer (Bf) auferlegt werden. Das Bundesgericht wies indessen darauf hin, dass es Sache des Verwaltungsgerichts sei, zu prüfen, ob sich im kantonalen Recht und gestützt darauf namentlich im kommunalen Kanalisationsreglement (KR) eine taugliche Haftungsgrundlage finde für eine Überwälzung derjenigen Kosten der Gemeinde auf den Verursacher, die nicht über Art. 8 GSchG abgewickelt werden können (vgl. dazu nachfolgend, Erw. 2).

b) Das Bundesgericht hat des weitern entschieden,

– dass das Verwaltungsgericht den Bf zu Recht als Verhaltensstörer eingestuft hat (vgl. zit. BGE, Erw. 8b),

– dass die Gemeinde als Besitzerin und Betreiberin der (damals defekten) Kanalisation als Zustandsstörerin gilt (vgl. zit. BGE, Erw. 8c),

– und dass der durch fehlerhaftes Verhalten Störende vor dem ohne Verschulden für einen rechtswidrigen Zustand Haftenden und vor einem ohne Verschulden für einen nicht besonders gefahrenträchtigen Zustand Haftenden zur Kostendeckung heranzuziehen ist (vgl. zit. BGE, Erw. 9c).

c) Die nachfolgend aufgeführten Fragen/Themenbereiche wies das Bundesgericht zur Neubeurteilung an das Verwaltungsgericht zurück:

aa) Gibt es im kantonalen oder kommunalen Recht eine Haftungsgrundlage für die von Art. 8 GSchG nicht erfassten Schäden? (vgl. auch oben, Erw. 1a und nachfolgend Erw. 2)

bb) Hat die Gemeinde hinsichtlich Unterhalt/periodische Kontrolle der Kanalisationsleitungen (auf ihre Dichtigkeit hin) Sorgfaltspflichten schuldhaft verletzt?

(Mithaftung der Gemeinde als Verhaltensstörerin wegen nachlässiger Durchführung ihrer Wartungs- und Kontrollaufgaben? vgl. zit. BGE, S. 16).

Wäre der Sanierungsaufwand tiefer ausgefallen, wenn die Gefahr einer Gewässerverschmutzung früher erkannt worden wäre? (vgl. zit. BGE, S. 16 unten).

cc) Weshalb liessen Kanton und Gemeinde – obwohl sie aufgrund eines Schreibens des Laboratoriums der Urkantone v. 19.11.1982 Kenntnis vom geplanten Einbau einer Säure- und Laugentankanlage hatten – damals (1983) die Erstellung der neuen Säure- und Laugentankanlage unbewilligt? (vgl. zit. BGE, S. 20).

(Mithaftung der Gemeinde und/oder des Kantons als Verhaltensstörer wegen Untätigkeit ihrer Behörden?).

(Hätte das Amt für Umweltschutz [AfU] bzw. das kantonale Gewässerschutzamt spätestens dann tätig werden müssen, als es 1987 Kenntnis erhalten hatte, dass der Bf eine Offerte für eine Anlage zur Neutralisation der gesamten Käsereiabwässer eingeholt hatte, vgl. zit. BGE, S. 20).

(Haben Kanton und Gemeinde ihre gewässerschutzrechtlichen Kontroll- und Aufsichtspflichten nicht oder nur ungenügend erfüllt?).

2. Gibt es im kantonalen oder kommunalen Recht eine Haftungsgrundlage für die von Art. 8 GSchG nicht erfassten Schäden?

a) Wenn der Bund in einem ihm zustehenden Kompetenzbereich eine umfassende und abschliessende Regelung aufgestellt hat, ist kein Raum mehr für kantonales Recht. Ob der Bund eine Materie abschliessend geregelt hat, ist eine – oft schwierige – Auslegungsfrage (vgl. Ulrich Häfelin/Walter Haller, Schweizerisches Bundesstaatsrecht, 2. A. Rz 383, vgl. auch den Grundsatz der derogatorischen Kraft des Bundesrechts). Soweit das Bundesrecht eine Materie nicht abschliessend regelt, sind die Kantone befugt, diesbezüglich im kantonalen Recht eigene Regelungen zu treffen (vgl. Art. 3 BV; vgl. auch F. Bendel, Bundesrecht und autonomes kantonales Recht im Bereiche des Gewässerschutzes, ZBl 1974, S. 417ff.).

b) Was die Haftpflicht im Bereich der Gewässerverschmutzung anbelangt, statuierte Art. 36 des Gewässerschutzgesetzes vom 8. Okt. 1971 (GSchG) eine Kausalhaftung, d.h. eine Haftung ohne Verschulden für jede Gewässerverschmutzung als solche, unabhängig von der Art der Ursache (vgl. Oftinger/Stark, Schweizerisches Haftpflichtrecht, Besonderer Teil, Bd. II/1, Zürich 1987, N. 3 zu § 23). Des weitern sah Art. 8 GSchG eine verwaltungsrechtliche Schadenersatzpflicht für den Fall vor, dass eine Verunreinigung eines Gewässers unmittelbar zu befürchten, oder die Behebung einer eingetretenen Verunreinigung eines Gewässers geboten war (vgl. Oftinger/Stark, a.a.O., N. 30 zu § 23).

c) In der Zwischenzeit ist das neue Bundesgesetz über den Schutz der Gewässer vom 24. Jan. 1991 (nGSchG, SR 814.20) per 1. Nov. 1992 in Kraft getreten. In Art. 54 nGSchG werden die Kosten von Massnahmen, welche die Behörden zur Abwehr einer unmittelbar drohenden Gefahr für die Gewässer sowie zur Feststellung und zur Behebung eines Schadens [nach bisherigem Recht hiess es: „zur Feststellung und zur Behebung einer Verunreinigung] treffen, dem Verursacher überbunden. Des weitern wurde in Art. 69 nGSchG die Haftungsregelung von einer reinen Erfolgshaftung (vgl. Art. 36 GschG) in eine Gefährdungshaftung umgestaltet, welche nur für Betriebe, Anlagen und Einrichtungen gelten soll, von denen qualifizierte Risiken für die Gewässer ausgehen. Für Schäden, die vorsätzlich oder fahrlässig durch Verstoss gegen eine allgemeine oder im Gesetz spezifizierte Sorgfaltspflicht verursacht werden, wird daneben weiterhin die allgemeine Verschuldenshaftung aus Art. 41 OR zur Anwendung kommen (vgl. BBl 1987, S. 1161 oben).

d) Die dargelegte Neufassung von Art. 54 nGschG (im Vergleich zu Art. 8 GSchG) legt den Schluss nahe, dass im neuen (bundesrechtlichen) Gewässerschutzrecht das Verursacherprinzip konsequenter umgesetzt wurde, weil nunmehr von einer „Behebung eines Schadens" gesprochen wird, derweil Art. 8 GschG auf die „Behebung einer Verunreinigung" abstellte. Bei dieser neuen (Bundes)Rechtslage ist fraglich, ob im Bereich des Gewässerschutzes Raum für eine andere (strengere) kantonale Haftungsregelung bleibt. Diese Frage kann aber offen bleiben, da für den konkreten Fall das neue GSchG vom 24. Jan. 1991 ohnehin nicht anwendbar ist (weil es erst am 1. Nov. 1992 und somit rund 32 Monate nach Erlass der zugrundeliegenden Verfügung vom 22. Jan. 1990 in Kraft getreten ist; vgl. dazu auch URP 1994, S. 503, Erw. 2a).

e) Im zit. BGE vom 20. Nov. 1992 (S. 13f.) stellte das Bundesgericht fest, dass die Kosten für die Sanierung des nur leicht beschädigten, noch voll funktionstüchtigen Hauptkanals nicht gestützt auf Art. 8 GSchG dem Verursacher überbunden werden können. Es wies indessen darauf hin, dass das Verwaltungsgericht hätte prüfen müssen, ob sich im kantonalen Recht und gestützt darauf im kommunalen Recht, namentlich im Kanalisationsreglement der Gemeinde X., eine taugliche Haftungsgrundlage findet für eine Überwälzung derjenigen Kosten der Gemeinde auf den Verursacher, die nicht über Art. 8 GSchG abgewickelt werden können.

Gemäss diesen Ausführungen ist anzunehmen, dass nach bundesgerichtlicher Auffassung, nach dem bisherigen Bundesrecht (GSchG vom

8. Okt. 1971) die Kantone im Bereich des Gewässerschutzes eine Haftungsregelung vorsehen durften, welche weiterging als die Regelung gemäss Art. 8 GSchG. Ob diese Schlussfolgerung mit der Auffassung des Bundesgerichts vollumfänglich übereinstimmt, braucht hier aus den folgenden Gründen nicht näher abgeklärt zu werden. Die kantonale Vollzugsverordnung zum Bundesgesetz über den Schutz der Gewässer gegen Verunreinigung (VVzGSchG, nGS IV-475) enthält weder eine gesetzliche Grundlage für eine (kantonalrechtliche) Haftungsregelung, noch eine Delegationsnorm in dem Sinne, dass der kommunale Gesetzgeber im Bereich des Gewässerschutzes eine Haftungsregelung einführen könne, welche weitergehe als die bundesrechtliche Regelung gemäss Art. 8 GSchG. Ebensowenig ist eine Bestimmung in einem anderen Erlass ersichtlich, welche als gesetzliche Grundlage für eine kantonalrechtliche Haftungsregelung im Bereich des Gewässerschutzes herangezogen werden könnte. Dieses Ergebnis wird auch durch die Ausführungen des kantonalen Departements des Innern in der Stellungnahme vom 12. Sept. 1994 untermauert (vgl. ferner auch Adrian Kennel, Die Autonomie der Gemeinde und Bezirke im Kanton Schwyz, S. 231f., wonach die Autonomiebefugnisse der Schwyzer Gemeinden im Bereich des Gewässerschutzes hauptsächlich die Projektierung, den Bau und Betrieb der öffentlichen Kanalisationen und Abwasserreinigungsanlagen sowie die Festlegung der Beitrags- und Gebührenordnung bzw. der Zahlungsmodalitäten betreffen).

Zwischenergebnis: Gemäss diesen Darlegungen kennt das kantonale Recht keine hinreichende gesetzliche Grundlage, um dem Beschwerdeführer die Kosten der Sanierung des Hauptkanals überwälzen zu können.

3. Hat die Gemeinde hinsichtlich Unterhalt/ periodische Kontrolle der Kanalisationsleitungen (auf ihre Dichtigkeit hin) Sorgfaltspflichten schuldhaft verletzt?

(Mithaftung der Gemeinde als Verhaltensstörerin wegen nachlässiger Durchführung ihrer Wartungs- und Kontrollaufgaben? vgl. zit. BGE, S. 16).

Wäre der Sanierungsaufwand tiefer ausgefallen, wenn die Gefahr einer Gewässerverschmutzung früher erkannt worden wäre? (vgl. zit. BGE, S. 16 unten).

a) Das Bundesgericht hat im zit. BGE festgehalten, dass zum Unterhalt auch die periodische Kontrolle der Kanalisationsleitungen auf ihre Dichtigkeit hin gehöre. Nach dem Gutachten „…" wurde die Kanalisation seit 1983 „mehr oder weniger kontinuierlich" angegriffen. Im Nov. 1987 habe die Gemeinde nach eigenen Angaben letztmals eine ergebnislose Routinekontrolle der fraglichen Kanalisationsleitungen durchgeführt. Das Gutachten gehe davon aus, dass in diesem Zeitpunkt die Schäden erkennbar waren (act. 039 UV). Wenn man sich den durch die Fotos dokumentierten Zustand des Nebenkanals 26 per Ende 1989 vor Augen halte, so erscheine es als eher unwahrscheinlich, dass rund zwei Jahre zuvor noch keine Schäden feststellbar gewesen sein sollten (vgl. zit. BGE, S. 16). Auch die Ausführungen im EMPA-Bericht vom 9. April 1990 deuten auf eine relativ langdauernde Wirkung von Säure auf den Beton hin (vgl. zit. Bericht, S. 3, act. 039 D). Allerdings wurde in diesem Bericht auf den konkreten zeitlichen Horizont (Einwirkungszeitraum) nicht näher eingegangen.

b) Das Departement des Innern vertrat in der Stellungnahme vom 12. Sept. 1994 sinngemäss die Auffassung, dass die Kanalisationskontrolle der Gemeinde im November 1987 und dann Ende 1989, d.h. in einem Zeitabstand von rund 2 Jahren vollauf zur Wahrnehmung der Sorgfaltspflicht der Gemeinde genügt habe (vgl. zit. Stellungnahme, S. 2 oben).

In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass der Regierungsrat im RRB Nr. 1951 vom 5. Nov. 1979 (betr. Genehmigung und Beitragszusicherung hinsichtlich der Nebenkanäle 20/26 in X. in Dispositiv-Ziffer 1a gegenüber der Gemeinde verfügte, dass die Dichtigkeit der Kanalisationsbauwerke mit Stichproben nachzuweisen sei, sowie die richtige Funktion durch periodische Unterhaltsarbeiten dauernd gewährleistet sein müsse, wofür der Gemeinderat verantwortlich sei (vgl. AfU-act. 7). Diese Zuweisung der Verantwortung steht im Einklang mit § 10 Abs. 1 VVzGSchG (in der Fassung vom 24.10.1973), wonach die Gemeinden öffentliche Kanalisationen bauen und betreiben.

Der Gemeinderat erläuterte in der Stellungnahme vom 30. Sept. 1994 (S. 3), dass jährlich von den entsprechenden Fachleuten (Baupräsident, Strassenmeister, Bausekretär etc.) Kontrollen durchgeführt und bei Feststellung von Mängeln/Schäden unverzüglich Reparaturaufträge erteilt worden seien. Mindestens jedes zweite Jahr seien die Leitungen fachmännisch durchgespült worden.

c) Im Rahmen des Augenscheines vom 25. April 1995 erläuterten die Gemeindevertreter einerseits die Durchführung der jährlichen Sichtkontrollen mit einer Demonstration. Gemäss dieser Demonstration wurde bei den Kontrollen – je nach den Platzverhältnissen – entweder in den Kanalisationsschacht hinuntergestiegen, oder die Kontrolle wurde bei geöffnetem Schachtdeckel von oben vorgenommen, indem der betreffende Rohrabschnitt von einem Schacht zum nächsten mit Hilfe eines in den Schacht gehaltenen Spiegels und eines Lichtstrahles abgetastet und auf Unebenheiten usw. hin abgesucht wurde (vgl. dazu das ähnliche Prinzip bei der Laufkontrolle eines Sturmgewehres 57, vgl. Augenscheinprotokoll, S. 3 unten). Die kontrollierenden Personen verwendeten für solche Sichtkontrollen speziell angefertigte Hilfsmittel („angewinkelter Spiegel an einer Verlängerungsstange"), welche am Augenschein präsentiert wurden. (Zudem wurde die Kanalsohle im Schachtbereich mit einem grossen Schraubenzieher geprüft.) Heute wird mit Videokameras kontrolliert, welche auf einer „Laufkatze" (Roboter) montiert sind und den zu kontrollierenden Leitungsabschnitt aufnehmen (vgl. Augenscheinprotokoll, S. 4).

Anderseits erläuterten die Gemeindevertreter während der Augenscheinverhandlung, wie die in der Regel im Zweijahresrhythmus erfolgten Kanalisations-Durchspülungen abliefen. Den nachgereichten Unterlagen (Gemeinderatsbeschlüsse vom 24. Febr. 1986 und vom 9. Febr. 1987) ist zu entnehmen, dass im Herbst 1986 sowie im Herbst 1988 das Durchspülen der Kanalisationen zum Bestandteil von Zivilschutzübungen gehörte. Aufzeichnungen von diesen Durchspülarbeiten sind hingegen nicht aktenkundig. Im Dezember 1989 war die Firma „…" beauftragt, mit Spezialgeräten Kanalisationsdurchspülungen vorzunehmen, worauf der Schaden entdeckt wurde (vgl. Augenscheinprotokoll, S. 4, lit. g).

d) Die vorerwähnten Aspekte zeitigen folgende Ergebnisse:

Auf der einen Seite stehen die Mutmassungen des Gutachtens „…" sowie des BGEs (S. 16), wonach es unwahrscheinlich sei, dass bei der letzten Routinekontrolle (nach damaligem Kenntnisstand im Nov. 1987) keine Schäden feststellbar gewesen sein sollen. Für diesen Standpunkt spricht auch der EMPA-Bericht, wonach von einer relativ langdauernden Einwirkung von Säure auf Beton auszugehen ist.

Auf der anderen Seite stehen die (glaubhaften) Vorbringen der Gemeindevertreter, wonach bei den jährlichen Sichtkontrollen, welche durch die Präsentation spezieller Hilfsmittel untermauert wurden sowie bei den regelmässigen Durchspülungen keine Beschädigungen im Nebenkanal 26 entdeckt wurden.

Folgt man der Argumentation der Gemeinde, verhielte es sich so, dass – ausgehend von jährlichen Sichtkontrollen – der Nebenkanal 26 im Jahre 1988 (= Vorjahr vor der Entdeckung des Schadens) kontrolliert und kein Schaden festgestellt wurde. Dementsprechend wäre nach der Argumentation der Gemeinde der Schaden im wesentlichen im Zeitraum zwischen 1988 („letzte Sichtkontrolle") und 15. Dez. 1989 (Entdeckung des Schadens, vgl. Gutachten „…", S. 1) verursacht worden. Diese Argumentation kann nach dem vorliegenden Aktenmaterial deshalb nicht ausgeschlossen werden, weil (abgesehen von den zit. Mutmassungen) keine gesicherten Erkenntnisse hinsichtlich der Frage vorliegen, wann von der Käserei welche Mengen aggressiver Abwässer (u.a. säurehaltige Abwässer) in die Kanalisation gelangten. Gemäss zit. Gutachten erklärte der Bf, dass die Leitfähigkeitssonde (welche nach Einschätzung der Gutachter keine geeignete Messmethode zur Einhaltung des pH-Grenzwertes bei den Spülwässern darstelle) „mehrere Male defekt war und zur Reparatur gesandt wurde". Daraus folgerten die Gutachter, „dass die Säure- und Laugenkonzentration des Spülwassers bis zur Entdeckung des Defektes jeweils noch grösser war". Wann aber diese Defekte auftraten und wann dabei besonders aggressive Abwässer (in welcher Konzentration und in welcher Zeitdauer) in die Kanalisation gelangten, ist weder aktenkundig noch im heutigen Zeitpunkt nachträglich eruierbar. Überdies mutmasste auch der Bf ursprünglich, dass der Schaden sehr wahrscheinlich darauf zurückzuführen sei, dass „irgendwann eine hochkonzentrierte Lauge/Säure in das KS-System gelangte", möglicherweise aufgrund eines allfälligen Defektes innerhalb des Käsereibetriebes (…).

Des weitern ist nicht zu übersehen, dass der Wert der vorerwähnten Sichtkontrollen wesentlich davon abhängt, wie sorgfältig diese Kontrollarbeiten durchgeführt wurden. Diesbezüglich ist es im heutigen Zeitpunkt nicht möglich, rückblickend die Qualität bzw. die damals bei den Kontrollen verwendete Sorgfalt schlüssig zu bewerten. Abgesehen von den oberwähnten Mutmassungen (gemäss Gutachten/BGE) sind keine Anhaltspunkte ersichtlich für die Annahme, dass die Kontrollen unsorgfältig durchgeführt wurden bzw. bei sorgfältigerer Kontrolle bereits früher Schäden erkennbar gewesen wären. Fehlen derartige Anhaltspunkte, stellt sich die Frage, ob nicht nach allgemeiner Erfahrung angenommen werden dürfe, dass die Arbeit der betreffenden Gemeindeangestellten bzw. Gemeindeorgane (vgl. Baupräsident) mit hinreichender Sorgfalt durchgeführt wurde. Hier ist zu ergänzen, dass die damals üblichen Kontrollarten (sofern sie hinreichend sorgfältig erfolgten), grundsätzlich ausreichend waren (vgl. dazu noch nachfolgend, Erw. 3f). Auch der Kontrollrhythmus (1x pro Jahr) gibt keinen Anlass zur Beanstandung.

e) Gestützt auf diese Ausführungen ist festzuhalten, dass eine nachlässige Durchführung der Kanalisationskontrollen durch die Gemeinde weder nachgewiesen ist noch ausgeschlossen werden kann. Die gleiche Unsicherheit gilt auch bei der Beantwortung der im zit. BGE aufgeworfenen Frage, ob der Sanierungsaufwand wirklich tiefer ausgefallen wäre, wenn die Gefahr der Gewässerverschmutzung früher (im Rahmen einer früheren Kontrolle) entdeckt worden wäre. Denn ungeachtet der zwischenzeitlich erfolgten Abklärungen kann die Frage, ob und inwiefern bei sorgfältiger Kontrolle im Jahre 1987 bzw. 1988 ein Schaden (mit welchem Intensitätsgrad?) feststellbar gewesen wäre, rückblickend nicht schlüssig beantwortet werden. Falls der im Zeitpunkt der letzten Kontrolle (1987 bzw. 1988) gegebenenfalls vorhandene Schaden gering war, ist nicht auszuschliessen, dass die kontrollierenden Personen nach der damals üblichen Kontrollmethode keinen Schadensbefund feststellen konnten, zumal wenn im Kontrollzeitpunkt vermehrt Abwasser durch die Kanalisation floss. Falls der im Zeitpunkt der letzten Kontrolle (1987 bzw. 1988) gegebenenfalls vorhandene Schaden bereits gross war (wobei keine gesicherten Erkenntnisse für diese Annahme bestehen), spräche dieser Umstand gegen die Annahme, dass die gemeindeseits vorgebrachten Kanalisationskontrollen im fraglichen Bereich des Nebenkanals 26 hinreichend sorgfältig durchgeführt wurden.

f) All diese vorerwähnten Unsicherheitsfaktoren (im Zusammenhang mit der Frage, ob eine nachlässige Durchführung der Kanalisationskontrolle durch die Gemeinde vorliegt) rechtfertigen es nicht, eine Mithaftung der Gemeinde im Ergebnis völlig auszuschliessen. Für dieses Ergebnis spricht namentlich,

– dass die Sachverständigen (ausgehend vom Zustand der Kanalrohrwandung) übereinstimmend von einer länger dauernden Einwirkung aggressiver Käserei-Abwässer ausgingen (vgl. Gutachten „…" sowie EMPA-Bericht),

– und dass nicht nur die Kanalsohle, welche oft mit abfliessendem Abwasser bedeckt ist (und von daher hier lokalisierte Schäden schwieriger zu entdecken sind), tangiert wurde, sondern im Bereich des früheren Einlaufes der Käserei-Abwässer auch ein höher liegender Teil der Rohrwandung ausgefressen wurde; es handelt sich dabei um denjenigen Abschnitt der Rohrwandung oberhalb der Kanalsohle, auf welchen die von der Käserei zugeleiteten Abwässer aufprallten. Mit anderen Worten sind die Schäden am zuletzt erwähnten Rohrwandungsabschnitt – namentlich im Rahmen der oben erläuterten Sichtkontrolle – viel besser und schneller zu erkennen als Schäden im Bereich der Kanalsohle (vgl. dazu das Foto 1, …).

Allerdings kann die Haftungsquote der Gemeinde für allenfalls zuwenig sorgfältige Kontrollen kein hohes Ausmass erreichen, weil der freiheitliche (Rechts)Staat – im Gegensatz zum Polizeistaat – auf der Selbstverantwortung seiner Bürger und auf gegenseitigem Vertrauen aufbauen kann, weshalb von daher weniger Kontrollen nötig sind. Analog führte in einem Fall aus dem Kt. St.Gallen mit ähnlichem, durch einen Käsereibetrieb verursachten Kanalisationsschaden das betreffende Gericht gestützt auf die Doktrin aus, die amtlichen Kontrollen könnten nicht derart intensiv sein, dass sie alle Mängel sofort erkennen (vgl. GVP-SG 1989, Nr. 27 bzw. SJZ 1991, S. 86f. mit Hinweis auf Oftinger/Stark, a.a.O., N 76 zu § 19). Hinzu kommt der bereits angeführte Umstand, wonach heute nicht zuverlässig beurteilt werden kann, welcher Sanierungsaufwand einsparbar gewesen wäre, wenn die Organe der Gemeinde im Rahmen der damaligen Kontrollen gegebenenfalls auf ein Frühstadium des später eingetretenen Schadenbildes gestossen wären.

4. Weshalb liessen Kanton und Gemeinde – obwohl sie aufgrund eines Schreibens des Laboratoriums der Urkantone vom 19.11.1982 Kenntnis vom geplanten Einbau einer Säure- und Laugentankanlage hatten – damals (1983) die Erstellung der neuen Säure- und Laugentankanlage unbewilligt? (vgl. zit. BGE, S. 20).

(Mithaftung der Gemeinde und/oder des Kantons als Verhaltensstörer wegen Untätigkeit ihrer Behörden?).

(Hätte das Amt für Umweltschutz [AfU] bzw. das kantonale Gewässerschutzamt spätestens dann tätig werden müssen, als es 1987 Kenntnis erhalten hatte, dass der Bf eine Offerte für eine Anlage zur Neutralisation der gesamten Käsereiabwässer eingeholt hatte, vgl. zit. BGE, S. 20).

(Haben Kanton und Gemeinde ihre gewässerschutzrechtlichen Kontroll- und Aufsichtspflichten nicht oder nur ungenügend erfüllt?).

a) Das Bundesgericht stellte im zit. BGE (S. 18f.) fest,

– dass nach damals geltendem Recht Säure- und Laugentankanlagen ab 400 l Gesamtnutzinhalt eine Bewilligung einer kantonalen Behörde benötigten,

– dass die vom Bf 1983 eingebauten Vorratstanks ein Fassungsvermögen von je 1200 l aufwiesen und damit bewilligungspflichtig waren,

– dass nach den Akten wohl verschiedene Amtsstellen kontaktiert wurden (u.a. Laboratorium der Urkantone), indessen davon ausgegangen werden muss, dass der Bf 1983 die Säure- und Laugentankanlage sowohl ohne Baubewilligung als auch ohne die erforderliche gewässerschutzrechtliche Bewilligung erstellte,

– dass gemäss dem Gutachten „…" die Anlage einen technischen Mangel aufwies, den der Bf – anders als ein Fachmann – nicht erkennen konnte, indessen der Bf aus dem Umstand, dass er die erforderlichen Bewilligungen nicht einholte nichts zu seinen Gunsten ableiten könne,

– dass dann, wenn ein Gemeinwesen seine ihm obliegenden Aufgaben im Bereich der präventiven Gefahrenabwehr nicht richtig erfüllt, dieses Gemeinwesen nach der Praxis zwar nicht ohne weiteres als (Mit-)Verursacher oder Verhaltensstörer betrachtet werden darf, jedenfalls so lange, als durch behördliche Unterlassungen noch keine unmittelbare Gefahr einer Gewässerverschmutzung entstanden sei; anders zu entscheiden sei dann, wenn Umstände vorgelegen hätten, welche den Eintritt eines Schadens konkret hätten befürchten lassen, also etwa dann, wenn schon die früheren Anlagen mit Säure- und Laugentanks eine potentielle Gefahr für die Kanalisationsleitungen und die Gewässer bedeuteten, und die Notwendigkeit ihres Ersatzes durch eine neue Anlage (deren technisches Genügen die Gewässerschutzbehörden hätten beurteilen können) bekannt war (vgl. zit. BGE, S. 19f.).

b) Wie der Beschwerdeführer in seiner Stellungnahme vom 21. Nov. 1994 zutreffend ausführte, hatten die Kantone geeignete Dienste für die frühzeitige Feststellung und die wirksame Behebung von Gewässerverunreinigungen oder -gefährdungen zu schaffen (vgl. Art. 5 Abs. 3 GSchG in der Fassung vom 8.10.1971 i.V.m. Art. 10 Abs. 3 Allgemeine Gewässerschutzverordnung v. 19.6.1982). Nach Art. 18 GSchG i.V.m. Art. 1 Abs. 6, 7, 10–15 der Verordnung über Abwassereinleitungen vom 8. Dez. 1975 (vgl. AS 1975, S. 2403ff.) hatten die kantonalen Behörden die örtlichen Bedingungen für die Einleitung von gewerblichen Abwässern in die öffentliche Kanalisation zu beurteilen und gegebenenfalls das Nötige (z.B. Vorbehandlungsanlagen) anzuordnen. Gemäss § 3 VVzGSchG (in der Fassung vom 24.10.1973) ist das kantonale Amt für Umweltschutz die kantonale Fachstelle für Gewässerschutz nach Art. 5 Abs. 3 GSchG. Nach § 4 Abs. 2 VVzGSchG (in der Fassung vom 24. 10. 1973) ist das AfU insbesondere zuständig für die Aufsicht über die Funktionstüchtigkeit öffentlicher und privater Abwasseranlagen (lit. f mit Hinweis auf Art. 17 Abs. 3 GSchG), für die Anordnung besonderer Arten der Behandlung und Ableitung von Abwässern (lit. g mit Hinweis auf Art. 18 Abs. 1 GSchG) und für die Bewilligung für den Bau, die Änderung und die Erweiterung von Tankanlagen (lit. m mit Hinweis auf Art. 25 Abs. 2 GSchG).

c) In der Folge ist zu prüfen, ob im konkreten Fall Umstände ersichtlich sind, welche bereits zu einem früheren Zeitpunkt ein behördliches Einschreiten geboten und dadurch die Entstehung des späteren Schadenbildes verhindert hätten. (…)

5. c) (…)

All diese Ausführungen legen den Schluss nahe, dass sowohl die kantonalen Instanzen wie auch die Organe der Gemeinde im konkreten Fall ihren gewässerschutzrechtlichen Pflichten nicht hinreichend nachkamen, und dass bei sorgfältigerer Wahrung der dargelegten behördlichen Pflichten wahrscheinlich die betreffenden Mängel früher erkannt worden wären, bzw. das Ausmass des Schadens hätte eingeschränkt werden können. Den in Frage kommenden Pflichtverletzungen der Behörden kann die objektive Eignung, eine Wirkung in der Art des tatsächlich eingetretenen Schadens mitverursacht zu haben, nicht abgesprochen werden. Mithin ist davon auszugehen, dass ein natürlicher und adäquater Kausalzusammenhang zwischen dem Verhalten der erwähnten Behörden einerseits und dem eingetretenen Schaden anderseits mit dem Beweisgrad der Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist.

Zusammenfassend rechtfertigt es sich,

– ausgehend von den oben dargelegten Ungewissheiten, welche aufgrund des Zeitablaufes nicht mehr ausgeräumt werden können,

– und um allen Eventualitäten gerecht zu werden,

– sowie aus Billigkeitsgründen,

den Kanton und die Gemeinde ebenfalls als Verhaltensstörer heranzuziehen, weil sie selbst nicht alles Zumutbare unternommen haben, um vorausschauend eine Zerstörung des Nebenkanals 26 bzw. eine Gewässerverunreinigung zu verhindern (vgl. dazu auch URP 1994, S. 505, Erw. 4g/bb in fine). (…).

(VGE 715/92 vom 22. Juni 1995).

 

10

Arbeitsvergebung

– Vergebung von Ingenieurarbeiten im Zeittarif mit Kostendach.

Aus den Erwägungen:

2. d) Nach Ansicht der Bf beinhaltet eine Vergabe im Zeittarif mit fixiertem Kostendach mindestens zwei Vergabekriterien: den Rabattansatz auf die Ansätze des Kts. Schwyz und das geschätzte Kostendach. Die Vorinstanz habe nun bei der Vergabe nicht berücksichtigt, dass sie den günstigsten Rabattansatz (14%) offerierten.

Gemäss § 16 Abs. 1 SubV erfolgt die Vergebung an denjenigen Bewerber, der das günstigste Angebot eingereicht hat. Als günstigtes Angebot gilt dasjenige, das unter Berücksichtigung insbesondere der fachgerechten und rechtzeitigen Ausführung der Arbeit oder Lieferung den tiefsten Preis aufweist. Bei annähernd gleich günstigen Angeboten sind verschiedene Kriterien zu berücksichtigen (§ 16 Abs. 2 SubV).

Gefragt ist eine verbindliche Preisangabe. Der Rabattansatz ist zwar für sich ein der Verbindlichkeit zugängliches Kriterium, jedoch nur ein Faktor der Preisgestaltung. Der andere Faktor, der geschätzte Stundenaufwand, kann hingegen naturgemäss nicht verbindlich offeriert werden, womit der Rabatt auf die kantonalen Stundenansätze als Vergabekriterium ebenfalls nicht tauglich ist. Allerdings wird sich der gewährte Rabatt bei der Berechnung des Kostendaches niederschlagen und insoweit mitberücksichtigt werden. Als verbindliches Angebot verbleibt somit die eingereichte Maximalhonorarsumme, das sog. Kostendach.

e) Die Bf bemängeln sinngemäss, der Begriff des Kostendaches sei unklar. (…)

Der Begriff „Kostendach" findet sich weder in der Submissionsverordnung noch in der SIA-Norm 108. Was die Vorinstanz darunter versteht, hat sie in ihrem Einladungsschreiben (RR act.) wie folgt umschrieben:

„Das Kostendach soll der Vergebungsbehörde aufzeigen, mit welchen maximalen Honoraraufwendungen für diese Sanierung gemäss der Erfahrung der Bewerber zu rechnen ist. Die Bauherrschaft behält sich vor, das Kostendach den, der Auftragsvergabe entsprechenden Anlagekosten anzupassen."

Daraus und aufgrund der konkreten Begleitumstände ist zu folgern:

– Die Arbeitsausführung darf im teuersten Fall nicht mehr kosten, als mit dem Kostendach offeriert wurde. Eine Unterschreitung dieser Maximalhonorarsumme ist selbstverständlich zulässig und erwünscht. Der Unterschreitungsgrad ist im Zeitpunkt der Vergabe eine Unbekannte und die Annahme einer Unterschreitungswahrscheinlichkeit spekulativ; sie fallen als Vergabekriterien deshalb ausser Betracht.

– Das Kostendach bezieht sich auf das ausgeschriebene Leistungsverzeichnis. Abweichungen hievon führen zu entsprechenden Anpassungen des Rostendaches bzw. zu Zusatzleistungen. Insofern kann das Kostendach überschritten werden.

Die Vorinstanz macht vernehmlassend geltend, wenn sich eine Überschreitung abzeichne, müsse solcher Mehraufwand begründet und allenfalls als Zusatzauftrag bestätigt werden (Vernehmlassung S. 4 f.). Zu ergänzen ist, dass mit der Begründung auch darzulegen ist, dass aufgrund des Leistungsverzeichnisses und der vom Gemeinwesen zur Verfügung gestellten Unterlagen der Mehraufwand nicht voraussehbar war. Es genügt also nicht, wenn allein die Begründetheit des Mehraufwandes ausgewiesen ist. Andernfalls würde die Verbindlichkeit eines Kostendaches und mithin die Vergabe zur Farce. Die Gefahr, dass ein Bewerber deswegen seine Selbstkosten nicht zu decken vermag, wird durch die Prüfung, ob betr. die offerierten maximalen Honorarforderungen offensichtliche Unterangebote vorliegen, ausgeschlossen (§ 18 SubV).

Die Vorinstanz macht vernehmlassend des weiteren geltend, sie prüfe auch die Ausgewogenheit des Personaleinsatzes hinsichtlich des Anteils der einzelnen Funktionsstufen. Liege die Offerte zudem im Rahmen von Erfahrungszahlen und sei die Aufwandberechnung mit den einzelnen Mitarbeiterkategorien und entsprechenden Stundenlohnansätzen, mit allenfalls gewährten Rabatten, angemessen, könne die Vergabe entsprechend dem offerierten günstigsten Kostendach vorgenommen werden. Es ist an dieser Stelle daran zu erinnern, dass hinsichtlich Angebotshöhe nur offensichtliche Unterangebote nicht mitzuberücksichtigen sind. Sofern es an einem ausgewogenen Personaleinsatz mangelt, ist allenfalls zu prüfen, ob der Bewerber wegen mangelnder Erfahrung und Sachkenntnis oder wegen Nichtbeachtens der Ausschreibungsbedingungen aus dem Bewerb auszuschliessen ist. Sollten sich die Angebote ausserhalb der Erfahrungszahlen bewegen, könnte unter Umständen ein Verzicht auf den Zuschlag geboten sein (§ 19 SubV).

(VGE 568/95 vom 22. Juni 1995).

 

11

Gastgewerbe

– Patententzug (§ 42 Abs. 1 lit. a Gastgewerbegesetz, GGG): Betriebsleitung durch Drittpersonen statt durch Patentinhaberin (§ 8 Abs. 1 GGG).

Aus den Erwägungen:

1. Nach § 8 des Gesetzes über das Gastgewerbe und den Handel mit alkoholischen Getränken vom 1.3.1974 (nGS V 560) hat der Patent- oder Bewilligungsinhaber seinen Betrieb unter eigener Verantwortung zu führen.

Wird ein patent- oder bewilligungspflichtiger Betrieb durch einen Arbeitnehmer auf Rechnung eines Arbeitgebers geführt, so ist das Patent oder die Bewilligung auf die Person des verantwortlichen Arbeitnehmers auszustellen (§ 7 Abs. 2 GGG).

2. Nach dem Willen des Gesetzgebers muss demnach der Patentinhaber den Betrieb nicht auf eigene Rechnung, jedoch unter eigener Verantwortung führen. Diese Verantwortung hat er durch regelmässige Anwesenheit im Betrieb wahrzunehmen. Keinesfalls genügt es, dass der Patentinhaber einem Arbeitnehmer mittels Weisungen die Einhaltung der gastgewerblichen und polizeilichen Pflichten auferlegt. Würde diese Weisungsbefugnis für die Erteilung des Patentes ausreichen, wäre die Bestimmung von § 7 Abs. 2 GGG überflüssig, ebenso die Bestimmung, wonach das Patent nur für einen Betrieb erteilt werden kann (§ 7 Abs. 1 GGG).

3. Vorgängig der Patenterteilung hat die Beschwerdeführerin (Bf) einen Arbeitsvertrag mit X. als Arbeitgeber und ihr als Arbeitnehmerin eingereicht, wonach sie ab 23. März 1994 als Gerantin im Betrieb (…) angestellt sei. Schon der Begriff „Gerant" weist auf das Erfordernis einer regelmässigen Anwesenheit im Betrieb hin. Die Bf hat mit ihrer Erklärung vom 17. April 1994 unmissverständlich kundgetan, dass sie den Betrieb unter eigener Verantwortung führe, ihr klar sei, dass das Patent persönlich und nicht übertragbar sei, und das Patent nicht benutzt werden dürfe, um einer andern Person die Ausübung des Gastgewerbes zu ermöglichen. Zudem hat der Regierungsrat im Beschluss vom 26. April 1994 diese Auflagen noch verdeutlicht, indem er bestimmte, dass das Lokal durch die Patentinhaberin selbst und unter eigener Verantwortung zu führen ist.

Wie sich aus dem Rapport der Kantonspolizei Schwyz vom 16. September 1994 ergibt, hat die Polizei in der Zeit vom 20. Mai 1994 bis 7. August 1994 12 Kontrollen im fraglichen Betrieb durchgeführt. Die Patentinhaberin war ein einziges Mal anwesend, nämlich am Dienstag, 24. Mai 1994. In den übrigen Fällen war sechsmal der Arbeitgeber der Bf, dreimal die Aushilfe Frau Y. und zweimal Herr Z. anwesend.

Seitens der Bf wird dies nicht bestritten. Sie behauptet jedoch, dass sie jeweils an Samstagen und Sonntagen sowie an Feiertagen freinehme und nicht im Betrieb weile, und dass sie diesen öfters um 22.00 Uhr verlasse.

Selbst wenn der Bf zuzugestehen ist, dass keine Verpflichtung zur ständigen Anwesenheit besteht, sind die Kontrollergebnisse ein deutlicher Beweis, dass der Betrieb offensichtlich durch X. und nicht durch die Bf geleitet wird.

c) Der Rechtsvertreter der Bf behauptete im Schreiben (…), die Klientin arbeite nicht vollzeitlich bei A. Obwohl die Bf im Schreiben des Militär- und Polizeidepartementes vom 22. Sept. 1994 aufgefordert wurde, den Arbeitsvertrag mit A. einzureichen, hat sie dies unterlassen und lediglich Beweisanträge gestellt.

Gemäss § 19 Abs. 1 VRP sind die Parteien verpflichtet, an der Feststellung des Sachverhaltes mitzuwirken, soweit dies nötig und zumutbar ist. Verweigert eine Partei diese Mitwirkung, so ist die Behörde nicht verpflichtet, auf ihre Begehren oder Anträge einzutreten (§ 19 Abs. 2 VRP). Vorliegendenfalls wäre es Sache der Bf gewesen, den Nachweis zu erbringen, dass sie trotz des Arbeitsverhältnisses mit A. imstande ist, einen erheblichen Teil der Öffnungszeit in ihrem Barbetrieb zu verweilen. Diesen Nachweis durch Einreichung des Arbeitsvertrages und einer Bestätigung des Arbeitgebers hat sie grundlos nicht erbracht. Die beantragte Befragung der Bf bzw. die beantragte Einholung einer Auskunft bei A. erübrigten sich, da es für die Bf möglich war, den Nachweis für ihre Behauptung selber zu erbringen. Der Regierungsrat hat angesichts der Verletzung der Mitwirkungspflicht zu Recht das bestehende Arbeitsverhältnis bei A. in der Beweiswürdigung zuungunsten der Bf mitberücksichtigt (Alfred Kölz/Isabelle Häner, Verwaltungsverfahren und Verwaltungsrechtspflege des Bundes, 1993, N 125).

In der Beschwerdeschrift gesteht die Bf denn auch in Abweichung von der Behauptung im Schreiben vom 27. Okt. 1994 zu, dass sie bis zum 31. Dez. 1994 vollzeitig bei A. gearbeitet habe, und das Arbeitspensum erst per 1. Jan. 1995 auf 60% herabgesetzt werde.

Aufgrund dieser Tatsachen ist für den Zeitpunkt des Patententzuges (14. Nov. 1994) davon auszugehen, dass die Bf den Gastbetrieb nicht selber führen konnte, und der Betrieb weitgehend durch X. oder Aushilfspersonal geführt wurde. Es ist somit aufgrund der vorliegenden Akten beweismässig erstellt, dass die Bf der Verpflichtung des Regierungsratsbeschlusses vom 26. April 1994, den Betrieb selber zu führen, nicht nachgekommen ist.

Daran ändern auch die Ausführungen in der Beschwerdeschrift nichts.

Zum Beweis, dass sie die Verantwortung trage und den Betrieb im Sinne des GGG betreibe, reichte die Bf eine Liste von 34 Personen ein und beantragte die Einvernahme dieser Personen als Zeugen.

Aus der Unterschriftenliste ergibt sich nicht, was diese Personen bezeugen sollen. Bereits aus diesem Grunde ist nicht darauf abzustellen. Die Vorinstanz war denn auch keinesfalls gehalten, diese Personen als Zeugen zu befragen, nachdem aufgrund der amtlichen Kontrollen feststand, dass die Bf tatsächlich nur ein einziges Mal anwesend war, und die Führung des Betriebs infolge ihrer ganztägigen Anstellung bei A. unmöglich war. Die Vorinstanz hat sich, nachdem es sich nicht um einen tauglichen Beweisantrag handelt, nicht der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör schuldig gemacht.

4. Nach § 42 Abs. 1 litera a GG wird das Patent entzogen, wenn die Patentierungsbedingungen nicht mehr erfüllt sind.

Aufgrund des unter Ziffer 3 Ausgeführten steht fest, dass die Bf die gesetzliche Verpflichtung, die im Beschluss des Regierungsrates vom 26. April 1994 ausdrücklich wiederholt wurde, den Betrieb selber zu führen, nicht erfüllt hat, so dass der Regierungsrat zu Recht den Patententzug verfügt hat.

(VGE 708/94 vom 10. Februar 1995).

 

12

Personal- und Besoldungsrecht
Kündigung eines öffentlichrechtlichen Dienstverhältnisses

– Kündigung zur Unzeit. Krankheit während Kündigungsfrist (Art. 336c OR i.V.m. § 6 Abs. 1 Personal- und Besoldungsverordnung, PBV) (Erw. 2c/d). 
– Missbräuchliche Kündigung? Keine Überprüfung der sachlichen Begründetheit der Kündigung bei einem öffentlichrechtlichen Anstellungsverhältnis (Erw. 3).

Aus den Erwägungen:

2. c) Im weiteren hält der Kläger dafür, die Kündigung sei zur Unzeit ausgesprochen worden, da er am 25.4.1994 nachmittags bis zum 1. Mai 1994 krank gewesen sei.

Nach § 6 Abs. 2 PBV gilt, sofern dieser Verordnung oder ihren Vollzugserlassen keine Vorschrift entnommen werden kann, ergänzend das Obligationenrecht.

Nach Art. 336c Abs. 1 litera b OR darf der Arbeitgeber nach Ablauf der Probezeit das Arbeitsverhältnis nicht kündigen, während der Arbeitnehmer ohne eigenes Verschulden durch Krankheit oder durch Unfall ganz oder teilweise an der Arbeitsleistung verhindert ist.

Ob eine Kündigung in die Sperrfrist fällt und damit nichtig ist, oder ob sie noch vorher zu laufen begann und nur die Kündigungsfrist unterbrochen wird, bestimmt sich nach dem Eingang der Kündigung beim Empfänger (BGE 113 II 259). Das Kündigungsschreiben des Bezirksrates datiert vom 18.4.1994 und wurde unbestrittenermassen vom Kläger am 25.4.1994 bei der Post abgeholt. Wie sich aus dem Beleg Nr. 2 des Verfahrens vor Regierungsrat (RRB Nr. 1311) ergibt, wurde der Chargé

Nr. 145 dem Kläger am 22.4.1994 avisiert und am 25.4.1994 vom Kläger persönlich bei der Post abgeholt. Damit ist erstellt, dass der Kläger im Zeitpunkt der Abholung des Chargés noch nicht krank war, sondern erst nach der Abholung. Die Kündigung ist somit nicht nichtig im Sinne von Art. 336c Abs. 2 OR. Auch unter diesem Gesichtspunkt ist eine Wiederholung der Kündigung nicht nötig, was seitens des Klägers auch nicht behauptet wird.

Ist jedoch die Kündigung vor Beginn der Sperrfrist erfolgt, aber die Kündigungsfrist bis dahin noch nicht abgelaufen, so wird deren Ablauf unterbrochen und erst nach Beendigung der Sperrfrist fortgesetzt (Art. 336c Abs. 2 OR). Somit wurde vorliegendenfalls die Kündigungsfrist während der effektiven Krankheitstage unterbrochen und begann erst mit der Wiederaufnahme der Arbeit am 2.5.1994. In Übereinstimmung mit Art. 336c Abs. 3 endet demnach gestützt auf § 15 Abs. 3 PBV das Vertragsverhältnis per 30.11.1994.

d) Daran ändern auch die Ausführungen des Beklagten nichts. Ob der Kläger aufgrund der Vorgespräche mit einer Kündigung rechnen musste und gerechnet hat, ist unmassgeblich. Für die Frage der Anwendbarkeit der Sperrfristen ist einzig der Zeitpunkt des Empfanges der Kündigung massgebend. Dass dem Kläger in irgendeiner Form bereits vor dem 18.4.1994 gekündigt wurde, behauptet der Beklagte selber nicht. (…)

3. Der Kläger hält im weitern die angeführten Kündigungsgründe für unzulässig und missbräuchlich.

a) Vorerst ist zu beurteilen, ob die sachliche Begründetheit einer Kündigung überhaupt mit einer verwaltungsgerichtlichen Klage gerügt werden kann.

b) Nach § 3 litera c VRP ist die Verordnung nicht anwendbar auf die Wahl und Wiederwahl von Behördemitgliedern und Beamten sowie auf die Beförderung von Beamten. Folgerichtig hat die Personal- und Besoldungsverordnung (PBV) Beamten nur in den in § 62 Abs. 1 aufgeführten Anwendungsfällen einen Rechtsschutz gewährt.

Das Verwaltungsgericht und der Regierungsrat sind in ihrer bisherigen Rechtsprechung davon ausgegangen, die Richtigkeit einer Wiederwahl- oder Nichtwiederwahlverfügung könne aufgrund von § 3 VRP nicht überprüft werden (Josef Hensler, Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde im Kanton Schwyz, Zürich, 1980, S. 98; VGE 565/84 vom 28.8.1984), da kein Rechtsanspruch auf Wiederwahl bestehe.

Besteht kein rechtlich geschützter Anspruch auf dauernde Aufrechterhaltung des Dienstverhältnisses ist auch die Überprüfung der Stichhaltigkeit einer Kündigung eines Angestelltenverhältnisses ausgeschlossen. Andernfalls öffentlich-rechtliche Angestellte besser gestellt wären als Beamte.

Das Verwaltungsgericht hat in einem neuesten Urteil, wenn auch beiläufig, die bisherige Rechtsauffassung, wonach die Nichtwiederwahl nicht justiziabel ist, bestätigt (VGE 94/93 vom 5.10.1994).

c) In der neueren Rechtslehre und Rechtsprechung anderer Kantone wird die Zulässigkeit der Anfechtung einer Nichtwiederwahl hingegen bejaht.

Danach müssen wie bei der Nichtwiederwahl eines Beamten auch bei Kündigung eines Angestelltenverhältnisses sachliche Gründe vorliegen, und die Behörde hat ihr Ermessen pflichtgemäss auszuüben. Erfüllen Angestellte und Beamte ihre Dienstpflichten zufriedenstellend und liegen keine wichtigen administrativen Hinderungsgründe vor, so haben sie Anspruch auf Weiterführung des Dienstverhältnisses bzw. auf Wiederwahl nach Ablauf der Amtsdauer (Tobias Jaag, Das öffentlich-rechtliche Dienstverhältnis im Bund und im Kanton Zürich – ausgewählte Fragen, ZBl 1994, S. 463; Thomas Poledna, Disziplinarische und administrative Entlassung von Beamten – vom Sinn und Unsinn einer Unterscheidung, ZBl 1995, S. 51). In den Bemerkungen zu dem im Zentralblatt 1995, S. 68f. abgedruckten Entscheid des Regierungsrates des Kantons Zürich teilt Georg Müller die Auffassung, dass kein Anspruch auf Wahl, Wiederwahl, Anstellung oder Aufrechterhaltung eines Dienstverhältnisses bestehe. Eine Nichtwiederwahl und eine Kündigung eines Angestelltenverhältnisses dürften jedoch nur aus sachlichen Gründen erfolgen. Aus dem Willkürverbot ergebe sich ein Anspruch auf eine sachlich begründete Nichtwiederwahl bzw. Kündigung, dessen Verletzung mit Rekurs geltend gemacht werden könne.

In Änderung der bisherigen Rechtsprechung (vgl. Anmerkung 287 in ZBl 1994, S. 470) ist der Regierungsrat des Kantons Zürich trotz § 4 Abs. 2 des Verwaltungsrechtspflegegesetzes, wonach die Bestimmungen des zweiten Abschnittes des VRG nicht anwendbar sind auf das Verfahren vor den Verwaltungsbehörden in Angelegenheiten, welche das öffentliche Dienstverhältnis betreffen, mit Entscheid vom 3.8. und 5.10.1994 auf einen Rekurs eingetreten und hat materiell geprüft, ob die vom Rekurrenten erhobenen Vorwürfe, die Kündigung sei missbräuchlich, zutreffen (ZBl 1995, S. 68f).

d) In erster Linie wäre es Sache des Gesetzgebers, eine Anfechtungsmöglichkeit gegen willkürliche Nichtwiederwahl bzw. willkürliche Kündigung eines Angestelltenverhältnisses vorzusehen (Josef Hensler, a.a.O., S. 99). Der Kantonsrat hat im Zusammenhang mit der Beratung der PBV jedoch einen erweiterten Rechtsschutz ausdrücklich abgelehnt.

e) Eine Überprüfung der Kündigung zumindest hinsichtlich Einhaltung des Willkürverbotes würde sich, trotz des Ausschlusses von § 3 litera c VRP nur aufdrängen, wenn eine solche Überprüfungsmöglichkeit von Bundesrechts wegen vorgeschrieben wäre. Dies macht der Kläger selber nicht geltend. Auch aus dem Willkürverbot von Art. 4 BV kann nicht abgeleitet werden, der kantonale Gesetzgeber oder Rechtsanwender sei verpflichtet, die Überprüfung einer Kündigung in einem Rechtsmittel- oder Klageverfahren vorzusehen.

f) Soweit der Kläger verlangt, die Kündigung sei als unzulässig zu erklären, ist dieser Antrag abzuweisen, da eine selbständige Überprüfung der Rechtmässigkeit einer Kündigung nach schwyzerischem Recht nicht besteht, und das Bundesrecht eine solche Klagemöglichkeit nicht vorschreibt.

(VGE 694/94 vom 10. März 1995).

 

13

Schulrecht

– Sorgfaltspflichten bei der Durchführung eines Schulsporttages.

Aus den Erwägungen:

5. d) (…) Vorab ist festzuhalten, dass die Weisungen über die Rechte und Pflichten der Lehrer und Schüler an der Volksschule (Schulreglement, nGS VI-618) keine Angaben enthalten hinsichtlich der Frage, welche Sorgfaltspflichten bei der Durchführung eines Schulsporttages in einem Skigebiet einzuhalten sind. Diesbezüglich hält § 16 Abs. 1 Schulreglement lediglich fest:

Bei allen schulischen Anlässen sind zur Vermeidung von Unfällen besondere Sorgfaltsbestimmungen einzuhalten. Im einzelnen betrifft dies:

– Sportanlässe innerhalb und ausserhalb der Schulanlagen wie Schwimmen und Skifahren usw.

In Abs. 2 des § 16 Schulreglement wird festgehalten, dass nicht der Regel entsprechende Besammlungs- bzw. Entlassungsorte den Eltern mitzuteilen und nötigenfalls der Stufe angemessene Sicherheitsmassnahmen anzuordnen sind.

Daraus ist abzuleiten, dass die erforderlichen Sorgfaltspflichten der Lehrpersonen jeweils in Relation zur entsprechenden Schulstufe stehen müssen. Je jünger die Teilnehmer eines Schulsporttages sind, um so sorgfältiger hat die Beaufsichtigung/Betreuung durch die Lehrpersonen zu erfolgen (vgl. die untere Primarschulstufe). Handelt es sich aber um Teilnehmer aus der Oberstufe (7. bis 9. Schuljahr), dürfen die einen Schulsporttag organisierenden Lehrpersonen eine bestimmte Selbständigkeit der Teilnehmer voraussetzen, weshalb an die Beaufsichtigung/Betreuung durch die Lehrpersonen geringere Anforderungen zu stellen sind. Des weitern kann es bei einem Skitag eine Rolle spielen, ob es sich um Oberstufenklassen aus Stadt-/Mittellandverhältnissen handelt, oder ob es sich um eine Oberstufenschule aus dem voralpinen Raum handelt, welche Wintersport (Skifahren, Snow-boarding etc.) „quasi vor der Haustüre" ausüben kann, und dementsprechend das durchschnittliche „skifahrerische Können" beachtlich ist.

Berücksichtigt man diese Grundsätze, ginge es zu weit, von den Lehrpersonen der Sekundarschule Z. bei der Durchführung eines Schulsporttages zu verlangen, dass sie die Schüler beim Skifahren ständig und lückenlos beaufsichtigen bzw. mit anderen Worten einen „kontrollierten Skischulbetrieb" gewährleisten müssten. Damit würde der auf dieser Stufe vorausgesetzten und erwartbaren Selbständigkeit der Schüler zuwenig Rechnung getragen. Abgesehen davon wären mutmasslich zu wenige Lehrpersonen verfügbar, um eine lückenlose Betreuung/Beaufsichtigung der skifahrenden Schüler (welche verschiedene Niveaus aufweisen) zu gewährleisten, weshalb von daher die Durchführung von Skitagen illusorisch würde.

Diese Ausführungen besagen indessen nicht, dass die den Schulsporttag organisierenden Sekundarlehrer überhaupt keine Sorgfaltspflichten hätten einhalten müssen. Vielmehr drängten sich als Minimalstandard folgende Aspekte auf:

– rechtzeitige Erkundung der Verhältnisse (Witterung, Schnee-/Pistenverhältnisse usw.)

– organisierter (gemeinsamer) Transport ins Wintersportgebiet,

– Alternativprogramm für Nichtskifahrer,

– Abmachungen betreffend

– – Fahren in Gruppen („nicht alleine"),

– – Treffpunkt im Skigebiet (Besammlungsort und Zeitpunkt)

– – Angebot für schwächere Skifahrer,

– – Erreichbarkeit der Lehrpersonen,

usw.

(VGE 712/94 vom 19. Oktober 1995).

 

14

Schulrecht

– Hinsichtlich des schulischen Grundangebotes und eines vom Erziehungsrat genehmigten Schulversuchs kommt der Bezirksgemeinde nach kantonalem Schulrecht keine Finanzkompetenz zu.

Aus den Erwägungen:

4. a) Nach § 13 Abs. 1 der Verordnung über die Volksschulen (VSV, nGS VI-615) sind die Bezirke Träger der Oberstufenschulen. Die Oberstufenschule (Orientierungsstufe) umfasst die drei der Primarschule folgenden Schuljahre (7. bis 9. Schuljahr) und gliedert sich in die Sekundar-, die Real- und die Werkschule (vgl. § 8 Abs. 1 lit. c VSV). Es sind typenübergreifende Unterrichtsformen gestattet (vgl. § 12 Abs. 1 VSV).

Der Erziehungsrat kann einzelnen Schulträgern wissenschaftlich begleitete Schulversuche gestatten und dazu Ausnahmen von der in der Volksschulverordnung (VSV) vorgesehenen Schulstruktur zulassen (vgl. § 24 VSV).

Nach § 56 Abs. 1 VSV bewilligt der Bezirksrat die Zahl der Klassen und der Lehrerstellen und sorgt für die Beschaffung und Verwaltung der Schulräume, der Anlagen, der Einrichtungen und des Schulmaterials sowie der finanziellen Mittel.

b) Aus den vorliegenden Akten ist zu entnehmen, dass die geplante Einführung der „Integrierten Oberstufe" im Vergleich zum bisherigen Schulmodell (mit getrennten Sekundar- und Realschulklassen) zu Mehrkosten führen wird. Der Bezirksrat rechnet ab August 1995 mit Mehrkosten für ca. 2 Lehrpensen (…).

d) Das Volksschulwesen wird vom kantonalen Recht ziemlich eingehend geregelt (vgl. Adrian Kennel, Die Autonomie der Gemeinden und Bezirke im Kanton Schwyz, S. 255f.). Namentlich werden in § 24 VSV die Schulversuche und in § 56 VSV die Kompetenzen des Bezirksrates normiert. Nach dem Wortlaut von § 56 Abs. 1 VSV ist es Sache des Bezirksrates, die Zahl der Klassen und der Lehrerstellen, die Beschaffung und Verwaltung der Schulräume, der Anlagen, der Einrichtungen und des Schulmaterials sowie die entsprechenden finanziellen Mittel zu bewilligen. Aus dieser kantonalrechtlichen Kompetenzzuweisung ergibt sich eindeutig, dass die finanziellen Mittel für die Durchführung des obligatorischen Unterrichtes auf der Oberstufe (ausgenommen Kredite für Schulbauten, vgl. § 7 Abs. 1 lit. g GOG i.V.m. § 98 GOG) und für einen vom Erziehungsrat im Sinne von § 24 VSV genehmigten Schulversuch ausschliesslich vom Bezirksrat zu bewilligen sind. Diesbezüglich (d.h. konkret hinsichtlich des schulischen Grundangebotes und hinsichtlich eines allfälligen vom Erziehungsrat genehmigten Schulversuches) kommt der Gemeindeversammlung nach dem kantonalen Schulrecht keine Finanzkompetenz zu (vgl. dazu auch VGE 696/93 v. 20. April 1994, Erw. 2e). Anzufügen ist, dass die vom Kantonsrat beschlossene VSV dem fakultativen Referendum im Sinne von § 31 Abs. 2 der Kantonsverfassung unterstand (vgl. § 68 VSV). Von daher hatten die Stimmberechtigten beim Erlass der VSV ein (indirektes) Mitspracherecht. In der (indirekten) Zustimmung des Stimmbürgers zur VSV ist konkret auch eine Zustimmung des Stimmbürgers zur dargelegten Finanzkompetenz gemäss § 56 Abs. 1 VSV eingeschlossen. Bei dieser Sachlage fällt es zusammenfassend ausser Betracht, die Kompetenz zur Bewilligung der Mehrkosten eines vom Erziehungsrat genehmigten Schulversuches im Widerspruch zu § 56 Abs. 1 VSV nicht dem Bezirksrat, sondern der Gemeindeversammlung (Bezirksgemeinde) zuzuweisen.

e) Anders würde es sich verhalten, wenn es hier nicht um einen Schulversuch, sondern um die definitive Einführung der „Integrierten Orientierungsstufe" ginge. Aus der Entstehungsgeschichte der VSV i.V.m. mit den durchgeführten Teilrevisionen der VSV ist zu entnehmen, dass ursprünglich für die Oberstufenschule (7.–9.Schuljahr) eine Aufteilung in „Sekundarschule", „Realschule" und „Hilfsschule" vorgeschrieben war (vgl. § 8 Abs. 1 lit. c VSV in der Fassung vom 25. Jan. 1973, vgl. GS 16-222). Diese Dreiteilung der Oberstufenschule wird auch noch in der heutigen Fassung von § 8 Abs. 1 lit. c VSV beibehalten, wobei die „Hilfsschule" im Rahmen der Teilrevision vom 29. Jan. 1987 in „Werkschule" umbenannt wurde (vgl. RRB Nr. 1745 vom 21. Okt. 1986, S. 5, 2. Abs.). Im Rahmen dieser Teilrevision wurde u.a. auch § 12 Abs. 1 VSV abgeändert. In der Botschaft zur Vorlage an den Kantonsrat, in welcher die Verlegung des Schuljahrbeginns auf den Spätsommer im Vordergrund stand (vgl. die Übertitelung: Verlegung des Schuljahrbeginns auf den Spätsommer), wurden die Änderungen zu § 12 VSV wie folgt begründet:

„In Abs. 1 ist in erster Linie der Begriff Hilfsschule durch Werkschule zu ersetzen.

Mit Aufnahme des Begriffs Orientierungsstufe will man andeuten, dass die Oberstufe der 90er Jahre durchaus gewisse Reformen ertragen kann. Mit dem zum Teil neu formulierten Abs. 1 in § 12 wird diese Absicht mit dem Begriff ‘typenübergreifende Unterrichtsform’ verdeutlicht.

Die von der Konferenz der Innerschweizer Erziehungsdirektoren (IEDK) 1984 verabschiedeten ‘Leitideen für die Volksschulen’ enthalten in den speziellen Leitideen für die Orientierungsstufe Ansätze für eine bessere Zusammenarbeit zwischen den Lehrern verschiedener Schultypen und ihren Klassen. Es werden darin auch Hinweise gemacht für eine vermehrte Unterrichtsdifferenzierung in einzelnen Fächern sowie für ein massvolles Angebot von Wahlfächern. (…).

Dem offenen Geist der Volksschulverordnung entspricht die neue Formulierung, die massvolle Reformen der Oberstufe zulassen wird.

(…)"

(vgl. RRB Nr. 1745 vom 21. Okt. 1986, S. 6f.)

Aus dieser Botschaft sowie den Beratungen der kantonsrätlichen Kommission und des Kantonsrates ergibt sich unmissverständlich, dass im Rahmen der Teilrevision vom 29. Jan. 1987 lediglich die Möglichkeit einer Oberstufenreform in Betracht gezogen wurde, indessen die Einführung einer „Integrierten Orientierungsstufe" in der vorliegenden Art noch nicht konkret diskutiert wurde (vgl. dazu das Protokoll der Sitzung der kantonsrätlichen Spezialkommission vom 20. Nov. 1986 sowie das Protokoll der Sitzung des Kantonsrates vom 28./29. Jan. 1987). Von daher war auch die Frage, wer für den Entscheid eines allfälligen Systemwechsels (Wechsel vom bisherigen System mit Trennung Sekundarschule/Realschule auf ein neues System mit Stammklassen und Niveaukursen in bestimmten Fächern usw.) zuständig sei, im Rahmen der Teilrevision 1986/87 kein Thema.

In der Folge wurde ein Konzept zur Weiterentwicklung der Orientierungsstufe im Kanton Schwyz ausgearbeitet, welches vom Erziehungsrat mit Beschluss Nr. 35 vom 4. Juli 1990 genehmigt wurde.

In der Teilrevision der VSV vom 24. Juni 1993 ging es gemäss der regierungsrätlichen Botschaft vom 23. März 1993 (an den Kantonsrat) primär darum, den langjährigen Schulversuch des freiwilligen 10. Schuljahres unter dem Titel ‘Berufsvorbereitungsschule’ definitiv in die VSV zu überführen. Des weitern wurde die Aufgaben- und Kompetenzabgrenzung zwischen Bezirks-/ Gemeinderäten einerseits und den Schulräten anderseits klarer geregelt, um zwischen den beiden Behörden aufgetretene Streitigkeiten hinsichtlich des Entscheides über die Anzahl von Klassen und Lehrpersonen gesetzgeberisch zu lösen (vgl. RRB Nr. 500 vom 23. März 1993, S. 1 und S. 11f.). Aus dieser Botschaft sowie aus den beigezogenen Protokollunterlagen der kantonsrätlichen Spezialkommission und des Kantonsrates ist ebenfalls abzuleiten, dass die Frage, welches Organ zuständig ist für den Entscheid über den allfälligen Systemwechsel im vorerwähnten Sinne (d.h. über die definitive Einführung der „integrierten Orientierungsstufe" als ganzer oder teilweiser Ersatz für die in § 8 Abs. 1 lit. c VSV vom Gesetzgeber festgeschriebene Dreiteilung), nicht Gegenstand der Beratungen der Teilrevision vom 24. Juni 1993 bildete.

Das bei der Teilrevision vom 24. Juni 1993 im Vordergrund stehende Thema – die definitive Einführung des freiwilligen 10. Schuljahres – zeigt exemplarisch auf, wie der kantonale Gesetzgeber Schulreformen in rechtlicher Hinsicht anpackt. Vorerst wurde das Terrain für entsprechende Schulversuche geebnet (vgl. § 24 Abs. 2 in der Fassung vom 27. Juni 1985, GS 17-554). Daraufhin wurden in der Praxis Erfahrungen gesammelt. Im Anschluss daran wurde eine Regelung für die definitive Einführung des freiwilligen 10. Schuljahres vorgeschlagen, welche vom kantonalen Gesetzgeber im Rahmen der zit. Teilrevision der VSV in der heute vorliegenden Fassung genehmigt wurde (vgl. dazu RRB Nr. 500 vom 23. März 1993 und die entsprechenden Protokollunterlagen).

Aus dieser dargelegten Vorgehensweise ist für den vorliegenden Fall analog abzuleiten, dass der Gesetzgeber mit der Teilrevision vom 29. Jan. 1987 ebenfalls das Terrain für Schulversuche im Hinblick auf eine integrierte Orientierungsstufe vorbereitet hat, indessen mit einem Entscheid über eine definitive Einführung eines solchen Schulmodelles auf der Oberstufe erst nach Auswertung der Ergebnisse von entsprechenden Schulversuchen zu rechnen ist. Dannzumal (nach Durchführung solcher Schulversuche) werden sich für den kantonalen Gesetzgeber u.a. folgende Fragen stellen:

– Sollen (nach Abschluss der Schulversuche) auf der Oberstufe zwei verschiedene Systeme möglich sein (einerseits herkömmliche Separierung in Sekundar- und Realschule, anderseits eine „integrierte Orientierungsstufe")?

– Falls ja, wird sich für den Gesetzgeber die Frage stellen, welches Bezirksorgan zuständig ist für den Entscheid, ob gegebenenfalls die integrierte Oberstufe im betreffenden Bezirk definitiv eingeführt wird, oder ob auf einen solchen Systemwechsel verzichtet werden soll?

– Falls nein (d.h. wenn der kantonale Gesetzgeber sich nach Auswertung der Schulversuchserfahrungen für ein bestimmtes Schulsystem entscheiden sollte), bestünde auf Bezirksebene ohnehin kein Wahlrecht mehr, weshalb sich diesbezüglich eine entsprechende Kompetenznorm auf Bezirksebene erübrigen würde.

Aus diesen Ausführungen ergibt sich zusammenfassend, dass nach Durchführung/Auswertung der Schulversuche auf der Oberstufe ein Handlungsbedarf des kantonalen Gesetzgebers abzusehen ist. Dabei wird es u.a. auch darum gehen, hinsichtlich der oben skizzierten Fragen klare Antworten zu geben. In diesem Zusammenhang wird das in unserer Demokratie bedeutsame Mitspracherecht der Stimmberechtigten einerseits dadurch gesichert, dass auch eine inskünftige Teilrevision der VSV dem fakultativen Referendum unterliegen wird (vgl. § 68 VSV). Wenn der Gesetzgeber sich gegebenenfalls für eine obligatorische Einführung der integrierten Oberstufe entscheiden sollte, oder aber eine Wahlmöglichkeit belassen und dabei der Exekutive die Wahlkompetenz zuweisen sollte, dann könnte eine Volksabstimmung zu dieser Frage auf dem Referendumswege herbeigeführt werden. Wenn der Gesetzgeber sich gegebenenfalls für eine Wahlmöglichkeit entscheiden und dabei die Wahlkompetenz der Gemeindeversammlung (Bezirksgemeinde) zuweisen sollte, dann wäre eine direkte Mitsprache der Bevölkerung ohnehin gesichert.

Nachdem es im konkreten Fall nicht um die definitive Einführung einer integrierten Oberstufe, sondern um einen auf 5 Jahre beschränkten Schulversuch geht, ist nach dem Gesagten zusammenfassend nicht zu beanstanden, dass der Beschwerdegegner (gestützt auf § 56 Abs. 1 i.V.m. § 24 VSV) dem Stimmbürger kein entsprechendes Sachgeschäft vorgelegt hat. Für dieses Ergebnis spricht schliesslich die Kompetenzvermutung gemäss § 84 Abs. 3 KV.

(VGE 522/95 vom 10. März 1995).

 

15

Handänderungssteuer

– Änderung eines Baurechtsvertrages (Verlängerung der Baurechtsdauer, Erhöhung des Baurechtszinses) ist handänderungssteuerpflichtig. Berechnung des Handänderungswertes/der Handänderungssteuer sowie des Abzuges für die bereits geleistete, zeitmässig aber noch nicht konsumierte Handänderungssteuer: Vorerst ist der Barwert des neuen Baurechtszinses auf der Basis der verbleibenden bzw. verlängerten Baurechtsdauer zu ermitteln. Ein Prozent dieses Barwertes entspricht der Handänderungssteuer. Alsdann ist der Abzug der bereits geleisteten und zeitmässig noch nicht konsumierten Handänderungssteuer nach folgender Formel zu berechnen: Handänderungssteuer verteilt auf die ursprünglich vereinbarte Baurechtsdauer multipliziert mit der noch nicht abgelaufenen ursprünglichen Baurechtsdauer (lineare Methode).

(VGE 316/94 vom 26. Januar 1995).

 

16

Handänderungssteuer

– Immobiliengesellschaft (§ 4 lit. c Gesetz über die Erhebung der Handänderungssteuer HStG). Begriff. Steuerpflicht bei Produktions- und Handelsfirma verneint.

Aus dem Sachverhalt:

Die X. AG stellt her und handelt mit bestimmten Produkten. In der Folge wurde das gesamte Aktienkapital der Y. AG veräussert. Der zuständige Gemeinderat erklärte diesen Aktienverkauf für handänderungssteuerpflichtig. Er liess den Verkehrswert der Liegenschaften der X. AG durch die kantonale Güterschatzungskommission schätzen und veranlagte gegenüber der Y. AG die Handänderungssteuer auf der Basis dieses Schätzungsergebnisses. Die Y. AG erhob dagegen beim Verwaltungsgericht Beschwerde, welche mit folgender Begründung gutgeheissen wurde:

Aus den Erwägungen:

1. Steuerbare Handänderungen nach dem Schwyzer Handänderungssteuergesetz (HStG, nGS I/113) sind einerseits zivilrechtliche, anderseits auch gewisse wirtschaftliche Handänderungen. So stellt eine Handänderung im Sinne des Gesetzes dar:

„der Erwerb von Anteilsrechten einer Immobiliengesellschaft oder Immobiliengenossenschaft, sobald der Erwerber die Mehrheitsbeteiligung erworben hat" (§ 4 lit. c HStG).

Unbestritten ist, dass die Beschwerdeführerin (Bf) die Gesamtheit der Aktien der X. AG erworben hat. Die eine der beiden Voraussetzungen für die Steuererhebung ist deshalb erfüllt. Bestritten ist hingegen von seiten der Bf, dass es sich bei der übernommenen Gesellschaft um eine Immobiliengesellschaft handelt.

2. a) Die Veräusserung der Mehrheitsbeteiligung an einer Immobiliengesellschaft ist auch ein grundstückgewinnsteuerrechtlich relevanter Tatbestand (§ 47 Abs. 3 Steuergesetz, StG, nGS 105). Der Begriff der Immobiliengesellschaft ist im Handänderungssteuerrecht und im Grundstückgewinnsteuerrecht identisch. Es kann deshalb für die Beurteilung dieser Frage auch auf die Lehre und Rechtsprechung zum Grundstückgewinnsteuerrecht zurückgegriffen werden (VGE 331/90 vom 27.9.1990, E. 1c, Prot. 432f.).

b) Das HStG und das StG verwenden den Begriff „Immobiliengesellschaft", definieren diesen Begriff indessen nicht. Der Erwerb einer Immobiliengesellschaft liegt vor, wenn wirtschaftlich im wesentlichen der Erwerb von Grundstücken erzielt wird. Diese Voraussetzung fehlt namentlich, wenn eine Mehrheitsbeteiligung an einer Produktions- oder Handelsgesellschaft übertragen wird, der nebst weiteren Aktiven auch Grundstücke gehören.

Die Abgrenzung zwischen Immobilien- und Nicht-Immobiliengesellschaft kann nicht schematisch erfolgen, sondern nur im Einzelfall anhand der konkreten Umstände und unter Berücksichtigung der gesetzlichen Intentionen. Dabei müssen objektive Umstände entscheidend sein (X. Mettler, Die Grundstückgewinnsteuer im Kanton Schwyz, S. 111).

Die Abgrenzung darf auch nicht nach formellen Kriterien erfolgen, etwa nach dem im Handelsregister eingetragenen Gesellschaftszweck. Ausschlaggebend ist nicht die der Gesellschaft mittels der Statuten umgehängte Etikette, sondern abzustellen ist auf die tatsächlichen Verhältnisse im Veräusserungszeitpunkt (VGE 331/90, E. 2, Prot. 433; 358/82 v. 25.2.1983 E. 7, Prot. 71). Besteht die im Veräusserungszeitpunkt ausgeübte Tätigkeit der Gesellschaft zur Hauptsache oder ausschliesslich darin, Grundstücke zu erwerben, zu verwalten, zu nutzen und zu veräussern, so ist von einer Immobiliengesellschaft zu sprechen.

Ein durch Aktienverkauf erzielter Gewinn ist steuerlich einem Liegenschaftsgewinn gleichzusetzen, wenn der Wert der Aktien ausschliesslich oder wenigstens zur Hauptsache durch den Wert des Grundbesitzes der Gesellschaft bestimmt wurde und sich die Veräusserung der Aktien wirtschaftlich in der Übertragung des Grundeigentums erschöpft (StE 1988 B 42.23 Nr. 1).

Von der Immobiliengesellschaft zu unterscheiden ist die sogenannte Betriebsgesellschaft. Bildet der Grundbesitz bloss die sachliche Grundlage für einen Fabrikations-, Handels- oder sonstigen Geschäftsbetrieb, so liegt keine Immobilien-, sondern eine Betriebsgesellschaft vor (StE 1993, B 42.23 Nr. 4). Ohne massgebliche Bedeutung ist die Gewichtung der Aktiven der Gesellschaft; auch wenn die Betriebsgrundstücke wertmässig das übrige Vermögen bei weitem übersteigen, kann nicht von einer Immobiliengesellschaft gesprochen werden, solange diese Betriebsgrundstücke dem Fabrikations-, Handels- oder sonstigen Geschäftsbetriebszweck der Gesellschaft in direkter Weise tatsächlich dienen (VGE 358/82, S. 72; 331/90, S. 434f. mit Hinweisen und Auflistung der Rechtsprechung; Iseli, Die Übertragung einer Immobiliengesellschafts-Beteiligung im zürcherischen Grundsteuerrecht, ASA 51, S. 327; P. Ruf, Handänderungsabgaberecht, S. 147ff.).

3. a) Die Vorinstanz setzt sich weder in der angefochtenen Verfügung noch in der Vernehmlassung mit der entscheidenen Frage auseinander, ob die X. AG als Immobiliengesellschaft zu qualifizieren ist. Sie beschränkt sich auf eine diesbezügliche Feststellung und die zutreffende – für die Frage der Handänderungssteuerpflicht aber nicht allein entscheidende – Feststellung, dass das gesamte Aktienpaket der X. AG und damit auch die in der AG enthaltenen Grundstücke, die Hand gewechselt haben.

b) Die Bf macht geltend, sowohl formell bzw. vom statutarischen Zweck her, als auch faktisch bzw. von der tatsächlichen Tätigkeit her, sei die X. AG keine Immobiliengesellschaft, sondern ein Produktions- und Handelsunternehmen.

Diese Auffassung ist zutreffend. Aus den beiden letzten Jahresrechnungen vor dem Verkauf (1992/93 und 1993/94, Abschlüsse per 30.6.) ergibt sich, dass 1992/93 ein Warenverkauf von gerundet (…) Fr. und 1993/94 ein solcher von (…) Fr. erzielt wurde. Unter dem Betriebsaufwand figurieren Löhne und weitere Aufwendungen in den Sparten (…). In den Bilanzen sind Warenvorräte von (…) Franken aufgeführt. Die Immobilien, welche in der Bilanz per 30.6.1994 mit (…) Fr. aufgeführt sind, deren Verkehrswert indessen von der Vorinstanz, welche sich auf die Schätzungen der kantonalen Güterschatzungskommission abstützt, mit (…) Fr. festgesetzt wurde, dienen zum weit überwiegenden Teil betrieblichen Zwecken (Büro, Fabrikation, Lager, (…), LKW-Garage usw. (vgl. Verkehrswertschatzungen Kant. Güterschatzungskommission v. 27.6.1994 und Ingress B S. 2). Mitverkauft wurden Transportanlagen und Installationen, Lagereinrichtungen, Mobilien, EDV, (…), Fahrzeuge, (…). Die Erwerberin (Bf) war mit der X. AG schon vor der Übernahme geschäftlich, personell und kapitalmässig verknüpft und betätigt sich mit dem Handel von (…).

In Würdigung dieses Sachverhalts ergibt es sich, dass die X. AG eindeutig als Betriebs- und Handelsgesellschaft (mit Schwerpunkt Betriebsgesellschaft) zu qualifizieren ist.

c) Die Bf gab dem Gemeinderat mit Schreiben vom 4. Januar 1995 die Zusicherung ab, dass die X. AG weiterhin bestehen bleibe, und die Liegenschaften weiterhin im Eigentum der X. AG verbleiben. Nachdem keinerlei Indizien dafür bestehen, dass die übernommene Gesellschaft unmittelbar nach dem Kauf liquidiert, zerlegt oder stillgelegt werden soll, und solches von der Vorinstanz auch nicht behauptet wird, kann die Frage offen bleiben, wie die Handänderungsbesteuerungsfrage zu regeln wäre, wenn ein Liquidations- oder liquidationsähnlicher Tatbestand gegeben wäre (vg1. StE 1993 B 42.23, Nr. 4 und VGE 331/90 E. 3, Prot. 435ff.).

Hat die Bf somit mit dem Kauf der X. AG eine Betriebs- und Handelsgesellschaft, nicht aber eine Immobiliengesellschaft erworben, so liegt keine steuerbare Handänderung vor, weshalb die Beschwerde gutzuheissen ist.

(VGE 308/95 vom 30. Mai 1995).

 

17

Arbeitslosenversicherung

– Die Kosten einer zweiten Grundausbildung können grundsätzlich nicht Gegenstand einer Präventivmassnahme (zu Lasten der Arbeitslosenversicherung) bilden.

Aus den Erwägungen:

2. Als Grund für die Abweisung des Gesuches führt die Vorinstanz unter anderem aus, es handle sich bei der gewünschten Ausbildung nicht um eine Umschulung oder Weiterbildung im Sinne des AVIG (Eingliederung steht ohnehin nicht zur Diskussion), sondern um eine allgemeine berufliche Weiterbildung, deren Finanzierung nicht in den Aufgabenbereich der Arbeitslosenversicherung falle.

a) Es ist nicht Aufgabe der Arbeitslosenversicherung, die berufliche Ausbildung als solche, d.h. die Grundausbildung zu fördern. Dies ist Sache der Bildungspolitik, bei welcher sich Zuständigkeit, Trägerschaft, Finanzierung etc. nach ganz anderen Gesichtspunkten orientieren. Die Grenze zwischen Grundausbildung und Umschulung/Weiterbildung im arbeitslosenversicherungsrechtlichen Sinne ist fliessend. Dieselbe Massnahme kann beiderlei Merkmale aufweisen. Es ist im konkreten Einzelfall zu würdigen, welche Umstände überwiegen (BGE 111 V 398; ARV 1990, Nr. 9).

b) Das Eidg. Versicherungsgericht hat ein einjähriges Nachdiplomstudium eines Soziologen mit Universitätsabschluss in Raumplanung an der HTL Brugg-Windisch als Umschulung im Sinne von Art. 59 AVIG anerkannt (BGE 111 V 27 f.). In diesem Urteil hat das EVG vier Merkmale, die für die Umschulung und Weiterbildung typisch sind, herausgearbeitet. Als viertes Merkmal wurde im erwähnten Entscheid ausgeführt, in Anlehnung an die Höchstbezugsdauer von 250 Taggeldern nach Art. 27 Abs. 2 AVIG und unter Berücksichtigung der gegenwärtigen Arbeitsmarktlage sei eine Kursdauer von einem Jahr die obere Limite, oberhalb welcher Leistungsgesuchen nur ausnahmsweise entsprochen werden dürfe, z.B. bei Extensivkursen (BGE 111 V 276f.). Das Verwaltungsgericht hat ein siebensemestriges berufsbegleitendes Studium an einer Technikerschule als Grundausbildung qualifiziert (VGE 209/94 v. 22.3.95). Anderseits wurde eine Teilzeitausbildung einer Ärztin in klassischer Homöopathie von 14 Monaten Dauer gerade noch als Weiterbildungsmassnahme nach AVIG anerkannt (VGE 53/94 v. 20.7.94).

c) Der Beschwerdeführer (Bf) beabsichtigt, am Konservatorium Zürich das Diplom für Schulmusik I zu erwerben. Dabei handelt es sich um eine ca. 4semestrige Ausbildung, welche neben einer hauptamtlichen Berufstätigkeit absolviert werden kann (7–10 Wochenstunden pro Semester; vgl. act. Bf 2). Angesichts der Kursdauer von 4 Semestern kann nach dem Vorgesagten kaum mehr von einer Weiterbildungsmassnahme im Sinne des AVIG gesprochen werden. Ob die Dauer der Ausbildung für sich allein die Ablehnung als Präventivmassnahme zu Lasten der Arbeitslosenversicherung zu begründen vermöchte, kann indessen offen bleiben, weil die Beschwerde – wie nachfolgend dargelegt wird – aus weiteren Gründen abzuweisen ist.

3. Es ist nicht Aufgabe der Arbeitslosenversicherung, die berufliche Ausbildung als solche, d.h. die Grundausbildung zu fördern. Der Bf verfügt über eine Grundausbildung als (…). Nunmehr geht es um die Erlangung einer zweiten Grundausbildung als Schulmusiklehrer. (…)

(VGE 81/95 vom 19. Juli 1995).

 

18

Arbeitslosenversicherung

– Rückforderung von zu Unrecht empfangenen Leistungen.

Aus den Erwägungen:

1. a) Die Kasse muss Leistungen der Arbeitslosenversicherung, auf die der Empfänger keinen Anspruch hatte, zurückfordern (vgl. Art. 95 Abs. 1 Satz 1 des Bundesgesetzes über die obligatorische Arbeitslosenversicherung und Insolvenzentschädigung, AVIG). War der Leistungsempfänger beim Bezug gutgläubig, und würde die Rückerstattung eine grosse Härte bedeuten, so wird sie auf Gesuch hin ganz oder teilweise erlassen (vgl. Art. 95 Abs. 2 Satz 1 AVIG). Dieser Gesetzesartikel deckt sich materiell mit Art. 47 AHVG und stellt insoweit einen Beitrag zu den Bestrebungen der Vereinheitlichung des Sozialversicherungsrechts dar (vgl. Gerhard Gerhards, Kommentar zum AVIG, Rz. 4 zu Art. 95 AVIG).

b) Der Rückforderungsanspruch als gesetzliche Sonderregelung geht dem Grundsatz von Treu und Glauben vor. Eine formell rechtskräftige Verfügung, die nicht Gegenstand einer materiellen richterlichen Überprüfung war, kann in Wiedererwägung gezogen werden, wenn sie zweifellos unrichtig und ihre Berichtigung von erheblicher Bedeutung ist (vgl. EVGE v. 29. Aug. 1986 i.Sa. A. M., publ. in Arbeitsrecht und Arbeitslosenversicherung ARV, 1986, Nr. 32; Stauffer, Rechtsprechung des Bundesgerichts zum Sozialversicherungsrecht, AVIG, S. 99f.; BGE 111 V 332, Erw. 1; BGE 110 V 178 mit weiteren Verweisen; Gerhards, a.a.O., Rz 9 zu Art. 95 AVIG; Locher, Grundriss des Sozialversicherungsrechts, S. 301 mit Hinweis auf BGE 117 V 12).

Von dieser Wiedererwägung ist die sogenannte prozessuale Revision von Verwaltungsverfügungen zu unterscheiden. Gemäss ständiger Rechtsprechung ist der Sozialversicherungsträger verpflichtet, auf eine formell rechtskräftige Verfügung zurückzukommen, wenn sich diese aufgrund neu entdeckter Tatsachen oder Beweismittel als unrichtig erweist. Erheblich können Tatsachen nur sein, wenn diese bereits im Zeitpunkt des Erlasses bestanden, jedoch unverschuldeterweise unbekannt waren oder unbewiesen blieben (vgl. Murer, a.a.O., S. 109f.; BGE 108 V 168, Erw. 2b;

BGE 110 V 178f.; 112 V 371f.).

(VGE 141/94 vom 25. Januar 1995).

 

19

Familienzulagen

– Auszahlung durch Arbeitgeber (§ 14 Abs. 1 Gesetz über die Familienzulagen, FZG): Fällt der Arbeitgeber in Konkurs, hat die Familienausgleichskasse für nicht ausgezahlte Familienzulagen gegenüber dem Arbeitnehmer aufzukommen (Gesetzeslückenfüllung).

Aus den Erwägungen:

1. Über die X. AG wurde am 16. Dezember 1994 bzw. am 2. März 1995 der Konkurs eröffnet. Unbestritten ist, dass der Beschwerdeführer (Bf) von seiner früheren Arbeitgeberin die Lohnzahlungen, inkl. Kinderzulagen, für die Monate April und Mai 1994 nicht ausbezahlt erhalten hat. Von der kantonalen Arbeitslosenkasse erhielt er am 30. März 1995 eine Insolvenzentschädigung, mit welcher 70% des Lohnes der Monate April/Mai 1994, inkl. Anteil 13. Monatslohn, aber exklusive Kinderzulagen, ausbezahlt wurden. Ebenso ist unbestritten, dass die Vorinstanz die Kinderzulagen mit eigenen Beitragsforderungen gegenüber der X. AG, vor allem aber mit AHV/IV/EO-Beitragsforderungen der kantonalen Ausgleichskasse gegenüber der X. AG verrechnet hat.

2. Die Familienausgleichskassen können die Auszahlung der Familienzulagen für Arbeitnehmer den Arbeitgebern übertragen (§ 14 Abs. 3 Gesetz über die Familienzulagen, FZG, nGS III/365). Gemäss § 11 Abs. 1 der regierungsrätlichen Vollzugsverordnung über die Familienzulagen werden die Familienzulagen jeweils auf Ende des Monats fällig. Sie sind durch den Arbeitgeber auszurichten und auf der Lohnabrechnung separat aufzuführen. Der Arbeitgeber hat periodisch mit der Familienausgleichskasse über die ausbezahlten Zulagen abzurechnen (§ 11 Abs. 2 Satz 1 VVzFZG).

Die Familienausgleichskasse Schwyz (FAK) ist eine als öffentlich-rechtliche Anstalt konstituierte kantonale Kasse mit eigener Rechtspersönlichkeit (§ 15 Abs. 1 FZG). Die Führung der Kasse ist der Ausgleichskasse Schwyz übertragen (§ 15 Abs. 2 FZG). Nach dem Vorgesagten stimmt es mit der gesetzlichen Ordnung überein, wenn die FAK die Kinderzulagen nicht direkt dem bezugsberechtigten Arbeitnehmer, sondern seinem Arbeitgeber ausbezahlt. Zulässig ist auch die Verrechnung der Kinderzulagen mit FAK-Beiträgen. Ob es auch zulässig ist, dass die FAK die Kinderzulagen mit Forderungen einer Drittkasse (AHV/IV/EO-Beitragsforderungen der Kantonalen Ausgleichskasse) verrechnen kann, erscheint fraglich, kann aber hier offen bleiben.

3. Vorliegend hat die X. AG ihre, ihr von der FAK bzw. von § 11 Abs. 1 VVzFZG auferlegte Pflicht, die Kinderzulagen für die Monate April/Mai 1994 dem Arbeitnehmer auszurichten, nicht wahrgenommen, wobei mutmasslich fehlende Liquidität unmittelbare Ursache für die Pflichtverletzung durch die X. AG war. Streitpunkt und zu beurteilen ist, ob der durch dieses Verhalten entstandene Schaden durch den Arbeitnehmer (Verlust der Kinderzulagen) oder durch die FAK (Auszahlung der Kinderzulagen an den Bf) zu tragen ist.

a) Im FZG und in der Vollziehungsverordnung findet sich hiezu keine Antwort. Zwar beruft sich die Vorinstanz für ihren Standpunkt auf § 9 FZG, wonach für das gleiche Kind gesamthaft nur eine volle Zulage ausgerichtet werden darf. Wie aus dem Marginale dieser Bestimmung „Zusammentreffen mehrerer Ansprüche" und aus dem Kontext hervorgeht, ist diese Norm indessen für jene Fälle gedacht, in denen in bezug auf ein Kind mehrere anspruchsberechtigte Personen bestehen (z.B. wenn Vater und Mutter als Arbeitnehmer erwerbstätig sind). Es kann aus § 9 FZG aber nichts abgeleitet werden für den Fall, in welchem die Kinderzulagen nicht einer bezugsberechtigten Person, sondern dem zur Weiterleitung verpflichteten Arbeitgeber ausbezahlt wurden, und dieser die Weiterleitung unterlassen hat.

b) Findet sich für die Beantwortung dieser Frage, welche notwendigerweise zu beantworten ist, im Gesetz keine Regelung, so ist durch richterliche Lückenfüllung eine Regelung zu treffen, welche generell abstrakt, nicht kasuistisch sein soll. Die zu findende Lösung muss praktikabel sein und sich in das bestehende System einfügen. Es soll eine Anlehnung an bestehende gesetzliche Regelungen stattfinden, wobei primär verwandte Regelungen des öffentlichen Rechts und subsidär des Privatrechts heranzuziehen sind (Rhinow/Krähenmann, Schweiz. Verwaltungsrechtsprechung, Ergänzungsband, S. 74f. VI).

aa) Eine erste Analogie findet sich in Art. 14 AHVG. Der Arbeitgeber ist Erfüllungsvertreter der AHV-Beitragsschuld des Arbeitnehmers (H.P. Käser, Unterstellung und Beitragswesen in der obligatorischen AHV,

S. 213, Ziff. 14.4). Erfüllt der Arbeitgeber, aus welchen Gründen auch immer, seine ihm gesetzlich auferlegte Pflicht nicht, d.h. liefert er die Beiträge der Versicherung nicht ab, und werden diese Beiträge uneinbringlich, so trägt den daraus entstandenen Schaden nicht der Arbeitnehmer, sondern die Versicherung, indem dem Arbeitnehmer gleichwohl die gesamten Beiträge ins individuelle Konto eingetragen werden (Art. 138 Abs. 1 AHW).

bb) Zum gleichen Ergebnis führt eine Anlehnung ans Obligationenrecht (OR). Wer Hilfspersonen mit der Erfüllung von Verpflichtungen betraut, haftet dem andern gemäss Art. 101 OR für die richtige Erfüllung. Diese Privatrechtsnorm wurde vom Eidg. Versicherungsgericht auch schon im Sozialversicherungsrecht angerufen und angewandt (ZAK 1957, S. 445). Es ist sachgerecht, systemkonform und praktikabel, diese Regel auch vorliegend anzuwenden. Wenn die FAK oder die Gesetzgebung über die Familienzulagen den Arbeitgeber als Erfüllungsgehilfen für die Auszahlung der Kinderzulagen an die Bezugsberechtigten einsetzt, und der Arbeitgeber erfüllt diese Pflicht nicht, so haftet die FAK gegenüber den Berechtigten.

Mithin ist die Beschwerde gutzuheissen und die Vorinstanz zu verhalten, dem Beschwerdeführer die Kinderzulagen für die Monate April und Mai 1994 auszubezahlen.

( VGE 87/95 vom 30. August 1995).

 

20

Familienzulagen

– Kinderzulagen für Teilzeitbeschäftigte (§ 7 Abs. 2 und 3 Gesetz über die Familienzulagen, FZG). Begriff der Teilzeitarbeit. Tagesmutter.

Aus den Erwägungen:

1. Teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer erhalten gemäss § 7 Abs. 2 des Gesetzes über die Familienzulagen (FZG, nGS 365) die vollen Zulagen, wenn sie in ihrem Arbeitsbereich mindestens 60 Prozent der betriebsüblichen Arbeitszeit verrichten. Anspruchsberechtigte, die eine Teilzeitarbeit von weniger als 60 Prozent verrichten, erhalten eine der Arbeitszeit entsprechende Teilzulage (§ 7 Abs. 3 FZG).

In § 8 der Vollzugsverordnung zum FZG (FZGV, nGS 368) legiferierte der Regierungsrat:

„Für Arbeitnehmer, die Teilzeit leisten, sind die Kinderzulagen wie folgt zu berechnen:

a) bei einem Arbeitspensum von weniger als 20 Prozent der betriebsüblichen monatlichen Arbeitszeit besteht kein Anspruch auf Kinderzulagen;

b) bei einem Arbeitspensum von 20 bis 40 Prozent der betriebsüblichen monatlichen Arbeitszeit 40 Prozent einer vollen Kinderzulage;

c) bei einem Arbeitspensum von 40 bis 60 Prozent der betriebsüblichen Arbeitszeit 60 Prozent einer vollen Kinderzulage."

2. a) Die Beschwerdeführerin (Bf) war gemäss den gerichtlichen Sachverhaltsabklärungen früher als kaufmännische Angestellte berufstätig. Mit der Geburt ihres ersten Kindes gab sie ihre Erwerbstätigkeit auf. Seither ist sie Haus- und Familienfrau. Daneben führte sie bis Ende 1992 sporadisch, ohne Entgelt, Büroarbeiten für ihren Mann aus.

Im Januar 1993 schloss die Bf mit dem Ehepaar X. einen „Tagesmuttervertrag" ab. Danach pflegte und betreute die Bf das Kind der X. von Montag bis Freitag, von ca. 07.30 Uhr bis 18.15 Uhr. Als Entschädigung wurden Fr. 200.– pro Woche vereinbart, wobei in dieser Entschädigung ausser dem Schoppen und den Pampers auch die Verpflegung für das zu betreuende Kind inbegriffen war. Diese dürfte allerdings angesichts des Alters des Kindes (10 Monate zu Beginn, 2 1/2 Jahre am Ende des Pflegekindverhältnisses) nicht stark ins Gewicht gefallen sein. Im Hinblick auf die Geburt ihres zweiten Kindes (Geburtsmonat: Oktober 1994) gab Frau X. Ende August 1994 ihre Erwerbstätigkeit auf, weshalb der Tagesmuttervertrag per Ende August 1994 aufgehoben wurde.

b) Unbestritten ist, dass die Pflegemuttertätigkeit der Bf als unselbständige Erwerbstätigkeit zu qualifizieren ist, und dass sie grundsätzlich für die Dauer dieses Vertragsverhältnisses Anspruch auf Kinderzulagen hat. Bestritten ist die Höhe.

Die Bf begründet ihr Begehren um volle Kinderzulagen mit der Argumentation, die Verordnung stelle nicht auf den erhaltenen Lohn als Kriterium ab. Massgebend sei vielmehr, ob eine Erwerbstätigkeit in Teilzeit oder Vollzeit verrichtet werde. Sie habe aber als Tagesmutter während rund 10 1/2 Stunden auf das Kind des Ehepaars X. aufpassen, es pflegen und es versorgen müssen.

c) Richtig ist, dass die Höhe der Kinderzulagen nicht von der Höhe des Lohnes abhängt. So hat die Rechtsprechung etwa entschieden, dass ein im Hauptberuf unselbständig Erwerbstätiger auch dann Anspruch auf die vollen Zulagen hat, wenn er nicht einen orts- und branchenüblichen Lohn erhält (vgl. Rechtsprechung BSV über Familienzulagen 1980/84, S. 129; 1987, S. 75ff. = Volle Zulage während IV-Umschulung in Vollzeit, aber zu geringem Lohn). Der Begriff der Teilzeitarbeit, wie er im FZG und in der Verordnung verwendet wird, ist auf den Normalfall zugeschnitten, in welchem ein Arbeitnehmer während einer bestimmten Anzahl von Stunden oder Tagen pro Woche seine ganze Arbeitskraft in den Dienst des Arbeitgebers stellt. So verrichtet beispielsweise eine kaufmännische Angestellte, welche bei einer betriebsüblichen Arbeitszeit von 5 Arbeitstagen pro Woche an zwei Tagen während den üblichen Arbeitsstunden (heute in der Regel zwischen 8 und 9 Stunden pro Tag) im Büro arbeitet, ein Arbeitspensum von 40% eines Vollzeitpensums.

Der Fall der Tagesmutter, welche während einer vollen Normalarbeitszeit ein Pflegekind betreut, welche aber parallel dazu ihre eigenen Kleinkinder umsorgt (beaufsichtigt, füttert, mit ihnen spielt, spaziert, Sprache vermittelt, Windeln wechselt, ermahnt, aufmuntert, tröstet usw.) und den ganzen Haushalt besorgt (Haushaltführung, Einkauf/Besorgungen, Ernährung, Wohnungspflege, Wäsche- und Kleiderpflege, Pflanzen- und Gartenpflege, Haustierhaltung usw.) ist in Gesetz und Verordnung nicht explizit geregelt. Es ist deshalb durch die Verwaltung und im Beschwerdefall durch den Richter eine Lösung zu treffen, welche sachgerecht ist, welche dem Sinn des Gesetzes entspricht.

Wenn die Bf wöchentlich während 5 Tagen a 101/2 Stunden als Pflegemutter ein Kleinkind betreut, so arbeitet sie hiefür in etwa während einer branchenüblichen Arbeitszeit. Sie widmet indessen dieser Aufgabe während dieser Zeit nicht ihre volle Arbeitszeit, sondern sie betreut während dieser Zeit nur teilzeitlich das Pflegekind, weil sie parallel dazu noch ihre beiden eigenen Kleinkinder gleichermassen betreut und den ganzen Haushalt besorgt (zu den einzelnen Tätigkeiten siehe oben). Der auf das Pflegekind entfallende Arbeitsanteil dürfte im vorliegenden Fall (vierköpfige eigene Familie mit eigenen Kleinkindern, welche zu Beginn des Pflegekindverhältnisses 31/2 und 11/2 Jahre alt waren) schätzungsweise 20–25 % des Vollzeitjobs (Hausfrau/Mutter) ausgemacht haben. Sicher erreichte er nicht 40% (vgl. zu den Aufgabenanteilen der im Haushalt tätigen Personen, Rz 2114ff. der Wegleitung über Invalidität und Hilflosigkeit und Regula Brüngger, Die Bewertung des Arbeitsplatzes in privaten Haushalten, S. 30, 32 und 63). Wenn die Vorinstanz eine 40prozentige Kinderzulage zugesprochen hat, so hat sie deshalb eine sachgerechte Lösung getroffen, die zu bestätigen ist. Es wäre im Vergleich zu jener Beschäftigten, die neben ihrem Beruf als Haus- und Familienfrau während 1 bis 2 Tagen einer ausserhäuslichen Erwerbstätigkeit nachgeht und hiefür eine 40prozentige Kinderzulage erhält, nicht sachgerecht und nicht rechtsgleich, wenn die Pflegemutter unter den hier gegebenen Umständen eine ganze Zulage beanspruchen könnte.

(VGE 198/94 vom 11. Januar 1995).

 

21

Ergänzungsleistungen

– Praxis betreffend Anrechnung hypothetischer Erwerbseinkommen bei Teilinvaliden.

Aus den Erwägungen:

4. Zu prüfen ist somit noch, ob die Vorinstanz zu Recht ein hypothetisches Erwerbseinkommen angerechnet hat.

a) Das anrechenbare Einkommen wird nach den Bestimmungen der Art. 3ff. ELG berechnet. Als Einkommen anzurechnen sind danach u.a. Einkünfte und Vermögenswerte, auf die verzichtet worden ist (vgl. Art. 3 Abs. 1 Bst.f ELG).

Mit der zweiten IVG-Revision hat der Bundesrat in Art. 3 Abs. 6 ELG die Kompetenz erhalten, nähere Vorschriften über die Anrechnung von Einkommen aus einer zumutbaren Erwerbstätigkeit bei Witwen ohne minderjährige Kinder zu erlassen. Gestützt auf diese Delegationsnorm hat er in Art. 14b ELV (in Kraft seit 1. Januar 1988) bestimmt, dass bei diesen Personen als Erwerbseinkommen zumindest der doppelte Betrag der Einkommensgrenze für Alleinstehende bis zur Vollendung des 40. Altersjahres (Bst.a), der Betrag dieser Einkommensgrenze vom 41. bis zum 50. Altersjahr (Bst.b) oder zwei Drittel des Betrages dieser Einkommensgrenze vom 51. bis zum 60. Altersjahr (Bst.c) anzurechnen ist (vgl. auch ZAK 1989, S. 570).

b) Wie das EVG in seiner neuesten Rechtsprechung betreffend die Anrechnung hypothetischer Erwerbseinkommen bei Teilinvaliden festgestellt hat, kann im Hinblick auf die berechtigten Interessen der Vereinfachung und der rascheren Behandlung von Einzelfällen grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass es dem teilinvaliden Versicherten vermutungsweise möglich und zumutbar ist, im Rahmen seines von der IV-Kommission festgestellten verbliebenen Leistungsvermögens die in Art. 14a ELV festgelegten Grenzbeträge zu erzielen. Diese Vermutung kann indessen durch den Beweis des Gegenteils umgestossen werden, indem der Ansprecher auch Umstände geltend machen kann, welche bei der Bemessung der Invalidität ohne Bedeutung waren, ihm jedoch verunmöglichen, seine theoretische Restarbeitsfähigkeit wirtschaftlich zu nutzen. Denn es gibt erfahrungsgemäss Fälle, in denen die IV zu Recht bloss eine Viertels- oder eine halbe Rente zuspricht, obwohl der Versicherte aus invaliditätsfremden Gründen nicht in der Lage ist, die verbliebene Arbeitsfähigkeit tatsächlich zu verwerten. Müssten sich auch solche Personen die schematisch festgelegten hypothetischen Erwerbseinkommen anrechnen lassen, hätte dies zur Folge, dass Art. 3 Abs. 1 Bst.f ELG seines Sinnes entleert würde, da diese Bestimmung nur die Anrechung von Einkünften vorschreibt, auf die der Ansprecher verzichtet hat. Massgebend für die Berechnung der EL ist daher auch unter der Herrschaft des neuen Art. 14a ELV dasjenige hypothetische Einkommen, das der Versicherte tatsächlich realisieren könnte (vgl. ZAK 1989, S. 571, Erw. 3b).

Im zuletzt erwähnten Präjudiz führte das EVG in der Folge aus, dass die vorerwähnten Grundsätze sinngemäss auch für den Bereich von EL für nichtinvalide Witwen ohne minderjährige Kinder gelte. Es bestehe somit eine widerlegbare Vermutung dafür, dass die Witwe Erwerbseinkünfte in der in Art. 14b ELV erwähnten Höhe zu erzielen vermag. Dies habe eine Umkehr der objektiven Beweislast zur Folge, indem bei unbewiesen gebliebener Unmöglichkeit, eine zumutbare Tätigkeit auszuüben, das dem Alter der Witwe entsprechende Erwerbseinkommen angerechnet werde. Die gesetzliche Vermutung könne die Versicherte durch den Nachweis beseitigen, dass es ihr weder möglich noch zumutbar sei, irgendeine Erwerbstätigkeit auszuüben (bzw. mittels der ihr zumutbaren Arbeit das in Art. 14b ELV festgelegte hypothetische Einkommen zu erzielen). Bei der Prüfung der Frage, ob der Versicherten die Ausübung einer Tätigkeit in grundsätzlicher wie masslicher Hinsicht möglich und zumutbar sei, seien entsprechend der Zielsetzung der EL sämtliche objektiven und subjektiven Umstände zu berücksichtigen, welche die Realisierung eines Einkommens verhindern oder erschweren, wie Gesundheit, Zumutbarkeit von Arbeitstätigkeit, ausgeglichener Arbeitsmarkt, Alter, bisherige Tätigkeit, Dauer der Abwesenheit vom Berufsleben, mangelnde Ausbildung oder Sprachkenntnisse, aber auch persönliche Umstände, die es der Versicherten verunmöglichen, die Erwerbsfähigkeit in zumutbarer Weise auszunützen (vgl. ZAK 1989, S. 572. Erw. 3c).

(VGE 5/95 vom 7. Juni 1995).

 

22

Invalidenversicherung

– Berufliche Eingliederungsmassnahme. Anspruch auf Umschulung (Art. 17 IVG). Erfordernis der annähernd gleichwertigen Erwerbsmöglichkeit bei der Umschulung einer Psychiatriekrankenschwester zur Damenschneiderin bejaht.

Aus den Erwägungen:

2. a) Grundsätzlich setzt der Eingliederungsanspruch voraus, dass die Massnahmen notwendig und geeignet sind, die Erwerbsfähigkeit wieder herzustellen, zu verbessern, zu erhalten oder ihre Verwertung zu fördern. Dabei ist die gesamte noch zu erwartende Arbeitsdauer zu berücksichtigen (Art. 8 Abs. 1 IVG). Vorliegend steht die Umschulung der gelernten Psychiatrieschwester (IV-act. 16) zur Diskussion. Sie hat nach Art. 17 IVG Anspruch auf Umschulung auf eine neue Erwerbstätigkeit, wenn die Umschulung infolge Invalidität notwendig ist, und dadurch die Erwerbsfähigkeit voraussichtlich erhalten oder wesentlich verbessert werden kann. Gemäss Rechtsprechung ist unter Umschulung grundsätzlich die Summe der Eingliederungsmassnahmen berufsbildender Art zu verstehen, die notwendig und geeignet sind, dem vor Eintritt der Invalidität bereits erwerbstätig gewesenen Versicherten eine seiner früheren, annähernd gleichwertige Erwerbsmöglichkeit zu vermitteln (ZAK 1984, S. 91 mit Hinweisen; ZAK 1988, S. 468; ZAK 1992, S. 365). Das Erfordernis der „annähernden Gleichwertigkeit" der durch eine Umschulung vermittelten neuen Betätigungsmöglichkeit soll eine durch die Eingliederungsmassnahmen bewirkte wirtschaftliche Besserstellung des Versicherten verglichen mit seiner ökonomischen Lage vor dem Invaliditätseintritt verhindern. Der Begriff der „annähernden Gleichwertigkeit" bezieht sich demnach nicht in erster Linie auf das Ausbildungsniveau als solches, sondern auf die nach erfolgter Eingliederung zu erwartende Verdienstmöglichkeit (ZAK 1988, S. 470). In der Regel besteht nur ein Anspruch auf die dem jeweiligen Eingliederungszweck angemessenen, notwendigen Massnahmen, nicht aber auf die nach den gegebenen Umständen bestmöglichen Vorkehren. Denn das Gesetz will die Eingliederung lediglich so weit sicherstellen, als diese im Einzelfall notwendig, aber auch genügend ist. Ferner muss der voraussichtliche Erfolg einer Eingliederungsmassnahme in einem vernünftigen Verhältnis zu den Kosten stehen. Der Umstand, dass das Gesetz den Eingliederungsmassnahmen die Priorität vor den Rentenleistungen zuerkennt, bedeutet nicht, dass die Ausrichtung einer halben oder ganzen Rente die zusätzliche Gewährung von Eingliederungsvorkehren ausschliesst. Zu berücksichtigen ist allerdings, dass Art. 17 Abs. 1 IVG den Leistungsanspruch an die Voraussetzung knüpft, dass dadurch die Erwerbsfähigkeit erhalten oder wesentlich verbessert werden kann. Von der IV nicht zu übernehmen sind somit Massnahmen, welche die Erwerbsfähigkeit nur geringfügig zu beeinflussen vermögen. Namentlich sieht das Gesetz keine Massnahmen vor, um einen kleinen und unsicheren Rest von Erwerbsfähigkeit zu erhalten. Dies wird nun aber gerade bei Bezügern von ganzen Renten, also Versicherten mit einem Invaliditätsgrad von mindestens 2/3 häufig der Fall sein. Nach der Rechtsprechung gilt ein erwachsener Bezüger einer ganzen IV-Rente nur dann als voraussichtlich erwerbsfähig, wenn er nach durchgeführten Eingliederungsmassnahmen ein Erwerbseinkommen erzielen kann, das mindestens einen beachtlichen Teil seiner Unterhaltskosten deckt; deswegen ist eine berufliche Ausbildung, wie sie die Art. 16 Abs. 2 und 17 Abs. 1 IVG umschreiben, nur dann eine Eingliederungsmassnahme nach Art. 8 Abs. 1 IVG, wenn sie den Versicherten mindestens in diesem Ausmass arbeitsfähig zu machen verspricht; überdies gehen Eingliederungsvorkehren nur zu Lasten der IV, wenn die damit verbundenen Kosten zum voraussichtlichen Nutzen in einem vernünftigen Verhältnis stehen. Aus der allgemeinen Zielsetzung der IV-rechtlichen Eingliederungsmassnahmen, welche sich auf die erwerblichen und gleichgestellten nicht wirtschaftlichen Aufgabenbereiche gemäss Art. 5 Abs. 1 IVG beschränken, ergibt sich, dass die gesellschaftliche Integration oder soziale Eingliederung nicht nach Massgabe des IVG versichert ist (ZAK 1992, S. 365f.). Somit gelten als Umschulung im Sinne von Art. 17 IVG nur Massnahmen, die gezielt auf die berufliche Ausbildung ausgerichtet sind. Sie setzen die Eingliederungsfähigkeit des Versicherten voraus und müssen im Endergebnis zu einer wesentlichen Verbesserung der Erwerbsfähigkeit beitragen oder die noch vorhandene Teilerwerbsfähigkeit vor weiterer Beeinträchtigung schützen. Nicht unter die Umschulungsmassnahmen fallen folgerichtig Massnahmen der sozialberuflichen Rehabilitation (wie Gewöhnung an den Arbeitsprozess, Aufbau der Arbeitsmotivation, Stabilisierung der Persönlichkeit, Einüben der sozialen Grundelemente) mit dem primären Ziel, die Eingliederungsfähigkeit des Versicherten zu erreichen (ZAK 1992, S. 364).

b) aa) Die (…) geborene Beschwerdeführerin arbeitete nach dem Schulabgang von (…) bis (…) als Serviceangestellte im Gastgewerbe, sie besuchte in dieser Zeit auch entsprechende Kurse in der Hotelfachschule. (…) arbeitete sie als Hilfsarbeiterin. (…) liess sie sich zur Psychiatriekrankenschwester ausbilden. (…) arbeitete sie 6 Monate lang als Psychiatrieschwester. (…)

bb) Es ist unbestritten, dass die Beschwerdeführerin aufgrund ihres psychischen Leidens nicht mehr in der Lage ist, als Psychiatrieschwester zu arbeiten.

c) aa) Soweit die Vorinstanz durch die beantragte berufliche Massnahme (Ausbildung zur Damenschneiderin) das Gleichwertigkeitsgebot verletzt sieht, ist dieser Beurteilung nicht zu folgen. Das in der Rechtsprechung verlangte Kriterium der annähernden Gleichwertigkeit will verhindern, dass zu Lasten der Invalidenversicherung eine im Vergleich zum Vorinvaliditätsstatus wirtschaftliche Besserstellung angestrebt wird, es will aber nicht kategorisch sämtliche Umschulungsmassnahmen unterbinden, welche keine annähernd gleichwertige, sondern nur eine geringere künftige Verdienstmöglichkeit ermöglichen werden. Grundsätzlich hat die Versicherte zwar Anspruch auf eine mit Blick auf die Erwerbsmöglichkeiten annähernd gleichwertige Ausbildung. Dies wird aber in bestimmten Fällen zum vornherein illusorisch sein (z.B. Kaderleute). Deswegen verliert eine Versicherte den Umschulungsanspruch aber noch nicht. Vielmehr sind die gesetzlichen Voraussetzungen zu beachten. Der Gesetzgeber verlangt, dass die Erwerbsfähigkeit durch die Umschulung voraussichtlich erhalten oder wesentlich verbessert werden kann. Mit Erwerbsfähigkeit ist dabei der Status im Zeitpunkt der Massnahmengewährung gemeint (wäre der Status vor Invaliditätseintritt angesprochen, würde die wesentliche Verbesserung ja gerade eine unzulässige wirtschaftliche Besserstellung bewirken). Im Anwendungsfall muss sodann die bereits dargelegte Rechtsprechung mitberücksichtigt werden: Die IV finanziert keine Massnahmen, die nur einen kleinen und unsicheren Rest der Erwerbsfähigkeit erhalten. Nach der beruflichen Eingliederung sollte der Versicherte einen beachtlichen Teil seiner Unterhaltskosten decken können. Überdies müssen die Kosten zum voraussichtlichen Nutzen in einem vernünftigen Verhältnis stehen.

bb) Im vorliegenden Fall ist entgegen der vorinstanzlichen Ansicht davon auszugehen, dass die Massnahme nicht nur notwendig, sondern auch geeignet ist, eine wesentliche Besserung der Erwerbsfähigkeit zu erzielen. Dies aus folgenden Gründen:

– Die Vorinstanz geht von einer 50%-Arbeitsfähigkeit in einer Hilfsarbeitertätigkeit aus. Beim Erlass der Rentenverfügung ermittelte sie ein Invalideneinkommen von Fr. 21000.–. Ob eine Steigerung der Arbeitsfähigkeit bzw. der Erwerbsfähigkeit im Rahmen von Hilfsarbeitstätigkeiten möglich sein wird, ist fraglich. Zum einen setzen viele Hilfsarbeiten für Frauen eine soziale Beziehungsfähigkeit voraus (Verkäuferin, Serviceangestellte und weitere Kontaktberufe), zum anderen sind industrielle Hilfsarbeiten in der Regel monoton und stressig (z.B. Fliessbandarbeiten). Dem psychischen Leiden der Bf käme jedoch eine handwerklich-gestalterische Arbeit ohne allzu grossen Zeitdruck entgegen. Es ist deshalb zu befürchten, dass bei einem Verzicht auf berufliche Massnahmen sich die bestehende Arbeitsfähigkeit nicht nur verbessert, sondern viel eher noch verringert.

– Günstiger lauten die Prognosen, wenn sich die Bf zur Damenschneiderin umschulen lässt. Diese handwerklich-gestalterische Arbeit ist in ausgeprägtem Masse geeignet, der Bf zur weiteren psychischen Stabilität zu verhelfen, was wiederum die Grundlage für eine höhere Leistungsfähigkeit bildet, womit auch Arbeits- und Erwerbsfähigkeit ansteigen werden.

– Der Beruf der Damenschneiderin kommt der Bf nicht nur im Lichte ihrer Krankheit entgegen, er entspricht auch sonst ihrer beruflichen Neigung. Dies wird sich ebenfalls positiv auf die Leistungsfähigkeit auswirken.

– Nachdem die Bf auf eigenes Risiko hin das Hospitantinnenjahr begonnen hat, liegt ein positiver Referenzbericht der (…) vom 20. Oktober 1994 vor. Die Chancen einer erfolgreichen Umschulung verbunden mit einer wesentlichen Verbesserung der Erwerbsfähigkeit, sind damit gestiegen.

– Die Bf ist mit (…) Jahren in einem günstigen Eingliederungsalter. Die zu erwartende Arbeitsdauer ist noch lang.

– Offenbleiben kann, ob der angenommene Validenlohn von Fr. 62800.– zutreffend ist. Dafür sprechen die Angaben der Arbeitgeberin, welche die bloss 60%-Anstellung nach Lehrende auf nicht bekannte Gründe zurückführt („evtl. mehr Freizeit, nicht gesundheitlich", IV-act. 8, Rückseite). Dessen ungeachtet bleibt fraglich, ob eine 100%-Arbeitsfähigkeit als Psychiatrieschwester je bestanden hat, nachdem die Bf schon (…) stationär psychiatrisch behandelt werden musste.

cc) Somit ist erstellt, dass die Umschulung zur Damenschneiderin geeignet und verhältnismässig ist, die Erwerbsfähigkeit der Bf wesentlich zu verbessern. In Gutheissung der Beschwerde ist deshalb die Umschulung im Sinne des von der Berufsberaterin formulierten „Antrags der Versicherten" zu gewähren (Hospitantinnenjahr). Nach Ablauf des Hospitantinnenjahres ist nach Rücksprache mit der Fachschule und dem behandelnden Psychiater über die Fortsetzung der Damenscheiderlehre und die entsprechenden beruflichen Massnahmen zu befinden.

(VGE 159/94 vom 11. Januar 1995).

Anmerkung: Das Eidgenössische Versicherungsgericht hat mit Urteil vom 23. Januar 1996 den Umschulungsanspruch bestätigt.

 

23

Invalidenversicherung

– Verrechnung einer Rentennachzahlung mit Leistungen, die von der Fürsorgebehörde erbracht wurden.

Aus den Erwägungen:

2. Gestützt auf Art. 50 IVG in Verbindung mit Art. 45 AHVG hat der Bundesrat in Art. 76 AHVV Vorschriften über die Gewährleistung zweckmässiger Verwendung von Renten aufgestellt. Nach diesen zitierten Bestimmungen kann die Ausgleichskasse eine Invalidenrente ganz oder teilweise einer geeigneten Drittperson oder Behörde auszahlen, die dem Rentenberechtigten gegenüber gesetzlich oder sittlich unterstützungspflichtig ist oder ihn dauernd fürsorgerisch betreut. Voraussetzung ist, dass der Rentenberechtigte die Renten nicht für den Unterhalt seiner selbst und der Personen, für welche er zu sorgen hat, verwendet, oder dass er nachweisbar nicht imstande ist, die Rente hiefür zu verwenden, und dass er oder die Personen, für welche er zu sorgen hat, deswegen ganz oder teilweise der öffentlichen oder privaten Fürsorge zur Last fallen (vgl. Art. 76 Abs. 1 AHVV). Nach der Rechtsprechung rechtfertigt die Tatsache allein, dass jemand von einer Fürsorgebehörde unterstützt wird, noch nicht die Auszahlung an diese Behörde (vgl. BGE 118 V 91 mit Verweisen, u.a. auf ZAK 1990, S. 254; vgl. auch EVGE v. 22.4.1992 i.Sa. Ausgleichskasse Schwyz und Gemeinde W., Erw. 4a).

Die Verwaltungspraxis hat seit jeher die Drittauszahlung unter bestimmten Voraussetzungen auch dann zugelassen, wenn die Bedingungen des Art. 76 AHVV über die Gewährleistung zweckmässiger Rentenverwendung nicht erfüllt sind, obschon grundsätzlich jede Abtretung einer Invalidenrente aufgrund von Art. 50 IVG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 AHVG nichtig ist. So können Rentennachzahlungen auf Gesuch hin privaten oder öffentlichen Fürsorgestellen ausbezahlt werden, welche entsprechende Vorschussleistungen erbracht haben. Solche Drittauszahlungen setzen nach der Verwaltungspraxis jedoch voraus, dass die Vorschussleistungen tatsächlich erbracht worden sind, und dass der Leistungsberechtigte oder sein gesetzlicher Vertreter der Drittauszahlung schriftlich zugestimmt hat. Diese Praxis hat das Eidg.Versicherungsgericht wiederholt unbeanstandet gelassen (vgl. BGE 118 V 91 unten; BGE 110 V 13; ZAK 1990, S. 254; zit. EGVE v. 22.4.1992).

Des weitern hat das EVG im zit. Urteil vom 18. Mai 1992 präzisiert, dass die Zustimmung zur Drittauszahlung erst dann rechtsgültig erteilt werden kann, wenn der entsprechende Beschluss der Invalidenversicherungskommission ergangen ist. Im Rahmen des daraufhin einsetzenden Vorbescheidverfahrens hat die Verwaltung bis zum Verfügungserlass Gelegenheit, eine allfällige Einwilligung zur Drittauszahlung einzuholen oder, falls diese vom antragstellenden Dritten beigebracht wird, deren Eingang abzuwarten (vgl. BGE 118 V 93 oben).

(VGE 179/94 vom 25. Januar 1995).

 

24

Unfallversicherung

– Rentenanspruch. Praxis betreffend Unfälle mit psychischen Folgeschäden. Einteilung des objektiv erfassbaren Unfallereignisses.

Aus dem Sachverhalt:

X. fuhr mit seiner Suzuki 1100 über einen Pass. Ein von der Gegenrichtung herkommender Fahrzeuglenker, welcher mit seinem Geländewagen nach links in Richtung Hospiz abzweigte, übersah X. und schnitt diesem den Weg ab, so dass es zur Kollision kam. X. erlitt eine Hüftluxationsfraktur rechts mit Acetabulumfraktur und Abriss mehrerer dorsaler Fragmente, eine erstgradig offene proximale Unterschenkel-Trümmerfraktur rechts, und eine Kontusion der rechten Schulter sowie des linken Ellbogengelenkes. Im konkreten Fall war zu prüfen, ob die später aufgetretenen psychischen Schwierigkeiten in einem adäquat kausalen Zusammenhang mit dem Motorradunfall standen.

Aus den Erwägungen:

2. d) aa) Bei der Einteilung der Unfälle mit psychischen Folgeschäden in leichte, mittelschwere und schwere Unfälle, ist nicht das Unfallerlebnis der betroffenen Person massgebend, sondern das objektiv erfassbare Unfallereignis. In Anwendung dieser Praxis hat das Eidg.Versicherungsgericht u.a. folgende Fälle zu den schweren Unfällen gerechnet: Eine Frontalkollision, bei welcher der Mitfahrer getötet und der Fahrer schwer verletzt wurden (unveröffentl. Urteil U 145/94 vom 15. Dez. 1994); Zusammenstoss einer Autofahrerin mit einem Zug, Verlust des Unterschenkels (unveröffentl. Urteil U 141/94 vom 13. Dez. 1994); Absturz mit dem Gleitschirm mit multiplen, schwersten und lebensgefährlichen Verletzungen, die verheilten und den Verlust des Geruchs- und Geschmacksempfindens zurückliessen (Urteil 60/94 v. 28. Okt. 1994, publ. in BGE 120 V 352ff.); Unfall auf der Autobahn, mit schweren Verletzungen (unveröffentl. Urteil U 77/89 vom 11. Jan. 1990); Arbeiter, der von einem mit einer Geschwindigkeit von 50 km/h vorbeifahrenden Lastwagen am Kopf getroffen und weggeschleudert wurde, wobei er eine schwere commotio cerebri erlitt (unveröffentl. Urteil U 53/86 vom 17. Okt. 1989); Arbeiter, der zwischen zwei fahrende Eisenstangen einer Betonmischmaschine geriet, beidseits Femurschaft-Trümmerfrakturen (unveröffentl. Urteil U 65/87 vom 17. Aug. 1989; Sturz von einer Leiter aus einer Höhe von 4 bis 5 m auf einen Gehsteig mit verschiedenen schweren Knochenbrüchen (unveröffentl. Urteil U 46/86 vom 25. Juli 1989, zit. nach EVGE U 197+198/94 vom 17. Jan. 1995 i.Sa. M.M., Erw. 3b).

Demgegenüber hat das EVG im Falle eines Zweiradfahrers, der von einem Personenwagen frontal erfasst, auf die Motorhaube gehoben und aufs Trottoir geworfen wurde (unveröffentl. Urteil C vom 23. Dez. 1991) und im Falle einer Mofa-Fahrerin, die sich bei einem Zusammenstoss mit einem Personenwagen eine Tibiakopffraktur zuzog (unveröffentl. Urteil U 91/87 vom 14. Dez. 1989) das Unfallereignis dem mittleren Bereich zugeordnet, wobei es jeweils den adäquaten Kausalzusammenhang bejahte, weil die übrigen Kriterien erfüllt waren (vgl. EVGE U 197+198/94 vom 17. Jan. 1995 i.Sa. M.M. Erw. 3b). In einem weiteren Fall ordnete das EVG einen Zusammenstoss zwischen einer Radfahrerin und einem Lastwagen, bei welchem die Radfahrerin eine Schambeinastfraktur links und eine Oberschenkelkontusion rechts erlitt, dem mittleren Bereich zu, und zwar den schwereren Fällen (vgl. EVGE U 197+198/94 vom 17. Jan. 1995 i.Sa. M.M., Erw. 3c).

Im Lichte der dargelegten EVG-Praxis ist hier der Vorinstanz beizupflichten, dass das Unfallereignis als mittelschwer einzustufen ist, wobei nach Massgabe des zuletzt zitierten EVGEs U 197+198/94 vom 17. Jan. 1995 i.Sa. der vorliegende Fall zur Untergruppe der schwereren Fälle im mittleren Bereich gehört. Von daher genügt es für die Bejahung des adäquaten Kausalzusammenhangs gemäss BGE 115 V 140 (Erw. 6c/bb), wenn ein einziges unfallbezogenes Kriterium erfüllt ist (vgl. EVGE U 197+198/94 vom 17. Jan. 1995 i.Sa. M.M., Erw. 3c).

(VGE 47/95 vom 19. Juli 1995).